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Abfertigung nach Teilzeit zur Betreuung eines Volksschulkindes

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVRAG: § 14

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmerin nach deren Rückkehr aus der Karenz eine unbefristete Vereinbarung über eine Teilzeitbeschäftigung abgeschlossen, die auch nach Vollendung des 7. Lebensjahres des Kindes unverändert und ohne weitere Gespräche weitergelaufen ist, und war den Arbeitsvertragsparteien bewusst, dass die Arbeitnehmerin auch nach Vollendung des 7. Lebensjahres ihres Kindes die Teilzeit zur Betreuung ihres Kindes wünscht und benötigt, ist von einer einzigen vertraglichen Einigung über die Herabsetzung der Normalarbeitszeit auszugehen, die im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – zumindest solange sich das Kind noch im Volksschulalter befindet –, als Betreuungsteilzeit nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG (nunmehr: § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG) zu qualifizieren ist.

War – wie hier – die Normalarbeitszeit im Beendigungszeitpunkt insgesamt bereits mehr als zwei Jahre herabgesetzt, ist der Abfertigungsanspruch der Arbeitnehmerin nach § 14 Abs 4 zweiter Satz AVRAG (nunmehr: § 14 Abs 3 zweiter Satz AVRAG) auf Basis eines Durchschnitts jener Arbeitszeit zu berechnen, die während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleistet wurde.

OGH 17. 12. 2018, 9 ObA 102/18t

Zu OLG Linz 11 Ra 31/18k, ARD 6611/6/2018 (Bestätigung)

Entscheidung

AVRAG-Teilzeit zur Kinderbetreuung

Weder das MSchG noch das VKG schließen die Anwendung des § 14 AVRAG aus. Wer ein Kind betreut, kann sich daher auf § 14 AVRAG berufen, wenn die (engeren) Voraussetzungen des MSchG bzw VKG nicht vorliegen (vgl zB OGH 12. 7. 2006, 9 ObA 60/06y, ARD 5716/4/2006). Wird also – wie hier – die Maximaldauer der Elternteilzeit überschritten, endet zwar die Besserstellung nach dem MSchG, jedoch kann § 14 AVRAG nahtlos folgen (vereinbarte Herabsetzung der Normalarbeitszeit, wenn den Arbeitnehmer nicht nur vorübergehende Betreuungspflichten von nahen Angehörigen iSd § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG treffen).

Nach gefestigter Rechtsprechung ist auch die im Familienrecht begründete Betreuungspflicht für gesunde Kinder vom Anwendungsbereich des § 14 AVRAG erfasst und es kann jedenfalls bei noch nicht schulpflichtigen Kindern auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände von einer relevanten Betreuungspflicht der Eltern iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG ausgegangen werden (vgl zB OGH 25. 7. 2017, 9 ObA 41/17w, ARD 6564/9/2017).

Zu prüfen war hier nun, ob auch bei einem gesunden Kind nach Vollendung des 7. Lebensjahrs von einer relevanten Betreuungspflicht iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG ausgegangen werden kann, was der OGH bejaht:

Die Betreuungspflicht des nahen Angehörigen muss sich nach dem Gesetzestext aus einer familiären Beistandspflicht ergeben; bei Kindern ergibt sie sich aus der Pflicht zur Obsorge der Elternteile (§ 158 iVm § 160 ABGB). Der Umfang von Pflege und Erziehung hängt vom Alter und von der Entwicklung des Kindes ab; die Betreuung ist umso intensiver, je jünger das Kind ist. Während bei Kleinkindern die Pflege im Vordergrund steht, steht bei älteren Kindern die Erziehung, der seelische Beistand und die Unterstützung in der Schule im Fokus der Obsorge (vgl Gitschthaler in Schwimann/Kodek4 § 160 ABGB Rz 2).

Auch die familiäre Beistandspflicht gegenüber einem gesunden Kind, das noch die Volksschule besucht, erfordert normalerweise eine Betreuung des Kindes iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG, die mit einer Vollzeitbeschäftigung des betreuenden Elternteils häufig nicht so leicht in Einklang gebracht werden kann. Volksschulkinder benötigen gewöhnlich bereits ab Mittag eine Aufsicht, weil man sie nicht für längere Zeit allein zu Hause sich selbst überlassen kann. Kinder brauchen in diesem Alter gewöhnlich nicht nur (auch noch) eine entsprechende Pflege, sondern vielfach auch Hilfe und Unterstützung im Rahmen der schulischen Aufgaben.

Ob die Anwendung des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG auch bei Kindern über das Volksschulalter hinaus bis zum 14. Lebensjahr grundsätzlich, also ohne Hinzutreten besonderer Umstände, zu bejahen ist, musste hier nicht näher untersucht werden (vgl dazu aus unterhaltsrechtlicher Sicht zB OGH 1. 7. 2004, 1 Ob 84/04s, ZRInfo 2004/318).

Vereinbarung der AVRAG-Teilzeit

Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Hinblick auf den Dienstantritt der Klägerin nach Ende ihrer Karenz eine zeitlich unbefristete Teilzeitvereinbarung abgeschlossen, die ohne weitere Gespräche auch über das 7. Lebensjahr des Kindes hinaus weiterlief. Für die Annahme einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG ist es ausreichend, dass den Parteien bewusst war, dass die Klägerin auch nach Vollendung des 7. Lebensjahres ihres Kindes die Teilzeit zur Betreuung des Kindes wünschte und benötigte (vgl OGH 25. 7. 2017, 9 ObA 41/17w, ARD 6564/9/2017). Im Ergebnis ist es nach Ansicht des OGH somit irrelevant, ob eine Elternteilzeitvereinbarung nach § 15h Abs 1 MSchG vorlag, an die sich eine nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG anschloss, oder ob von einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG für den gesamten Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin auszugehen ist.

Der Zweck der Teilzeit nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG besteht darin, Arbeitnehmern ausreichend Zeit zu geben, ihren längeren familiären Betreuungspflichten von nahen Angehörigen (iSd § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG) nachkommen zu können, ohne ihre arbeitsrechtliche Stellung, etwa in Bezug auf die Abfertigung, zu verschlechtern (vgl ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 74). Dementsprechend ist maßgebend, ob die Teilzeitarbeit von der Dienstnehmerin deshalb begehrt wird, weil ihr eine Vollzeitbeschäftigung nicht die erforderliche Zeit für die familiäre Betreuung zulassen würde, die gewünschte Teilzeit also der Betreuung des nahen Angehörigen dient (vgl zB OGH 28. 2. 2017, 9 ObA 158/16z, ARD 6549/7/2017). Kommt diese Zweckbestimmung der begehrten oder – wie hier – vom Arbeitgeber der Arbeitnehmerin angebotenen Teilzeitarbeit zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Arbeitgeber daher bekannt, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung grundsätzlich der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über die Teilzeit iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG zustande gekommen ist (vgl OGH 26. 5. 2011, 9 ObA 80/10w, ARD 6157/1/2011).

Da der Arbeitgeber im vorliegenden Fall der Klägerin, wie jeder anderen Mitarbeiterin auch, nach Rückkehr aus der Karenz den Abschluss einer Teilzeitvereinbarung anbot, konnte dies aus objektiver Sicht der Klägerin nur dahin verstanden werden, dass ihr damit die zeitliche Möglichkeit gegeben wird, ihr Kind zu betreuen. Da diese Teilzeitvereinbarung ohne weitere Gespräche der Parteien auch nach Vollendung des 7. Lebensjahres des Kindes weiter bestehen blieb, konnte die Klägerin aus objektiver Sicht diese Weiterführung auch nur so verstehen, dass ihr der Arbeitgeber damit die – von ihr erkennbar gewünschte und erforderliche – Möglichkeit einräumt, weiterhin ihr (nunmehr schulpflichtiges) Kind zu betreuen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht hier daher der Abfertigungsberechnung eine Teilzeitvereinbarung iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG zugrunde gelegt. Dass diese nach § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG vorzunehmen war (dh Heranziehung des Durchschnitts der geleisteten Arbeitszeit während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre), ist im Revisionsverfahren infolge rechtskräftiger Abweisung des Klagemehrbegehrens nicht mehr zu prüfen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26808 vom 14.02.2019