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Ehrverletzung per E-Mail an Dritte – internationale Zuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EuGVVO 2012: Art 7

Der Gerichtsstand für Deliktsklagen nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 gilt auch für Unterlassungsbegehren aus Eingriffen in Perönlichkeitsrechte. Bei Distanzdelikten kann sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort geklagt werden.

Bei der behaupteten Persönlichkeitsverletzung durch das Verbreiten rechtswidriger Inhalte (falsche und ehrverletzende Behauptungen) im Weg von E-Mails (an einzelne, konkret bezeichnete – vom Kl verschiedene – Empfänger) liegt der Handlungsort an jenem Ort, an dem die Bekl die beanstandeten Inhalte versendete. Hinsichtlich des Erfolgsorts gebietet das Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit, nicht auf den Ort des tatsächlichen Abrufs der Nachricht durch den Dritten (Empfänger) abzustellen, sondern auf den Ort des Wohnsitzes des Empfängers der beanstandeten Nachricht.

OGH 7. 5. 2019, 6 Ob 218/18d

Entscheidung

Erfolgsort ist jener Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten (EuGH 7. 3. 1995, C-68/93, Shevill, EU:C:1995:61, Rz 28).

Im vorliegenden Fall erfolgte die behauptete Ehrverletzung und Rufschädigung nicht – wie bei Persönlichkeitseingriffen im Internet, sozialen Medien oder in Printmedien – durch das Zugänglichmachen rechtswidriger Inhalte an einen unbestimmten Personenkreis, sondern durch die Verbreitung von Äußerungen an einzelne, konkret bezeichnete Empfänger. Der schädigende Erfolg ist in einem solchen Fall mit der Kenntnisnahme der beanstandeten Äußerung durch den Empfänger verwirklicht. Insofern ist der Erfolgsort dort, wo die Äußerung den Empfänger erreichte (Geimer in Geimer/Schütze, Art 5 EuGVVO Rz 251; vgl Leible in Rauscher, Art 7 Brüssel Ia-VO Rz 125).

Allerdings ist zu beachten, dass im Fall von Eingriffen in die Ehre und den Ruf durch Versenden von E-Mails an Dritte ein Abstellen auf den Ort des tatsächlichen Abrufs der Nachricht durch den Dritten dazu führen würde, dass der Erfolgsort für den Kl nicht aus Eigenem bestimmbar wäre. Mag die mangelnde Vorhersehbarkeit der Gerichtszuständigkeit auch gegenüber dem Bekl nicht ins Gewicht fallen – dieser nimmt die Ungewissheit durch die Wahl des Kommunikationsmittels bewusst in Kauf –, treffen derartige Erwägungen hinsichtlich des Opfers einer deliktischen Schädigung nicht zu. Das Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit (auch) für den Kl (vgl EuGH Rs C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising und Martinez Rz 50 mwN, Rechtsnews 11927 = RdW 2011/759) gebietet daher für den Fall der Persönlichkeitsverletzung durch die Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Weg von E-Mail-Nachrichten ein Abstellen auf den Ort des Wohnsitzes des Empfängers der beanstandeten Nachricht (so bereits 6 Nc 17/10t).

Ein weiteres Begehren des Kl war hier auf die Unterlassung der Kontaktaufnahme durch Telefonanrufe oder Kurnachrichten zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr gerichtet. Der vom Kläger behauptete Schadenserfolg besteht in der Störung seiner Nachtruhe durch wiederholte, in sich jeweils abgeschlossene Eingriffe in Form von Telefonanrufen und dem Erhalt von Kurznachrichten. Ein solcher schädigender Erfolg kann sich nur am Ort des jeweils konkreten Aufenthalts des Kl im Zeitpunkt des Eingangs des Telefonanrufs oder der Kurznachricht verwirklichen. Auf den Aufenthaltsort des Kl zum Zeitpunkt einer allfälligen späteren Kenntnisnahme eines versäumten Anrufs oder einer nicht unverzüglich abgerufenen Kurznachricht kann es hier hingegen nicht ankommen: Das Klagebegehren stellt nämlich auf die Kontaktaufnahme zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr ab, womit offenkundig der Zeitpunkt des Eingangs eines Anrufs oder einer Kurznachricht am (Mobil-)Telefon des Kl angesprochen ist, stünde es doch sonst im Belieben des Kl, die relevanten Zeitpunkte durch späteres Aufrufen der eingegangenen Nachrichten nach hinten zu verschieben. Dass der jeweilige Aufenthaltsort der per Mobiltelefon kontaktierten Person – und damit der Ort des Erfolgseintritts – nicht vorhersehbar ist, ist für den Täter offenkundig und vermag daher keine besondere Schutzwürdigkeit zu begründen. Eine Rechtsgrundlage für eine Zuständigkeit am Ort des Wohnsitzes (iSd EuGVVO) des Kl ist daher nicht ersichtlich.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27543 vom 02.07.2019