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Anhängige Normenprüfungen beim VfGH – Übersicht

Bearbeiter: Barbara Tuma

Zusammengestellt von der LexisNexis-Redaktion

Die neue Session des VfGH beginnt am 11. 6. 2019. Auf der Tagesordnung stehen laut Presseaussendung des VfGH va folgende Fälle:

1. Va auf der Tagesordnung

-Nichtraucherschutz:
Nach einer mündlichen Verhandlung im Dezember 2018 wird sich der VfGH erneut mit der Frage beschäftigen, ob die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie aus dem Jahr 2018 verfassungskonform ist. Die Wiener Landesregierung, zwei Gastronomiebetriebe und zwei Nichtraucher (Vater und Tochter) haben sich an das Höchstgericht gewandt; sie machen geltend, dass die nunmehrige Rechtslage gegen mehrere Grundrechte verstoße (gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, den Gleichheitssatz, den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie die Erwerbsausübungsfreiheit).

Anmerkung: Verfahren offensichtlich anhängig zu G 150/2018, G 151/2018 und/oder G 155/2018.

-Sicherheitspaket 2018:
Gegen das im April 2018 verabschiedete „Sicherheitspaket“ liegen dem VfGH zwei Anträge von Abgeordnete vor, und zwar ein „Drittelantrag“ von 21 SPÖ-Bundesräten sowie ein gemeinsamer Drittelantrag von 61 NR-Abgeordneten von SPÖ und NEOS.
Der Antrag der SPÖ-Bundesräte richtet sich gegen Bestimmungen des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2018, BGBl I 2018/27 (= Rechtsnews 25418), mit denen die Möglichkeit geschaffen wurde, verschlüsselt gesendete, übermittelte oder empfangene Nachrichten durch Installation eines Programms („Bundestrojaner“) in einem Computersystem ohne Wissen des Inhabers zu überwachen.

Anmerkung: Verfahren offensichtlich anhängig zu G 34/2019, G 35/2019.

Die NR-Abgeordneten bekämpfen darüber hinaus auch die ebenfalls 2018 geschaffene Ermächtigung der Sicherheitsbehörden, durch verdeckten Einsatz von bildverarbeitenden Einrichtungen Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen und von Fahrzeuglenkern zu verarbeiten und Geschwindigkeitsmessdaten für Zwecke der Strafrechtspflege und der Fahndung, zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe sowie zur Abwehr krimineller Verbindungen heranzuziehen (zur diesbezüglichen Änderung von SPG und StVO siehe BGBl I 2018/29 = Rechtsnews 25419). Nach Ansicht der Abgeordneten verstoßen diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte, va gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens. Die betreffenden Maßnahmen seien nämlich unverhältnismäßig, va sei der Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten ohne jeden konkreten Anlass als Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung zu werten.

Anmerkung: Verfahren offensichtlich anhängig zu G 72-74/2019.

-Meinungsäußerungsfreiheit:
In zwei Fällen wird sich der VfGH mit der verfassungsgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit beschäftigen:
So bekämpft ein Arzt aus der Steiermark eine Disziplinarstrafe, die über ihn verhängt worden war, weil er auf seiner Website Informationen zum Thema „Impfen“ veröffentlicht hatte, mit denen die Gefahren von Bakterien und Viren heruntergespielt worden waren.
Im zweiten Fall hat der VfGH zu entscheiden, ob das Hochhalten einer Fahne mit der Aufschrift „ACAB“ („All Cops are Bastards“) während eines Fußballspiels in Wien den Tatbestand der „Anstandsverletzung“ nach dem Wiener Landes-Sicherheitsgesetz erfüllt.
-Auf der Tagesordnung stehen weiters Beschwerden gegen die Feststellung des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen (Wieder-)Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit sowie gegen die degressive Pensionsanpassung 2018 (vgl dazu BGBl I 2017/151 = Rechtsnews 24482).

Anmerkung: Verfahren betr Pensionsanpassung 2018 wahrscheinlich anhängig zu G 38/2019.

2. Weitere offene Fragen

Weiters sind – soweit überblickbar – zu folgenden veröffentlichten Prüfungsbeschlüssen bzw Gesetzesprüfungsanträgen bisher noch keine Endentscheidungen ergangen:

Öffentliches Recht

-Plakatierungsfreiheit: Prüfung der Verordnung der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. 2. 1983 betreffend das Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten (PlakatierungsV). Ein diesbezügliches Verbot ist nur zulässig, wenn überwiegende andere öffentliche Interessen dem öffentlichen Interesse an der Plakatierungsfreiheit (Recht auf freie Meinungsäußerung) entgegenstehen. Im Erk VfSlg 10.886/1986 hat sich der VfGH bereits mit dieser V beschäftigt, sah zum damaligen Zeitpunkt aber noch keine Veranlassung, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der PlakatierungsV einzuleiten. Angesichts des Vorbringens des Bf, dass es in der Innenstadt von Linz faktisch keine Möglichkeiten mehr gibt, Plakate anzubringen, hegt der VfGH (nunmehr) aber Zweifel an der Gesetzeskonformität des § 1 Abs 1 und 2 PlakatierungsV. Prüfungsbeschluss VfGH 27. 2. 2019, E 1890/2018 (V 20/2019).

Anmerkung: Verfahren offensichtlich anhängig zu V 20/2019.

Sozialversicherung

-Krankenkassen-Fusion: Zum Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG), BGBl I 2018/100 (= Rechtsnews 26585), liegen mehrere Anträge vor, ua ein Drittelantrag von Abgeordneten des Bundesrats.

Anmerkung: Verfahren offensichtlich anhängig zu G 78-81/2019, weiters zu G 67-71/2019, G 82-86/2019 und G 89-93/2019.

Abgabenrecht

Nach Entscheidungen des BFG wurden häufig Beschwerden an den VfGH erhoben, ua betr

-Verluste aus Konvertierung eines Fremdwährungskredits keine Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Beschwerde nach der E BFG 7. 2. 2018, RV/7105808/2015; beim VfGH anhängig zu E 1146/2018.
-Baurecht - Einbringung; Verfassungswidrigkeit § 22 Abs 5 UmgrStG? Beschwerde nach der E BFG 8. 2. 2018, RV/5101027/2016; beim VfGH anhängig zu E 1086/2018.
-Umsatzsteuerpflicht der Entschädigung eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalters gem § 276 ABGB. Beschwerde nach der E BFG 15. 5. 2018, RV/7102233/2017; beim VfGH anhängig zu E 2512/2018.
-Spendenbegünstigung für Kunst- und Kultureinrichtungen verfassungswidrig? Beschwerde nach der E BFG 27. 12. 2018, RV/7100563/2017; beim VfGH anhängig zu E 615/2019.
-Verkauf einer Eigentumswohnung und Zurückmietung ohne Aufgabe des Hauptwohnsitzes; behauptete Verfassungswidrigkeit von § 30 Abs 2 Z 1 lit a und b EStG 1988. Beschwerde nach der E BFG 21. 2. 2019, RV/7104377/2017; beim VfGH anhängig zu E 1261/2019.
-Ungleichbehandlung von Kapitalerträgen: Zusammenfassend regeln die §§ 27a EStG, dass Zinsen aus Darlehen ua, denen ein Bankgeschäft zugrunde liegt, mit maximal 25 % besteuert werden, Darlehen und nicht verbriefte Forderungen hingegen, denen kein Bankgeschäft zugrunde liegt, nach § 33 EStG mit bis zu 50 % – rechtlich (und volkswirtschaftlich) eine nicht mehr zu rechtfertigende Begünstigung des Banken- und Versicherungssektors. Mehrere Beschwerden, ua nach der E BFG 28. 2. 2019, RV/6100828/2014; beim VfGH anhängig zu E 1399/2019.

Hinweis:

Die Entscheidungen des BFG, nach denen Beschwerde an den VfGH erhoben wurde, sind jeweils unter Eingabe des Stichworts „VfGH-Beschwerde“ unter https://findok.bmf.gv.at/findok abrufbar.

3. Weitere erledigte Fälle der letzten Session

Neben den Erkenntnissen, über die bereits in den Rechtsnews bzw Zeitschriften berichtet wurde, wurden in der vorhergehenden Session ua auch folgende Fälle erledigt bzw deren Behandlung vom VfGH abgelehnt:

-„Ausgabenbremse“ für Gebietskrankenkassen:
Gegen die „Ausgabenbremse“, die der Gesetzgeber über alle SV-Träger verhängt hat (vgl § 716 ASVG; BGBl I 2018/59), hat die NÖGKK einen unzulässigen Eingriff in die Selbstverwaltung geltend gemacht.
Der VfGH hat diesen Antrag – wegen seines zu geringen Anfechtungsumfangs – zurückgewiesen:
Angefochten wurden § 716 Abs 2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 2018/59, die der Sache nach Anordnungen an die Versicherungsträger enthalten, ihre Tätigkeit auf das zu beschränken, was zur Fortführung des laufenden Betriebs unbedingt erforderlich ist. Diese Anordnungen sollten nach der Absicht des Gesetzgebers (nur) bis zur gesetzlichen Neuordnung der SV-Träger gelten. Dementsprechend wurde mit Art 1 des SV-OG, BGBl I 2018/100 (89. Novelle zum ASVG), ua auch der Inhalt der angefochtenen Bestimmungen ausdrücklich geändert (vgl § 718 ASVG idF BGBl I 2018/100). Die antragstellende GKK hätte daher auch die entsprechenden Bestimmungen des SV-OG, BGBl I 2018/100, (mit)anfechten müssen, weil nach der Rsp des VfGH bei einem Antrag gem Art 140 Abs 1 Z 1 lit c B-VG das Gesetz, dessen Inhalt für verfassungswidrig erachtet wird, für die antragstellende GKK nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung beim VfGH, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH unverändert wirksam sein muss.
VfGH 6. 3. 2019, G 318/2018
-Hauptwohnsitzbefreiung: auch nicht parifizierte Wohnung als „Eigentumswohnung“ iSd § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988? Beschwerde nach der E BFG 1. 6. 2018, RV/6100045/2018; beim VfGH anhängig gewesen zu E 2783/2018.
Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. 2. 2019 abgelehnt.

Hinweis: Auf der Homepage des VfGH werden nun auch Übersichten angeboten, welche Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zu bestimmten Stichtagen anhängig sind; siehe dazu auf www.vfgh.gv.at den Unterpunkt „Normprüfungsverfahren“ im Menü „Rechtsprechung“.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27413 vom 06.06.2019