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Neuer Verfahrenshilfeverteidiger im Krankheitsfall – Fristenlauf

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RAO: § 45

StPO: § 63

Auch im Fall der Umbestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers aufgrund dessen schwerer Erkrankung sind die bis dahin erfolgten Zustellungen an den ursprünglich bestellten Verfahrenshilfeverteidiger unwirksam und an den neu bestellten Verteidiger neuerlich vorzunehmen, sodass der Fristenlauf für Letzteren mit der (neuerlichen) Zustellung des Urteils an ihn neu beginnt.

28. 5. 2019, 11 Os 17/19p (11 Os 18/19k, 11 Os 33/19s)

Entscheidung

Durch einen Wechsel in der Person des Verteidigers oder Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird die mit der ordnungsgemäßen Zustellung der Urteilsabschrift an einen Verteidiger in Lauf gesetzte Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde grundsätzlich nicht unterbrochen oder verlängert (RIS-Justiz RS0096301 [T1], RS0111615).

Diese aus § 63 Abs 2 StPO abgeleitete Rechtsfolge ist jedoch bei einem Wechsel in der Person des Verfahrenshilfeverteidigers dann nicht anwendbar, wenn der gem § 45 Abs 1 RAO von der Rechtsanwaltskammer zunächst bestellte Rechtsanwalt von Amts wegen oder über Antrag aus einem der Gründe des § 45 Abs 4 RAO enthoben wird – somit wegen Befangenheit, Tod, Verlust der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft oder Verzicht darauf – und ein anderer Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer bestellt wird.

Dass dem neuen Verfahrenshelfer nicht die gesamte gesetzlich vorgesehene Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels auch tatsächlich zur Verfügung stünde, wäre in einer derartigen Konstellation unbillig (vgl 12 Os 16/90). (Nur) In einem solchen Fall sind daher die bis dahin erfolgten Zustellungen an den ursprünglich bestellten Verfahrenshilfeverteidiger unwirksam und an den neu bestellten Verteidiger neuerlich vorzunehmen, sodass der Fristenlauf für Letzteren mit der (neuerlichen) Zustellung des Urteils an ihn neu beginnt (Soyer/Schuhmann, WK-StPO § 63 Rz 17, 22; RIS-Justiz RS0072335, RS0111614; vgl auch 13 Os 109/07i, Rechtsnews 4783; 11 Os 147/98 [= EvBl 1999/121]; 12 Os 16/90). Dies gilt auch, wenn die Gründe des § 45 Abs 4 RAO erst nach Bestellung eines Verfahrenshilfe- oder Amtsverteidigers, aber – wie vorliegend – noch vor Ablauf der durch Zustellung ausgelösten Frist eintreten und eine Umbestellung durch die Rechtsanwaltskammer bewirken (RIS-Justiz RS0072335 [T1]).

Eine Umbestellung aus anderen als den in § 45 Abs 4 RAO genannten Gründen ist hingegen grundsätzlich ohne Einfluss auf den Fristenlauf (Haißl in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 63 Rz 7; RIS-Justiz RS0072335 [T2]).

Eine Umbestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers aufgrund dessen schwerer Erkrankung ist jedoch einer Umbestellung aus einem der in § 45 Abs 4 RAO genannten Gründe gleichzuhalten, weil dieser auch in einem solchen Fall nicht in der Lage ist, die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen. Demnach ist § 45 Abs 4 RAO per analogiam auch auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27583 vom 09.07.2019