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Abgabenforderung als Insolvenzforderung – Rechtsweg?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 110

Der Streit über die Frage, ob eine Abgabenforderung als (allenfalls bedingte oder betagte) Insolvenzforderung zu qualifizieren ist, ist einem Rangstreit iSv § 110 Abs 3 IO gleichzuhalten und gehört daher auf den Rechtsweg.

OGH 29. 11. 2018, 2 Ob 182/18f

Sachverhalt

Die beklagte Republik Österreich meldete im Insolvenzverfahren der Schuldnerin ua Forderungen für Lohnsteuer an.

Der Insolvenzverwalter bestritt diese Forderungen und beantragt mit der hier zu beurteilenden Prüfungsklage die Feststellung, dass diese Forderungen „erloschen sind und in dieser Höhe jeweils nicht zu Recht bestehen“, hilfsweise, dass diese Forderungen „keine Insolvenzforderungen darstellen und somit nicht zu Recht bestehen“. Schuldner der Lohnsteuer sei nur der Arbeitnehmer; eine Schuld des (hier insolventen) Arbeitgebers entstehe erst mit der Erlassung eines Haftungsbescheids.

Das ErstG wies die Klage ab.

Das BerufungsG wies die Klage zurück. Gehöre die Sache nicht auf den Rechtsweg, so entscheide das Insolvenzgericht nur über die Rangordnung der Forderung, Streitigkeiten über deren Richtigkeit gehörten demgegenüber vor die zuständige Behörde. Letzteres gelte auch dann, wenn – wie hier – die Eigenschaft einer Forderung als Insolvenzforderung bestritten werde.

Der OGH gab dem dagegen erhobenen Rekurs teilweise Folge: Er bestätigte den angefochtenen Beschluss in Bezug auf das Hauptbegehren. In Bezug auf das Eventualbegehren trug er dem BerufungsG die Entscheidung über die Berufung der kl P auf.

Entscheidung

Frage des Erlöschens der Forderung

Der Rechtsweg ist nur bei Streitigkeiten über die Richtigkeit einer öffentlich-rechtlichen Insolvenzforderung ausgeschlossen. Ob eine solche Streitigkeit vorliegt, ist – wie auch sonst bei der Prüfung der Rechtswegzulässigkeit – aufgrund der Klagebehauptungen zu beurteilen; dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht allein der Wortlaut des Begehrens maßgebend, sondern auch die Natur (das Wesen) des geltend gemachten Anspruchs (RIS-Justiz RS0045718, RS0045584, RS0045644). Entscheidend ist nicht, worauf sich der Kl formal stützt, sondern ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird oder nicht (8 ObA 7/16m).

Auf dieser Grundlage trifft die angefochtene Entscheidung in Bezug auf das Hauptbegehren zu. Denn damit macht der Kl – wenngleich ohne schlüssige Begründung in der Klagserzählung – das Erlöschen der angemeldeten Forderungen geltend. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um ein Bestreiten der Richtigkeit der Forderung. Ebenso wie ein entsprechender Einwand in der Einzelexekution (§ 35 Abs 2 Satz 5 EO) gehört diese Frage daher nicht auf den Rechtsweg. Eine Umdeutung des Begehrens iSd möglicherweise Gewollten kommt nicht in Betracht, da die Bekl auf die Unschlüssigkeit hingewiesen und der Kl darauf (nur) mit dem Formulieren eines Eventualbegehrens reagiert hat. In Bezug auf das Hauptbegehren ist der angefochtene Beschluss daher zu bestätigen.

Frage der Qualifikation als Insolvenzforderung

Anders verhält es sich beim Eventualbegehren auf Feststellung, dass die angemeldete Forderung keine Insolvenzforderung sei.

Schon der Wortlaut dieses Begehrens („keine Insolvenzforderungen“) zielt auf eine Entscheidung über die Forderungsart. Dies wird auch durch das Klagevorbringen gestützt: Der Kl macht geltend, dass die angemeldeten Forderungen keine Insolvenzforderungen seien, weil die Abgabenbehörde den Haftungsbescheid nicht vor der Insolvenzeröffnung erlassen habe. In der Sache ist damit ausschließlich strittig, ob Insolvenzforderungen vorliegen, ob die Bekl also zur Zeit der Insolvenzeröffnung (§ 51 Abs 1 IO) über einen – allenfalls mit Erlassung des Haftungsbescheids aufschiebend bedingten (§ 16 IO) oder durch Insolvenzeröffnung fällig werdenden (§ 14 Abs 2 IO) – vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Schuldner verfügte oder nicht. Die Frage, welche Folgen eine Verneinung dieser Frage hätte, ist im Verfahren nach den §§ 102 ff IO nicht zu prüfen.

In diesem Zusammenhang ist zwar vorfrageweise zu beurteilen, ob eine Lohnsteuerforderung gegen den Arbeitgeber tatsächlich erst mit Erlassen des Haftungsbescheids nach § 224 BAO entsteht. Selbst wenn man das aber – wie zuletzt in 3 Ob 155/16i = Rechtsnews 22785 = ZIK 2017/88 – bejahen sollte (vgl dazu aber die kritische Anmerkung von König, JBl 2017, 129 ff), folgte daraus noch nicht, dass hier nicht doch betagte oder (wohl eher) mit der Erlassung des jeweiligen Haftungsbescheids aufschiebend bedingte Insolvenzforderungen vorliegen könnten (vgl zum weiten Bedingungsbegriff des Insolvenzrechts 10 Ob 23/03k; weiters G. Kodek in Konecny, Insolvenz-Forum 2015 [2016] 55 [57]: die Forderung müsse vor Insolvenzeröffnung „angelegt“ und ihr Entstehen „wahrscheinlich“ sein). Dabei handelt es sich um eine genuin insolvenzrechtliche Frage, die als Streit über die Forderungsart auf den Rechtsweg gehört.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26699 vom 29.01.2019