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VfGH: "Sicherheitspaket" – Antrag von Bundesratsmitgliedern zurückgewiesen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

B-VG: Art 140

Der Antrag von 21 Bundesratsmitgliedern gegen das "Sicherheitspaket" wurde vom VfGH aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen.

Nach der stRsp des VfGH ist die Anfechtung einer Novellierungsanordnung nur dann zulässig, wenn eine Bestimmung durch die betreffende Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet, die Verfassungswidrigkeit also auf keinem anderen Wege beseitigt werden kann. Die im Hinblick auf einzelne Anordnungen in Art 1 und 2 des Bundesgesetzes BGBl I 2018/27 (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018, Rechtsnews 25418) geltend gemachten Bedenken betreffen nicht die Aufhebung von Bestimmungen durch die (Novellierungs-)Anordnungen, sondern die durch die Novellierungsanordnungen (mit Wirkung ab 1. 4. 2020) geänderten Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 und des Staatsanwaltschaftsgesetzes. Es ist den Antragstellern möglich, jeweils die neu eingefügten bzw die geänderten Bestimmungen der StPO und des StAG als verfassungswidrig anzufechten. Der Antrag auf Aufhebung der näher bezeichneten Teile des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2018 ist sohin schon aus diesem Grund unzulässig.

VfGH 12. 6. 2019, G 34-35/2019

Entscheidung

Der Antrag ist zur Gänze unzulässig.

Nach der stRsp des VfGH ist die Anfechtung einer Novellierungsanordnung nur dann zulässig, wenn eine Bestimmung durch die betreffende Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet, die Verfassungswidrigkeit also auf keinem anderen Wege beseitigt werden kann (vgl VfGH 9. 6. 2016, G 56/2016; VfSlg 19.658/2012, 20.213/2017 mwN).

Beim Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018 handelt es sich um ein Sammelgesetz, das aus drei Artikeln besteht: Art 1 steht unter der Überschrift "Änderungen der Strafprozeßordnung 1975", Art 2 unter der Überschrift "Änderungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes" und Art 3 unter der Überschrift "Änderungen des Telekommunikationsgesetzes 2003". Die im Hinblick auf einzelne Anordnungen in Art 1 und 2 des Bundesgesetzes BGBl I 2018/27 geltend gemachten Bedenken betreffen nicht die Aufhebung von Bestimmungen durch die (Novellierungs-)Anordnungen, sondern die durch die Novellierungsanordnungen (mit Wirkung ab 1. 4. 2020) geänderten Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 und des Staatsanwaltschaftsgesetzes. Es ist den Antragstellern möglich, jeweils die neu eingefügten bzw die geänderten Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 und des Staatsanwaltschaftsgesetzes als verfassungswidrig anzufechten (vgl VfSlg 20.213/2017 mwN). Der Antrag auf Aufhebung der näher bezeichneten Teile des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2018 ist sohin schon aus diesem Grund unzulässig.

Der darüber hinaus angefochtene § 514 Abs 37 Z 3 und 4 StPO idF BGBl I 2018/27 regelt das In- und Außerkrafttreten jener Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975, auf welche sich die angefochtenen Novellierungsanordnungen beziehen. Die ebenfalls angefochtene Wendung in § 516a Abs 9 StPO idF BGBl I 2018/70 weist auf die Umsetzung der RL (EU) 2017/541 (zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/31 des Rates, ABl. Nr L 88 vom 15. 3. 2017 S 6) durch die mit BGBl I 2018/27 geänderte Strafprozeßordnung 1975 hin. Da die Antragsteller – wie oben dargelegt – die Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 nicht angefochten haben sowie gegen § 514 Abs 37 Z 3 und 4 StPO und § 516a Abs 9 StPO keine eigenständigen Bedenken iSd § 62 Abs 1 VfGG vorgebracht haben, erweist sich der Antrag auch insoweit als unzulässig.

Hinweis:

Gegen das "Sicherheitspaket" haben auch Abgeordnete zum NR den VfGH angerufen.

In seiner Pressemitteilung (www.vfgh.gv.at) informiert der VfGH, dass er zum Antrag der Nationalratsabgeordneten am Dienstag, 25. 6. 2019, 9:30 Uhr, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführt.

Der Abgeordnetenantrag wendet sich gem der Pressemitteilung gegen folgende, unter der Bezeichnung "Sicherheitspaket" im Jahr 2018 eingeführte Maßnahmen:

-die Ermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern durch Sicherheitsbehörden (§ 54 Abs 4b Sicherheitspolizeigesetz);
-die Übermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern aus Section-Control-Anlagen an bzw durch Sicherheitsbehörden (§ 98a Abs 2 Straßenverkehrsordnung 1960);
-die Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms ("Bundestrojaner") in einem Computersystem ohne Wissen des Betroffenen (§ 135a Strafprozeßordnung 1975);
-das Eindringen in und die Durchsuchung von Wohnungen zum Zweck der Installation eines Programms zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten (§ 135a Abs 3 Strafprozeßordnung 1975).

Nach Ansicht der antragstellenden Abgeordneten verstoßen die angefochtenen Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte, va gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens: Die genannten Maßnahmen seien nämlich unverhältnismäßig, va sei – so die Bedenken der Abgeordneten in Bezug auf Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes und der Straßenverkehrsordnung 1960 – die Ermittlung von Daten durch Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen (Kameras) ohne konkreten Anlass als (Wieder‑)Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu werten.

Nach Durchführung der Verhandlung wird der VfGH die Beratungen fortsetzen und – falls erforderlich – einen weiteren Verhandlungstermin anberaumen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27442 vom 14.06.2019