News

EuGH: Verbot der Auslieferung eigener Staatsangehöriger

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV: Art 18, Art 21

Eine nationale (hier finnische) Regelung, wonach die eigenen Staatsangehörige nicht ausgeliefert werden dürfen (hier: Auslieferungsersuchen Russlands), muss auch den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zugutekommen, wenn sie ihren ständigen Wohnsitz im ersuchten Mitgliedstaat haben und gegen sie ein Auslieferungsersuchen zum Zweck der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vorliegt; diese müssen also ihre Strafe unter denselben Bedingungen wie Inländer im ersuchten Mitgliedsstaat verbüßen können.

Wenn dagegen bei einem Unionsbürger nicht davon ausgegangen werden kann, dass er seinen ständigen Wohnsitz im ersuchten Mitgliedstaat hat, bestimmt sich die Frage seiner Auslieferung nach dem anwendbaren nationalen oder internationalen Recht.

EuGH 13. 11. 2018, C-247/17, Raugevicius

Zu einem finnischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Die Art 18 und 21 AEUV sind dahin auszulegen, dass der ersuchte Mitgliedstaat, nach dessen nationalem Recht die Auslieferung eigener Staatsangehöriger an Staaten außerhalb der Union zum Zweck der Vollstreckung einer Strafe verboten und die Möglichkeit vorgesehen ist, eine solche im Ausland verhängte Strafe im Inland zu vollziehen, im Fall des von einem Drittstaat zum Zweck der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und nicht zum Zweck der Strafverfolgung gestellten Ersuchens um Auslieferung eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, sicherstellen muss, dass dieser Unionsbürger, wenn er seinen ständigen Wohnsitz im Inland hat, bei Auslieferungsfragen auf gleiche Weise wie seine eigenen Staatsangehörigen behandelt wird.

Anmerkung:

Finnland wollte mit seinen Vorlagefragen ua wissen, ob ein Auslieferungsersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung (wie hier) anders zu beurteilen ist, als ein Auslieferungsersuchen zum Zweck der Strafverfolgung, wozu der EuGH bereits Stellung genommen hat (siehe EuGH 6. 9. 2016, C-182/15 , Petruhhin, Rechtsnews 22275).

Ein Teil der Fragen Finnlands bezog sich weiters darauf, ob es einen Unterschied macht, dass der Betroffene im vorliegenden Fall (Auslieferungsersuchen Russlands) Doppelstaatsbürger war und die litauische und die russische Staatsangehörigkeit besitzt. Diesbezüglich verweist der EuGH auf seine Rsp, wonach die doppelte Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats und eines Drittstaats dem Betroffenen nicht die Freiheiten nehmen kann, die er als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats aus dem Unionsrecht herleitet (vgl EuGH 7. 7. 1992, Micheletti ua, C-369/90, EU:C:1992:295, Rn 15).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26321 vom 14.11.2018