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EuGH: Karfreitag – unzulässige Diskriminierung

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

ARG: § 7 Abs 3

GRC: Art 21 Abs 1

RL 2000/78/EG: Art 2 Abs 2

Nach dem Arbeitsruhegesetz ist der Karfreitag ausschließlich für die Angehörigen der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein Feiertag (§ 7 Abs 3 ARG). Arbeitet ein Angehöriger einer dieser Kirchen am Karfreitag, erhält er zusätzlich zum Feiertagsentgelt noch ein Feiertagsarbeitsentgelt (§ 9 Abs 5 ARG), während andere Arbeitnehmer, die nicht Angehörige dieser Kirchen sind, keinen solchen Anspruch auf doppeltes Entgelt am Karfreitag haben.

Nach Ansicht des EuGH stellt diese nationale Regelung eine unzulässige Diskriminierung wegen der Religion iSd Art 2 Abs 2 Buchst a der RL 2000/78/EG (GleichbehandlungsrahmenRL) dar, die auch nicht auf der Grundlage von Art 2 Abs 5 oder Art 7 Abs 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann.

Die betreffenden Vorschriften des ARG sind mit dem Unionsrecht unvereinbar und müssen unangewendet bleiben, solange der Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen hat. Solange der Gesetzgeber die geforderte Konformität also nicht hergestellt hat, müssen Arbeitgeber den Arbeitnehmern, die keiner der betreffenden Kirchen angehören, das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zugestehen, sofern sie ihm vor diesem Tag ihren Wunsch mitgeteilt haben, am Karfreitag nicht zu arbeiten. Wenn der Arbeitgeber das Ansuchen, am Karfreitag nicht zu arbeiten, ablehnt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf das Feiertagsarbeitsentgelt.

EuGH 22. 1. 2019, C-193/17, Cresco Investigation GmbH

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts C-193/17 siehe ARD 6609/6/2018

Zum Vorabentscheidungsersuchen OGH 9 ObA 75/16v siehe ARD 6545/6/2017

Entscheidung

Mit seiner Vorabentscheidung bestätigt nun der EuGH die Ansicht des Generalanwalts, dass eine unzulässige Diskriminierung vorliege. Hinsichtlich der Folgen der Unionsrechtswidrigkeit vertritt der EuGH jedoch eine andere Ansicht:

Diskriminierung wegen der Religion

Die nationale Regelung im Ausgangsverfahren bewirkt nach Ansicht des EuGH eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Situationen nach Maßgabe der Religion und begründet somit eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Religion iSd Art 2 Abs 2 Buchst a der RL 2000/78/EG:

Der EuGH weist dazu insbesondere darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der einer der fraglichen Kirchen angehört, am Karfreitag nicht eine bestimmte religiöse Pflicht erfüllen muss, sondern dass er nur formal einer dieser Kirchen angehören muss. Somit steht es ihm frei, die auf diesen Feiertag entfallende Zeit nach seinem Belieben, zB zu Erholungs- oder Freizeitzwecken, zu nutzen. Die Situation eines solchen Arbeitnehmers unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von derjenigen der anderen Arbeitnehmer, die an einem Karfreitag gerne Zeit zur Erholung oder für Freizeitbeschäftigungen hätten, ohne dass ihnen aber ein entsprechender Feiertag zugutekommen kann.

Auch hinsichtlich des Anspruchs auf das Feiertagsarbeitsentgelt kommt es allein darauf an, dass die Arbeitnehmer formal einer der betreffenden Kirchen angehören. Diese Arbeitnehmer haben somit auch dann Anspruch auf das Feiertagsarbeitsentgelt, wenn sie etwa am Karfreitag gearbeitet haben, ohne die Pflicht oder das Bedürfnis verspürt zu haben, diesen religiösen Festtag feierlich zu begehen. Ihre Situation unterscheidet sich daher nicht von derjenigen der anderen Arbeitnehmer, die am Karfreitag gearbeitet haben, ohne dass ihnen das Feiertagsentgelt zugutekommt.

Diskriminierung nicht gerechtfertigt

Weiters verneint der EuGH eine Rechtfertigung dieser unmittelbaren Diskriminierung auf der Grundlage des Art 2 Abs 5 oder des Art 7 Abs 1 der RL 2000/78/EG:

Mit der Gewährung eines Feiertags am Karfreitag für die Arbeitnehmer, die einer der relevanten Kirchen iSd ARG angehören, wird der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die die mit diesem Tag verbundenen religiösen Feierlichkeiten für die Angehörigen dieser Kirchen haben. Zum Schutz der Religionsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer erscheinen die fraglichen Maßnahmen dem EuGH jedoch nicht notwendig: Die Möglichkeit, einen religiösen Feiertag zu begehen, der nicht mit einem der Feiertage des § 7 Abs 2 ARG zusammenfällt, wird nämlich im österreichischen Recht nicht durch die Gewährung eines zusätzlichen Feiertags Rechnung getragen, sondern hauptsächlich mittels einer Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten, aufgrund deren diese gegebenenfalls das Recht erhalten können, sich von ihrer Arbeit für die Dauer zu entfernen, die zur Befolgung bestimmter religiöser Riten notwendig ist.

Von nationalen Maßnahmen wie § 7 Abs 3 ARG und § 9 Abs 5 ARG kann daher nicht angenommen werden, dass sie iSd Art 2 Abs 5 der RL 2000/78/EG zum Schutz der Religionsfreiheit notwendig wären.

Auch eine Rechtfertigung nach Art 7 Abs 1 der RL 2000/78/EG – dh als Ausgleich einer Benachteiligung wegen der Religion unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitsgrundsatzes – verneint der EuGH: Mit § 7 Abs 3 ARG wird nämlich den Arbeitnehmern, die einer der fraglichen Kirchen angehören, am Karfreitag eine Ruhezeit von 24 Stunden gewährt, während sich Arbeitnehmer anderer Religionen, deren hohe Feiertage nicht mit den Feiertagen des § 7 Abs 2 ARG zusammenfallen, grundsätzlich nur mit der Zustimmung ihres Arbeitgebers im Rahmen dessen Fürsorgepflicht von ihrer Arbeit entfernen dürfen, um die zu diesen Feiertagen gehörenden religiösen Riten zu befolgen. Die fraglichen Maßnahmen des ARG gehen somit über das hinaus, was zum Ausgleich einer mutmaßlichen Benachteiligung notwendig ist, und begründen eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern mit vergleichbaren religiösen Pflichten, die die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes nicht so weit wie möglich gewährleistet.

Andere Arbeitnehmer: Recht auf Feiertag

Das in Art 21 Abs 1 GRC niedergelegte Verbot jeder Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung verleiht schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht, das er in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen kann (EuGH 17. 4. 2018, C-414/16, Egenberger).

Die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes kann außerdem nur dadurch sichergestellt werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der begünstigten Gruppe. Die benachteiligten Personen müssen also in die gleiche Lage versetzt werden wie die Personen, denen der betreffende Vorteil zugutekommt. In einem derartigen Fall ist das nationale Gericht gehalten, eine diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste, und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt. Diese Verpflichtung obliegt ihm unabhängig davon, ob das innerstaatliche Recht Bestimmungen enthält, die ihm eine entsprechende Befugnis zuweisen (EuGH 9. 3. 2017, C-406/15, Milkova).

Solange der nationale Gesetzgeber nun keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen hat, obliegt es daher den Arbeitgebern, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer, die keiner dieser Kirchen angehören, die gleiche Behandlung erhalten, wie sie den Arbeitnehmern vorbehalten ist, die einer der besagten Kirchen angehören. Somit muss der Arbeitgeber nach Art 21 der Charta den Arbeitnehmern, die keiner dieser Kirchen angehören, das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zugestehen, sofern sie ihm vor diesem Tag ihren Wunsch mitgeteilt haben, am Karfreitag nicht zu arbeiten.

Daraus folgt auch, dass ein Arbeitnehmer, der keiner der relevanten Kirchen iSd ARG angehört, gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung des Feiertagsarbeitsentgelts nach § 9 Abs 5 ARG hat, wenn dieser seinem Ansuchen, am Karfreitag nicht zu arbeiten, nicht nachgekommen ist.

Die den Arbeitgebern auferlegten Verpflichtungen gelten allerdings nur solange, als der nationale Gesetzgeber keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen hat.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Art 1 und Art 2 Abs 2 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, nach der zum einen der Karfreitag ein Feiertag nur für die Arbeitnehmer ist, die bestimmten christlichen Kirchen angehören, und zum anderen nur diese Arbeitnehmer, wenn sie zur Arbeit an diesem Feiertag herangezogen werden, Anspruch auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung haben, eine unmittelbare Diskriminierung der Religion wegen darstellt.
Die mit dieser nationalen Regelung vorgesehenen Maßnahmen können weder als zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer notwendige Maßnahmen iSd Art 2 Abs 5 der RL 2000/78 noch als spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen wegen der Religion iSd Art 7 Abs 1 dieser RL angesehen werden.
2.Art 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass, solange der betroffene Mitgliedstaat seine Regelung, nach der nur den Arbeitnehmern, die bestimmten christlichen Kirchen angehören, der Anspruch auf einen Feiertag am Karfreitag zusteht, nicht zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung geändert hat, ein privater Arbeitgeber, der dieser Regelung unterliegt, verpflichtet ist, auch seinen anderen Arbeitnehmern das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zu gewähren, sofern diese zuvor mit dem Anliegen an ihn herangetreten sind, an diesem Tag nicht arbeiten zu müssen, und ihnen folglich, wenn er sie abschlägig beschieden hat, das Recht auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung zuzuerkennen.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26676 vom 23.01.2019