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Erneuerungsantrag nur bei Verletzung der EMRK

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 363a

Ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens kann auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO (also ohne Vorliegen eines Erkenntnisses des EGMR) – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden. Für die Annahme einer darüber hinausgehenden Prüfungsbefugnis des OGH besteht (weiterhin) keine gesetzliche Grundlage (Art 18 Abs 1 B-VG). Die Berufung auf andere in Österreich garantierte (Grund- und Menschen-)Rechte legitimiert demnach – de lege lata – nicht zur Antragstellung. Die behaupteten Verletzungen von Art 50 GRC und von Art 54 SDÜ scheiden als Antragsgegenstand somit aus.

OGH 30. 11. 2018, 13 Os 49/16d (verstärkter Senat)

Entscheidung

Der OGH hat zwar im Licht der Rsp des EGMR eine nachträglich entstandene Gesetzeslücke angenommen und den Anwendungsbereich des § 363a StPO dahin erweitert, dass eine erfolgreiche Antragstellung nach § 363a StPO kein Erkenntnis des EGMR voraussetzt; er hat dabei aber betont, dass auch im solcherart erweiterten Anwendungsbereich – dem Wortlaut des § 363a Abs 1 StPO folgend – ausschließlich Verletzungen der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle Gegenstand eines solchen Antrags sein können (13 Os 135/06m, SSt 2007/53 = Rechtsnews 3347; RIS-Justiz RS0122228; 13 Os 51/15x).

In diesem Sinn verlangt der OGH unter dem Aspekt der Zulässigkeit von Erneuerungsanträgen, denen kein Erkenntnis des EGMR zugrunde liegt, die Einhaltung der gegenüber dem EGMR normierten Voraussetzungen der Art 34 und 35 MRK (11 Os 132/06f, SSt 2007/79 = Rechtsnews 3956; RIS-Justiz RS0122736, RS0122737, RS0124359, RS0124738, RS0124838, RS0125374, RS0126458 und RS0128030; jüngst 15 Os 132/15y), somit ua die Bezugnahme auf ein Recht, das durch die EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle geschützt ist (Art 34 erster Satz MRK). Ebenso konsequent orientiert der OGH die Prüfung solcher Anträge am System der MRK (RIS-Justiz RS0123459 [T1], RS0123504 und RS0123644 [T2]) und an der Frage nach der Konventionskonformität der in Rede stehenden Entscheidung (RIS-Justiz RS0122736 [T10], RS0123229, RS0123232, RS0125374 [T2], RS0129635 und RS0130263; 13 Os 131/15m, Rechtsnews 21891, und 13 Os 51/15x).

Zu 12 Os 65/11t, Rechtsnews 11757 wurde die Prüfung der behaupteten Verletzung des Art 83 Abs 2 B-VG explizit mit der Begründung abgelehnt, dass damit nicht die Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle eingewendet und solcherart der Prüfungsumfang des herangezogenen Rechtsbehelfs verlassen worden ist.

Demgegenüber wurden in zwei Entscheidungen – gestützt auf ein unbegründetes obiter dictum in 17 Os 11/12i, Rechtsnews 14856 – auch Verstöße gegen Art 54 SDÜ als mögliche Grundlage eines Erneuerungsantrags angesehen (11 Os 73/13i, Rechtsnews 16006, 14 Os 133/13k). In einigen weiteren Entscheidungen wurden behauptete Verletzungen des SDÜ (14 Os 60/08t, Rechtsnews 6194), des B-VG (15 Os 171/08y, 11 Os 142/10g und 15 Os 174/11v, Rechtsnews 13117) und der GRC (14 Os 17/16f) inhaltlich geprüft, ein Prüfungsmaßstab des § 363a Abs 1 StPO über die EMRK und ihre Zusatzprotokoll hinaus also konkludent bejaht.

Der zur Beseitigung der aufgezeigten Rechtsprechungsdivergenz befasste verstärkte Senat des OGH (§ 8 Abs 1 Z 2 OGHG) hält ausdrücklich an der dargestellten Intention fest, den Anwendungsbereich des § 363a StPO – ausschließlich – dahin zu erweitern, dem Geist der EMRK auch in jenen Fällen Rechnung zu tragen, in denen noch kein Urteil des EGMR gegen Österreich ergangen ist (vgl auch 14 Os 140/06d, 15 Os 134/06d).

Ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens kann daher auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden. Für die Annahme einer darüber hinausgehenden Prüfungsbefugnis des OGH besteht (weiterhin) keine gesetzliche Grundlage (Art 18 Abs 1 B-VG). Die Berufung auf andere in Österreich garantierte (Grund- und Menschen-)Rechte legitimiert demnach – de lege lata – nicht zur Antragstellung.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26615 vom 07.01.2019