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EuGH: Änderung der rechtlichen Beurteilung des der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalts

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

GRC: Art 48

RL 2012/13/EU: Art 6

Das in Art 6 Abs 4 RL 2012/13/EU [über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren] vorgesehene Recht eines Beschuldigten, dass ihm Änderungen der ihm im Rahmen der Unterrichtung gegebenen Informationen umgehend mitgeteilt werden, wenn dies erforderlich ist, um ein faires Verfahren zu gewährleisten, verpflichtet in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren den betreffenden Mitgliedstaat nicht dazu, dem Beschuldigten im Fall einer Änderung der rechtlichen Beurteilung des der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalts nach Eröffnung der Verhandlung das Recht auf Beantragung der Verhängung einer Strafe im Wege der Verständigung zu gewähren.

Der bloße Umstand, dass das innerstaatliche Recht dem Beschuldigten je nachdem, ob die Änderung den der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt oder dessen rechtliche Beurteilung betrifft, nicht dieselben Rechte hinsichtlich der Möglichkeit der Verhängung einer Strafe im Wege der Verständigung gewährt, kann für sich allein keine Verletzung der Verteidigungsrechte nach Art 48 Abs 2 GRC im Hinblick auf das Recht der Verdächtigen oder beschuldigten Personen auf Unterrichtung über den gegen sie erhobenen Vorwurf begründen.

EuGH 13. 6. 2019, C-646/17, Moro

Zu einem italienischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 6 Abs 4 der RL 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren und Art 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, wonach der Angeklagte in der mündlichen Verhandlung im Fall einer Änderung des der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalts die Verhängung einer Strafe im Wege der Verständigung beantragen kann, nicht aber bei einer Änderung der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27441 vom 14.06.2019