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Anhängige Normenprüfungen beim VfGH – Übersicht

Bearbeiter: Barbara Tuma / Bearbeiter: Sabine Kriwanek

Zusammengestellt von der LexisNexis-Redaktion

Die neue Session des VfGH hat begonnen und wird voraussichtlich bis 14. 12. 2018 dauern.

1. Va auf der Tagesordnung

Auf der Tagesordnung der Session stehen laut Presseaussendung des VfGH ua folgende Fälle:

-Mindestsicherung: Fälle aus OÖ und Burgenland:
Aufgrund von Anträgen bzw Beschwerden des LVwG OÖ und von im Bgld ansässigen Personen befasst sich der VfGH in Fortsetzung der Beratungen aus der Herbst-Session 2018 mit den Mindestsicherungsgesetzen dieser Bundesländer. (s auch weiter unten)
-Wiener Klage gegen Rauchverbot-Aufhebung in Gastronomie:
Die öffentliche mündliche Verhandlung zum Thema Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) erfolgt über einen Antrag der Wr LReg gegen die Aufhebung des (vor einigen Jahren beschlossenen, aber noch nicht in Kraft getretenen) absoluten Rauchverbots in der Gastronomie beim VfGH. Auch zwei Gastronomiebetriebe sowie eine jugendliche Nichtraucherin sowie ihr Vater haben solche Anträge gestellt.
Gegenstand der Anträge ist die sogenannte "Gastronomieregelung" im Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz. Das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz sieht einen umfassenden Nichtraucherschutz bzw Nichtraucherinnenschutz an öffentlichen Orten vor. Mit Inkrafttreten des TNRSG-Änderungsgesetzes 2018 war das Rauchverbot, das ab 1. 5. 2018 ohne Ausnahme in der Gastronomie gelten hätte sollen, wieder aufgehoben worden. Damit sind die bis dahin geltenden Ausnahmen vom Rauchverbot in der Gastronomie weiterhin zulässig. "Kleine" Gastronomiebetriebe sind zur Gänze vom Rauchverbot ausgenommen.
-Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft infolge des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit:
Konkret geht es um den Fall eines Mannes, der sich vor 40 Jahren als Türke in Österreich niedergelassen hat und seit 1996 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. 2017 bzw 2018 stellten der Magistrat der Stadt Wien und – diesem folgend – das Verwaltungsgericht Wien fest, dass der Bf die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen (und dadurch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren) habe; dies gestützt auf eine (angebliche) türkische "Wählerevidenzliste". Der Bf bringt vor, nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu keinem Zeitpunkt die türkische Staatsbürgerschaft wiedererworben zu haben. Es sei ihm aber nicht möglich, dies anhand eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister zu belegen, weil dieses Dokument ausschließlich türkischen Staatsangehörigen ausgestellt werde.
-Eurofighter- und BVT-U-Ausschüsse:
Im Fall des Eurofighter-Untersuchungsausschusses hat der VfGH zu entscheiden, ob der Präsident der Finanzprokuratur zur Vorlage sämtlicher Akten und Unterlagen, insb betreffend die "Task Force Eurofighter", verpflichtet ist. Der Untersuchungsausschuss hatte Anfang Oktober beschlossen, den VfGH anzurufen, um die Finanzprokuratur zur Herausgabe noch fehlender Akten zu bewegen.
Im Fokus der Beratungen zum BVT-Untersuchungsausschuss steht die Beschwerde einer Rechtsanwaltskanzlei wegen Verletzung in Persönlichkeitsrechten. Sie zielt auf die Löschung von E-Mails dieser Kanzlei, die bei einem vor mehreren Jahren geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sichergestellt und vom Justizminister dem BVT-Untersuchungsausschuss vorgelegt worden sind.
-Rechnungshof will Flughafen Wien AG und deren Techniktochter prüfen
Der Rechnungshof (RH) hat beim VfGH einen Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit mit der Flughafen Wien AG gestellt. Anlass ist die Absicht des RH, die Gebarung des Flughafens und der Techniktochter Vienna Airport Technik GmbH ab 1. 1. 2017 zu prüfen. Der Flughafen hatte die Prüfung mit der Begründung verweigert, dass – anders als vom Rechnungshof angenommen – keine faktische Beherrschung des Unternehmens durch die öffentliche Hand mehr vorliege. Der Rechnungshof hatte den VfGH bereits im Jahr 2017 angerufen, um eine Gebarungskontrolle beim Flughafen Wien durchzusetzen. Diesen Antrag hatte der Gerichtshof mangels ausreichender Eingrenzung eines Zeitraums für die beabsichtigte Gebarungsüberprüfung zurückgewiesen, ohne inhaltlich zu entscheiden.
Zum vorliegenden (zweiten) Antrag hat der VfGH in der Herbst-Session 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt (s auch weiter unten), die Beratung aber vertagt. Diese wird in der kommenden Session fortgesetzt.

2. Weitere offene Fragen

Weiters sind – soweit überblickbar – zu folgenden veröffentlichten Prüfungsbeschlüssen bzw Gesetzesprüfungsanträgen bisher noch keine Endentscheidungen ergangen:

Verfahren

-Verfahrenshilfe – individuelle Vergütung gem RAO: unzulässige Schlechterstellung betr Verfahren, in denen ein erheblicher Teil der anwaltlichen Vertretungsleistungen außerhalb von gerichtlichen Verhandlungen erbracht wird (zB besonders komplexe Schriftsätze)? Aufhebungsantrag betr die Wortteile „Verhandlungs“ in § 16 Abs 4 erster Satz RAO (in eventu Aufhebung des § 16 Abs 2 RAO und des § 16 Abs 4 RAO). VwGH 20. 3. 2018, Ra 2017/03/0084 (A 2018/0001).
-vierzehntägige Frist für Revisionsrekurs: nach Auffassung des OGH Verstoß gegen den Gleichheitssatz jedenfalls im Verfahren über das Erbrecht. OGH 19. 11. 2018, 2 Ob 157/18d.

Wirtschaftsrecht

-Kärntner VergaberechtsschutzG 2014: Prüfung der Regelung in § 6 K-VergRG 2014 betr die Zuständigkeit des LVwG zur Nichtigerklärung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen in Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen – Verstoß gegen Art 14b B-VG? Prüfungsbeschluss VfGH 27. 6. 2018, E 727/2018; nunmehr: G 205/2018.

Öffentliches Recht

-Bettelverbot in Feldkirch – Prüfung wegen des Bedenkens, dass das Verbot auch des „stillen“ Bettelns insb in der Innenstadt einem „absoluten“ Verbot gleichkommen könnte; Prüfungsbeschluss VfGH 1. 3. 2018, E 3048/2017. (V 19/2018)
Hinweis: Zu Bettelverboten vgl zuletzt etwa VfGH 22. 9. 2017, V 58/2017 ua = Rechtsnews 24311, betr Bludenz oder VfGH 28. 6. 2017, V 27/2017 = Rechtsnews 23830, betr Salzburg.
-Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes: Gem § 22 Abs 10 AsylG 2005 sind die Verwaltungsakten unverzüglich nach Erlassung des Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes dem BVwG zur Überprüfung nach § 22 BFA­VG zu übermitteln. Diese Übermittlung gilt (allein) als Beschwerde. Eine Beschwerde des Betroffenen ist nicht vorgesehen bzw sogar unzulässig. Der VwGH hegt das Bedenken, dass damit gegen Art 130 B­VG verstoßen wird, weil damit ein amtswegiges Vorgehen und eine erstinstanzliche Zuständigkeit des VwG festgelegt wurde. Gesetzesprüfungsantrag VwGH 3. 5. 2018, Ra 2018/19/0010 (A 2018/0003), Rechtsnews 25609.
Hinweis: Ebenso VwGH 10. 9. 2018, Ro 2018/20/0002.
-Prüfung der Flughafen Wien AG durch den Rechnungshof? Eine Prüfung der Gebarung des Flughafens und der Techniktochter Vienna Airport Technik GmbH wurde vom Flughafen verweigert, weil keine faktische Beherrschung des Unternehmens durch die öffentliche Hand mehr vorliege. Der Rechnungshof hatte den VfGH bereits im Jahr 2017 angerufen, um eine Gebarungskontrolle beim Flughafen Wien durchzusetzen; dieser Antrag wurde mangels ausreichender Eingrenzung eines Zeitraums für die beabsichtigte Gebarungsüberprüfung zurückgewiesen. Der nunmehrige Antrag des Rechnungshofs bezieht sich auf den Zeitraum ab 1. 1. 2017.
-Streichung aus der Ärzteliste – möglicher Verstoß gegen das Gebot der Besorgung dieser Angelegenheiten der Vollziehung des ÄrzteG 1998 in mittelbarer Bundesverwaltung. Gesetzesprüfungsanträge VwGH 20. 9. 2018, Ro 2017/11/0003 (A 2018/0006), und VwGH 20. 9. 2018, Ro 2017/11/0001 (A 2018/0005), siehe zu beiden Rechtsnews 26194.
Hinweis: Nach Zurückweisung eines früheren vergleichbaren Antrags des VwGH durch den VfGH als zu eng gefasst (VfGH 27. 6. 2018, G 177/2017 ua, Rechtsnews 26068), bezieht sich der Prüfungsantrag diesmal auch auf § 195f Abs 1 ÄrzteG 1998.
-Jagdberechtigung und Hauptwohnsitz in Tirol – Prüfung des § 28 Abs 2 lit f Tir JagdG 2004 betreffend die Möglichkeit von Antragstellern, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Österreich haben, ihre jagdliche Eignung durch Vorlage einer Jagdberechtigung ihres Hauptwohnsitzstaates nachzuweisen. Prüfungsbeschluss VfGH 28. 9. 2018, E 2862/2018 (G 315/2018).

Sozialrecht

-Mindestsicherung: Fälle aus Oberösterreich und dem Burgenland
Im Fall Oberösterreich hat das LVwG Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßigen Deckelung der Gesamtleistung für Bedarfsgemeinschaften. Diese Grenze liegt gem dem OÖ Mindestsicherungsgesetz bei € 1.500,- bzw (nach Inflationsanpassungen) € 1.512,-. Bei größeren Familien oder Bedarfsgemeinschaften wird die Leistung pro Person zu gleichen Teilen so weit gekürzt, dass dieser Deckel nicht überschritten wird. Dabei liegt die Untergrenze für den Mindeststandard pro Person so niedrig, dass sie nach Berechnungen des VwG nur in seltenen Ausnahmefällen durchbrochen wird.
Auch das burgenländische Mindestsicherungsgesetz sieht eine Deckelung sowie weiters eine Wartefrist auf die volle Mindestsicherung vor (für Personen, die sich in den vergangenen sechs Jahren weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, gelten niedrigere Mindeststandards). Prüfungsbeschluss VfGH 10. 10. 2018, E 1275/2018, Rechtsnews 26172.

Abgabenrecht

Nach Entscheidungen des BFG wurden häufig Beschwerden an den VfGH erhoben, ua betr

-Eigenkapitalabfall iSd § 11a EStG 1988; Beschwerde nach der E BFG 21. 8. 2017, RV/6100598/2010; beim VfGH anhängig zu E 3402/2017.
-Versicherungsentschädigungen als steuerpflichtige Einkünfte; Beschwerde nach der E BFG 10. 10. 2017, RV/7101949/2016; beim VfGH anhängig zu E 4137/2017.
-Verluste aus Konvertierung eines Fremdwährungskredits keine Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Beschwerde nach der E BFG 7. 2. 2018, RV/7105808/2015; beim VfGH anhängig zu E 1146/2018.
-Baurecht - Einbringung; Verfassungswidrigkeit § 22 Abs 5 UmgrStG? Beschwerde nach der E BFG 8. 2. 2018, RV/5101027/2016; beim VfGH anhängig zu E 1086/2018.
-Umsatzsteuerpflicht der Entschädigung eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalters gem § 276 ABGB. Beschwerde nach der E BFG 15. 5. 2018, RV/7102233/2017; beim VfGH anhängig zu E 2512/2018.
-Hauptwohnsitzbefreiung: auch nicht parifizierte Wohnung als „Eigentumswohnung“ iSd § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988? Beschwerde nach der E BFG 1. 6. 2018, RV/6100045/2018; beim VfGH anhängig zu E 2783/2018.

Hinweis:

Die Entscheidungen des BFG, nach denen Beschwerde an den VfGH erhoben wurde, sind jeweils unter Eingabe des Stichworts „VfGH-Beschwerde“ unter https://findok.bmf.gv.at/findok abrufbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26382 vom 26.11.2018