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KG: Sittenwidrige „Geschlechterklausel“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

ZPO: § 228

Bei Personengesellschaften gewährt das Gesetz zur Gestaltung des Innenverhältnisses sehr weitgehende Vertragsfreiheit; Schranken werden ua durch § 879 Abs 1 ABGB über die Sittenwidrigkeit und durch zwingendes Recht gesetzt.

Geht es – wie hier – um eine Klausel des Gesellschaftsvertrag, die – verbunden mit der Gesellschaftsbeteiligung – den Zugang zur Unternehmensführung ermöglicht, können zur Ausfüllung der Generalklausel des § 879 Abs 1 ABGB die Wertungen des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) herangezogen werden.

Im vorliegenden Fall diskriminiert der Gesellschaftsvertrag einer KG aus dem Jahr 1963 die weiblichen Nachkommen sowohl bei der Übertragung einer Gesellschaftsbeteiligung unter Lebenden als auch bei der Nachfolge nach dem Tod eines Komplenentärs. Eine solche „Geschlechterklausel“ in einem vor 1976 errichteten Gesellschaftsvertrag verstieß zwar damals nicht gegen die guten Sitten iSd § 879 Abs 1 ABGB (angesichts der damals geltenden einfachgesetzlichen [Ehewirkungs-]Regelungen, die eine deutliche Über- und Unterordnung von Männern und Frauen vorsahen). Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese generell-abstrakten, diskriminierenden Regelungen des Gesellschaftsvertrags unangreifbar wären: Die Differenzierungen nach dem Geschlecht potentiell Nachfolgender sind nach heutiger Rechtslage sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB; sie entsprechen heute nicht mehr dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wie Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG und des § 4 Z 3 GlBG (und dessen unionsrechtlicher Hintergrund) deutlich machen. Auch eine erst nachträglich eingetretene Sittenwidrigkeit bzw Nichtigkeit der Geschlechterklausel kann von einem Gesellschafter mittels Feststellungsklage geltend gemacht werden.

OGH 24. 1. 2019, 6 Ob 55/18h

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27275 vom 07.05.2019