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Marktbeherrschendes Unternehmen – Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 861, § 1117, § 1118

KartG 2005: § 4

Aus der marktbeherrschenden Stellung einer Vertragspartei (hier: Gesellschaft, die Verkaufssysteme für Eintrittskarten betreibt) kann sich die Notwendigkeit des Vorliegens sachlicher Gründe für eine Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses ergeben, weil bei marktbeherrschender Stellung Kontrahierungszwang auch in einer zum Abschluss des Vertrags spiegelbildlichen Situation angenommen wird. Ist von einer marktbeherrschenden Stellung der Gesellschaft auszugehen, ist damit zu prüfen, ob für die Kündigung rechtfertigende sachliche Gründe vorlagen. Ob dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit idR – wie auch hier – keine erhebliche Rechtsfrage.

OGH 21. 11. 2018, 1 Ob 190/18z

Entscheidung

Der Kl hatte ein Ticket-Verkaufssystem genutzt und nach Aufkündigung durch die Vertragspartnerin ein Verfahren gegen sie angestrengt (auf Feststellung des aufrechten Vertragsverhältnisses) und verloren.

Das vorliegende Verfahren basiert auf seiner Klage gegen seinen damaligen Rechtsvertreter wegen behaupteter Schlechtvertretung. Bereits im ersten Verfahrensgang (1 Ob 39/17t, Zak 2017/366) hielt der OGH fest, dass sich aus der marktbeherrschenden Stellung einer Vertragspartei die Notwendigkeit des Vorliegens sachlicher Gründe für eine Kündigung ergeben kann und damit zu prüfen sei, ob für die Kündigung rechtfertigende sachliche Gründe vorlagen (s zuletzt auch 4 Ob 13/18t mwN, Rechtsnews 25176 = RdW 2018/372).

Nach den Feststellungen schlug der Kl – trotz des Ersuchens um Abhilfe und der Rüge durch seine Vertragspartnerin wegen intransparenter Preisgestaltung – im Durchschnitt 35 % (und im Einzelfall bis zu 100 %) auf den Ticketpreis auf, wiewohl er auf seiner Website – zweifellos bewusstunrichtig angab, sein Aufschlag betrage (nur) 20–30 %. Ob er als Vorverkaufsstelle der Vertragspartnerin oder als Sekundärmarkthändler agierte, war für die Kunden beim Kauf nicht ersichtlich und sie konnten den ursprünglichen Preis erst nach Erhalt des Papiertickets erkennen (auf dem der Kl als Vorverkaufsstelle der Vertragspartnerin bezeichnet war).

Wenn die Vorinstanzen (va) in diesem Verhalten einen sachlich rechtfertigenden Grund für die Beendigung des Vertrags sahen (weil das Interesse der Vertragspartnerin auf Aufrechterhaltung ihres guten Rufs und ungetrübten Verhältnisses zu den Veranstaltern und auch zu Endkunden objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennen sei), liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung – umso weniger als feststeht, dass der Kl bei Fortsetzung des aufgekündigten Vertrags sein geschäftsschädigendes Verhalten nicht aufgegeben hätte.

Darauf, ob im Vertrag alle wichtigen Gründe für die Vertragsauflösung ausdrücklich festgehalten wurden (solche wurden im Vertrag beispielhaft umschrieben [… gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich …]), kommt es nicht an, müssen (und können) doch nie alle nur denkbaren wichtigen Gründe, die die Vertrauensbasis zerstören können, konkret vorhergesehen und in Worte gefasst werden.

Weiters steht der Kl auf dem Standpunkt, dass die Vertragspartnerin – selbst bei Vorliegen von Gründen für eine ordentliche Kündigung – „bei sachgerechter Führung des Vorprozesses durch den Bekl“ für den Zeitraum „der Unterbrechung/des Abbruchs der Geschäftsbeziehung“ bis zum hypothetischen Beendigungszeitpunkt des Ticketbezugsvertrags (also bis zum Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist am 31. 10. 2013) schadenersatzpflichtig gewesen wäre. Dieser Vorwurf ist nicht stichhältig, hat er doch selbst ausdrücklich vorgebracht, dass der Zeitraum Juli 2013 bis 31. 10. 2013 „ohnehin nicht“ von seinen Schadenersatzansprüchen umfasst sei. Überdies war die Klage im Vorprozess darauf gerichtet, dass der Vertrag über die Verwendung des Ticketsystems nach wie vor aufrecht und der Kl berechtigt sei, es weiterhin zu verwenden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26787 vom 12.02.2019