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Anlegerschaden: Vorbringen zu Anlageentschluss

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ZPO: § 239, § 266, § 267

Auch wenn im Allgemeinen jede Partei die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat, die für ihren Rechtsstandpunkt günstig sind, bedarf es keines Beweises für jene Tatsachen, die der Prozessgegner iSd §§ 266, 267 ZPO ausdrücklich oder schlüssig zugestanden hat; darauf ist auch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen. Den „Dialog“ darüber, welcher Sachverhalt sich zugetragen hat, aus dessen Inhalt dann das Gericht ableitet, welche Tatsachen im Verfahren als strittig eines Beweises bedürfen, beginnt im Zivilprozess der Kl mit seinem Sachvortrag in der Klage, auf den der Bekl in der Klagebeantwortung reagiert. Hat dabei eine Partei von sich aus zu ihren (eigenen) Lasten gehende Tatsachenbehauptungen aufgestellt, bedarf es keines Wiederholens durch den Bekl. Dem Schweigen zu den für eine Partei günstigen Umständen, auf die sich der andere berufen hat, kann im Regelfall keine andere Bedeutung zukommen, als dass diese (dadurch „begünstigte“) Partei – genauso wie der Prozessgegner selbst – von ihrem Vorliegen ausgeht.

Hat nun die klagende Anlegerin selbst vorgebracht, dass und wie sie bei richtiger Aufklärung veranlagt hätte, bedurfte es keines weiteren (eigenen) Vorbringens der beklagten Depotbank zu einem Anlageentschluss, weil dieser damit von der Kl selbst dargelegt wurde. Das ErstG ging daher zutreffend – und ohne Feststellungen dazu zu treffen – davon aus, dass die Kl entschlossen war, das Geld zu veranlagen, war dies doch zwischen den Parteien gar nicht strittig.

OGH 19. 6. 2018, 1 Ob 73/18v

Entscheidung

Unter der – hier gegebenen – Voraussetzung, dass der Anleger bei richtiger Beratung überhaupt veranlagt hätte, kommt es für die Ermittlung der Höhe des Schadenersatzes auf einen Vergleich mit der hypothetischen Alternativveranlagung an (eine Vertragsanfechtung wegen eines Willensmangels hat die Kl im Verfahren erster Instanz nicht erklärt). Dabei trifft nach mittlerweile gefestigter Rsp den Anleger die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er bei korrekter Information nicht nur die tatsächlich gezeichnete Anlageform nicht erworben hätte, sondern auch dafür, wie er sich dann hypothetisch alternativ verhalten und sich so sein Vermögen entwickelt hätte (6 Ob 32/17z, Rechtsnews 23594 = RdW 2017/281; 3 Ob 167/17f, Rechtsnews 24960, je mwN). Dabei kommt ihm aber zugute, dass wegen der Unmöglichkeit eines exakten Nachweises von Ereignissen, die tatsächlich nicht stattgefunden haben, keine strengen Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs zu stellen sind (vgl dazu mit ausführlichen Nachweisen 8 Ob 2/17b, Rechtsnews 24959 = RdW 2018/224).

Der Senat hat zu einem vergleichbaren Fall bereits klargestellt, dass dann, wenn zwar zu einer konkreten Alternativveranlagung eine Negativfeststellung getroffen wurde, aber andererseits feststeht, dass sich der Anleger (zusammengefasst) für eine sichere Anlageart entschieden hätte, nicht der Schluss gezogen werden könne, der Kl hätte gar keinen Schaden nachweisen können. In solchen Fällen reiche die Feststellung, für welche „Anlageart“ sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte. Maßgebend für den Schadenersatzanspruch [in Geld] sei dann die typische Entwicklung solcher Anlagen (1 Ob 112/17b, Rechtsnews 24958 = RdW 2018/225, unter Verweis auch auf 4 Ob 67/12z, Rechtsnews 14089 = RdW 2013/16).

Auch im vorliegenden Fall kann dem Urteil eindeutig entnommen werden, dass eine „sichere“ Veranlagung gewählt werden sollte. Die Negativfeststellung zur Alternativveranlagung gründete das ErstG (nur) darauf, dass die Aussage der Kl zur hypothetischen Alternativveranlagung “Lebensversicherung mit Kapitalgarantie“ mit dem Vorbringen zu zwei weiteren Veranlagungen (Sparbuch, Mischfonds einer näher bezeichneten Gesellschaft) nicht in Einklang gestanden sei. Damit bezog sich das ErstG aber auf konkrete Anlageprodukte, nicht auf eine Anlageart. Nur dann, wenn es dem ErstG nicht möglich sein sollte, – nach Erörterung mit der Kl im weiteren Verfahren – zu einer „sicheren“ Anlageart und deren Entwicklung Feststellungen zu treffen (gegebenenfalls unter Anwendung des § 273 ZPO), ginge eine Negativfeststellung betr die Alternativanlageart zu Lasten der Kl.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26038 vom 18.09.2018