News

Novelle des Berufsausbildungsgesetzes – ME

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert werden soll

Ministerialentwurf 8. 5. 2019, 148/ME NR 26. GP

Gesetzwerdung bleibt abzuwarten.

Weiterentwicklung der Lehrlingsausbildung

Die zunehmende Bedeutung der Lehrlingsausbildung für die österreichische Wirtschaft und der steigende Bedarf nach ausgebildeten Fachkräften erfordern das Ansprechen neuer Zielgruppen und die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Als Beitrag dazu sind mit der vorliegenden Novelle va folgende wesentlichen Maßnahmen geplant, die mit dem Tag nach Kundmachung im BGBl in Kraft treten sollen:

1. Regelmäßige Analyse aller Berufsbilder

Bisher wurden Lehrberufe und deren Ausbildungsinhalte in unregelmäßigen Abständen – im Normalfall über Anregung der betroffenen Branchen – auf aktuelle Anforderungen geprüft und überarbeitet. Um die Berufsbildentwicklung mittel- und langfristig stärker zu systematisieren und evidenzbasiert auszurichten, soll künftig eine regelmäßige Analyse aller Berufsbilder in einem fünfjährigen Turnus verpflichtend werden (§ 1a BAG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Lehrberufe den jeweils neuesten beruflichen und technischen Standards entsprechen. Dabei sollen auch die Ergebnisse der aktuellen Forschung zu berücksichtigen sein.

2. Änderung von Bezeichnungen

Die Bezeichnungen „Lehrlingsentschädigung“ und „Verwendung“ von Lehrlingen erscheinen dem Gesetzgeber veraltete und sollen daher nun adaptiert werden. Die Bezahlung von Lehrlingen (bisher „Lehrlingsentschädigung“) soll künftig als „Lehrlingseinkommen“ bezeichnet werden. Statt „verwendet“ werden Lehrlinge künftig „beschäftigt“.

3. Neugestaltung der überbetrieblichen Ausbildung

Die überbetriebliche Lehrausbildung soll verpflichtend mit der betrieblichen Ausbildung verknüpft werden, um den – vorwiegend – Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Ausbildung in Unternehmen durch möglichst frühzeitige und nachhaltige Vermittlung zu ermöglichen. So hat die Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen auch die Einbeziehung von zur Ausbildung von Lehrlingen berechtigten Unternehmen in die Ausbildungsgestaltung bzw den Trainingsalltag zu beinhalten mit dem Ziel, den auszubildenden Personen den Beginn eines Lehrverhältnisses gemäß § 12 BAG zu ermöglichen (gesetzlicher Vermittlungsauftrag für die Träger der überbetrieblichen Ausbildung). Auch die Zuweisung zu einem Ausbildungsplatz in der überbetrieblichen Lehrausbildung durch das AMS kann künftig erst nach (erfolglos) versuchter Vermittlung in die betriebliche Lehrausbildung erfolgen.

4. Ausbildung in reduzierter Arbeitszeit

Bisher war die Möglichkeit einer Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit nur für Lehrlinge mit Behinderung bzw bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe gegeben, nicht jedoch für Personen mit Betreuungspflichten gegenüber Angehörigen. Um auch dieser Personengruppe die Aufnahme bzw Fortsetzung einer Lehre zu ermöglichen, soll nunmehr die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch Lehrlinge mit Betreuungsverpflichtungen eine Lehrausbildung mit reduzierter täglicher und/oder wöchentlicher Arbeitszeit absolvieren können.

-Für Lehrlinge mit Kindern wird die Möglichkeit zur Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit bis zum 31. 12. des Jahres des Schuleintritts des Kindes neu im BAG verankert, dh Lehrberechtigte und Lehrlinge können im Lehrvertrag eine Reduktion der täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit um maximal 50 % vereinbaren. Zur Erreichung des Ausbildungsziels (Absolvierung der Lehrabschlussprüfung) kann die reguläre Lehrzeit um die reduzierte Arbeitszeit, maximal um zwei Jahre verlängert werden, dh bei einem vierjährigen Lehrberuf auf max sechs Jahre. Für Ausbildungsverhältnisse mit verlängerter Lehrzeit oder für Teilqualifizierungen gilt eine entsprechende Verlängerungsoption.
-Auch Lehrlinge, die Betreuungsaufgaben für andere im gemeinsamen Haushalt lebende Familienmitglieder wahrnehmen (zB Eltern), die nachgewiesenermaßen betreuungsbedürftig sind (idR ab Pflegestufe 1), sollen eine entsprechende Arbeitszeitreduktion in Anspruch nehmen können.
-Weiters soll die schon derzeit gemäß § 8b Abs 8 BAG bestehende Möglichkeit der Ausbildung mit reduzierter Arbeitszeit für Personen mit Behinderung bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe in die neue Bestimmung integriert und angeglichen werden (Reduktion im Lehrvertrag um max 50 % und Möglichkeit zur Lehrzeitverlängerung). Zur Sicherung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme der Bestimmung soll künftig nur mehr eine ärztliche Befürwortung beigebracht werden müssen; die Verpflichtung zur Einholung der (idR rein formellen) Zustimmung des Landes-Berufsausbildungsbeirates soll aus Gründen der Vereinfachung wegfallen.

5. Anrechnung verwandter Schulabschlüsse

Bislang konnte aufgrund verpflichtender Lehrzeitanrechnungen nach Absolvierung einer berufsbildenden Schule in vielen Fällen kein Lehrvertrag in einem mit dem Schulabschluss fachlich verwandten Lehrberuf mehr abgeschlossen werden, um zusätzliche berufliche Kompetenz zu erwerben, da die verbleibende Restlehrzeit mit in der Regel einem Jahr zu gering war (§ 34a BAG).

Beispiel: Der Abschluss einer Handelsschule ist mit dem dreijährigen Lehrberuf Bürokaufmann/-frau gleichgehalten. Aufgrund verpflichtender Anrechnung von zwei Lehrjahren auf den (ebenfalls dreijährigen) Lehrberuf Versicherungskaumann/-frau bleibt nur mehr ein Lehrjahr für eine aufbauende Lehrausbildung übrig. Dies wird idR von den Unternehmen als zu kurz angesehen, um Berufsspezifika zu vermitteln. Daher kommen entsprechende Lehrverträge (oftmals) nicht zustande, obwohl eine ergänzende Lehrausbildung sowohl aus Sicht des Unternehmens als auch des Schulabsolventen sinnvoll wäre.

Die Neuregelung soll für diese Fälle ergänzender Lehrausbildung in (mit dem gleichgehaltenen Lehrberuf) verwandten Berufsbereichen eine um ein Jahr längere „Restlehrzeit“ ermöglichen. Im genannten Beispiel hätte das zu Folge, dass im Lehrberuf Versicherungskaufmann/-frau eine aufbauende zweijährige (statt einjährige) Lehre möglich wird. Neu ist damit die Möglichkeit zur Reduzierung des verpflichtenden Lehrzeitersatzes bei Schulabschlüssen um ein Jahr im Einvernehmen der Lehrvertragspartner, wenn der Schulabsolvent eine (zum Schulabschluss) verwandte Lehrausbildung anschließen möchte. Bisher war eine solche Reduktion nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des Landes-Berufsausbildungsbeirates möglich; das hat allerdings zu (bundesländer-)unterschiedlichen und damit unbefriedigenden Entscheidungen geführt.

Von der neuen Bestimmung profitieren Absolventen berufsbildender Schulen, deren Schulabschluss mit einer fachlich entsprechenden Lehrabschlussprüfung gleichgehalten ist und die zum Zweck der Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten in fachlich verwandten Lehrberufen (bei Abschluss der Handelsschule zB Bankkaufmann/frau, Steuerassistenz, Versicherungskaufmann/frau, Buch- und Medienwirtschaft) eine verkürzte Lehrausbildung mit ausreichender Ausbildungszeit zur Erreichung des Ausbildungszieles absolvieren wollen.

6. Sonstige geplante Maßnahmen

-Inhaltliche Straffung der Richtlinien für die betriebliche Lehrstellenförderung zum Zweck einer transparenten und rascheren Förderungsabwicklung.
-Adaptierung des § 23 Abs 11 BAG, damit Lehrlinge die Lehrabschlussprüfung im Rahmen einer Höherqualifizierungsmaßnahme auch in einem anderen Bundesland ablegen können, wenn im Wohnsitz-Bundesland diese Prüfungsmöglichkeit nicht besteht.

Hinweis: Die Begutachtungsfrist endet am 24. 5. 2019.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27293 vom 09.05.2019