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Konnexe Hauptverfahren – unterbliebene Verfahrensverbindung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 37

Wird eines der beiden (mit jeweils rechtswirksamer Anklage zugleich anhängigen) konnexen Hauptverfahren beendet, ohne dass die (nach § 37 Abs 3 StPO gebotene) Verfahrensverbindung verfügt wurde, ist für das andere, (allein) anhängig verbliebene Verfahren jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Kompetenz die Verbindung und gemeinsame Verfahrensführung gefallen wäre.

Es besteht keine gesetzliche Pflicht des Gerichts, nach allfälligen weiteren Hauptverfahren zu forschen, die in einem Konnexitätsverhältnis iSd § 37 Abs 3 StPO zu dem bei ihm anhängigen Verfahren stehen; das Unterbleiben der Verfahrensverbindung ist daher nur insoweit rechtsfehlerhaft, als für das betreffende Gericht die entsprechenden Tatumstände aktenkundig waren. Die Rechtsfolgen des Unterbleibens rechtzeitiger Verfahrensverbindung trotz – objektiven – Vorliegens ihrer Voraussetzungen sind jedoch von der Aktenkundigkeit in den betroffenen Verfahren unabhängig.

OGH 26. 2. 2019, 11 Ns 3/19h

Entscheidung

Sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten oder an derselben strafbaren Handlung beteiligte Personen anhängig ist, sind die Verfahren zu verbinden (§ 37 Abs 3 StPO); im Falle mehrerer Straftaten kommt das Verfahren dabei nicht dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt, sondern dem Gericht, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO).

Im bezirksgerichtlichen Verfahren wird die Rechtswirksamkeit der Anklage durch den positiven Ausgang einer amtswegigen Vorprüfung des Strafantrags bewirkt, der die Prozessvoraussetzungen bejaht und sich in der Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 StPO) manifestiert (vgl § 4 Abs 2 StPO). Diese „Anordnung“ kann darin bestehen, dass das BG die Hauptverhandlung (erstmalig) „ausschreibt“ (vgl § 221 Abs 1 StPO). Werden aber – ohne dass zunächst die Hauptverhandlung „ausgeschrieben“ wird – sonstige Verfügungen getroffen oder Beschlüsse gefasst, die das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht infrage stellen, ist bereits die erste solche Entscheidung des Gerichts als „Anordnung“ der Hauptverhandlung aufzufassen. Solche Verfügungen und Beschlüsse bringen nämlich (ebenfalls) zum Ausdruck, dass das Gericht zuvor die Prozessvoraussetzungen – isoliert, also noch ohne Rücksicht auf eine erst danach gebotene Verfahrensverbindung (§ 37 Abs 3 StPO) – für das betreffende Hauptverfahren bejaht hat (11 Ns 29/18f, EvBl 2018, 1022; 11 Ns 35/18p; 11 Os 148/18a; RIS-Justiz RS0132157).

Vorliegend wurden gegen ein und dieselbe Angeklagte nacheinander zwei verschiedene Strafanträge eingebracht, einer beim BG Bregenz und einer beim BG Favoriten. Den Zuständigkeitsstreit zwischen den beiden Gerichten entscheidet der OGH folgendermaßen:

Zuerst rechtswirksam wurde jener beim BG Bregenz, als dieses Gericht am 12. 10. 2018 die Hauptverhandlung anordnete, indem es die Eintragung der Akten in den Geschäftskalender (zu dem genannten Zweck) verfügte.

Der andere Strafantrag wurde – nachfolgend – beim BG Favoriten rechtswirksam, als dieses Gericht am 23. 11. 2018 die Hauptverhandlung anordnete, indem es „sein“ Verfahren – iSd § 37 Abs 3 StPO – dem BG Bregenz zur Verbindung mit dem dort anhängigen Hauptverfahren überwies. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren beim BG Bregenz (weiterhin) „anhängig“; ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung iSd § 37 Abs 2 vierter Satz StPO bestand nicht.

Daraus folgt, dass die Voraussetzungen für die Verbindung beider Verfahren (§ 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO) vorlagen und das BG Bregenz – kraft Zuvorkommens – gem § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO für die Verfahrensverbindung und Führung des verbundenen Verfahrens zuständig war. Die gem § 37 Abs 3 StPO (einmal) begründete Zuständigkeit des BG Bregenz wurde durch die zwischenzeitliche Beendigung des Verfahrens über den (beim BG Bregenz eingebrachten) Strafantrag nicht verändert (hier: Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung am 4. 12. 2018, Einstellungsbeschluss des BG Bregenz am 11. 12. 2018; im Hinblick auf die Irrelevanz der Aktenkundigkeit war hier somit nicht maßgeblich, dass die Akten des BG Favoriten am 6. 12. 2018 beim BG Bregenz einlangten).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27164 vom 16.04.2019