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Parteistellung einer Umweltorganisation

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Aarhus-Konvention: Art 9

GRC: Art 47

Nach dem Urteil EuGH 20. 12. 2017, C-664/15, Protect, Rechtsnews 24707, haben „Mitglieder der Öffentlichkeit“ die Rechte aus Art 9 Abs 3 des Übereinkommens von Aarhus nur, „sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“. Diese Bestimmung der Aarhus-Konvention habe somit als solche keine unmittelbare Wirkung. In Verbindung mit Art 47 GRC verpflichte sie die Mitgliedstaaten aber dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insb der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten.

Daraus folgt, dass die Rechtstellung einer Umweltorganisation (hier: als Verfahrenspartei) nicht unmittelbar aus Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention ableitbar ist, sondern dass es maßgeblich auf die Verbindung mit Art 47 GRC ankommt; erst dadurch entsteht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung wirksamen gerichtlichen Schutzes der durch das Recht der Union garantierten Rechte. Eine „Rückwirkung“ des Urteils EuGH C-664/15 (Protect) kann daher nicht weiter als bis zum Geltungsbeginn der GRC reichen. Der Revisionswerberin kommt daher vor dem Hintergrund des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention iVm Art 47 GRC keine Parteistellung zur Geltendmachung möglicher Verletzungen von Unionsrecht in Verfahren zu, die vor dem Tag des Inkrafttretens der GRC (1. 12. 2009) rechtskräftig abgeschlossen wurden.

VwGH 25. 10. 2019, Ra 2018/07/0410

Ausgangslage

Die vorliegende Entscheidung betrifft – ebenso wie die Fälle Ra 2018/07/0380 bis 382 und Ra 2018/07/0377 bis 0379 (siehe den Hinweis weiter unten) – ein Trinkwasserkraftwerk.

Entscheidung

Zudem hat der VwGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

Nach den Anforderungen des EuGH in Auslegung der UVP-Richtlinie muss die „betroffene Öffentlichkeit“ (dh eine Umweltorganisation, die zur „betroffenen Öffentlichkeit“ iSd Art 1 Abs 2 der UVP-RL zählt) die Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid anfechten können. Um diesen Anforderungen des EuGH Genüge zu tun ist der betroffenen Öffentlichkeit Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen, damit sie vorbringen kann, dass das jeweilige Projekt einer UVP zu unterziehen sei (VwGH 1. 10. 2018, Ra 2016/04/0141, mwN, Rechtsnews 26325).

Dies gilt auch für die Fälle, in denen kein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt wurde. Den Umweltorganisationen steht zwar nach § 3 Abs 9 UVP-G 2000 idF BGBl I 2018/80 (früher: Abs 7a) die Möglichkeit der Bekämpfung eines Feststellungsbescheides beim Verwaltungsgericht offen, nicht aber die Möglichkeit, ein Feststellungsverfahren zu beantragen. Der Umweltorganisation müsste daher die Möglichkeit offenstehen, in einem späteren Genehmigungsverfahren die Frage der UVP-Pflicht des Vorhabens relevieren zu können. Insofern handelt es sich um eine Parteistellung, die auf die Geltendmachung der Zuständigkeit der jeweiligen Genehmigungsbehörde eingeschränkt ist.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es noch ein offenes Genehmigungsverfahren gibt, genügt es zur Durchsetzung der Rechte der Revisionswerberin, ihr in diesem offenen Verfahren Parteistellung (zur Geltendmachung der UVP-Pflicht) einzuräumen. Dies stellt die wirkungsvollste und eingriffsschwächste Möglichkeit in Bezug auf die Bestandsgarantie rechtskräftiger Bewilligungen (wie hier: der wasserrechtlichen Bewilligung) dar, die Frage der UVP-Pflicht des Kraftwerks einer Klärung zuzuführen.

Der Einräumung einer Parteistellung in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier: wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid rechtskräftig mit 24. 5. 2007) bedarf es in einer solchen Konstellation zur Sicherstellung des Rechtsschutzes der Revisionswerberin hingegen nicht.

Hinweis:

Während die Umweltorganisation nach der vorliegenden Entscheidung im rechtskräftig abgeschlossenen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung erhielt, bestätigte der VwGH in den Entscheidungen zu Ra 2018/07/0380 bis 0382 die Parteistellung im wasserrechtlichen Änderungsbewilligungsverfahren:

In den Entscheidungen zu Ra 2018/07/0380 bis 0382 und Ra 2018/07/0377 bis 0379 behandelte der VwGH die Anwendbarkeit der „pipeline-Judikatur“ des EuGH auf Änderungsbewilligungsverfahren von Projekten, die vor 2009 eingereicht worden waren. Ein Vorhaben iSd „pipeline-Judikatur“ liegt vor, wenn eine Genehmigung in mehreren nacheinander durchgeführten Verfahren erfolgt; ist dies der Fall wird unter bestimmten Voraussetzungen bei der Frage der Parteistellung auf den Zeitpunkt der Einreichung des ersten Antrags des Verfahrens abgestellt.

Im Fall zu Ra 2018/07/0380 bis 0382 wurde das Änderungsbewilligungsverfahren (zur „Trassenänderung 2014/2015“) unstrittig nach Ablauf der Umsetzungsfrist der WasserrahmenRL (RL 2000/60/EG; WRRL) sowie nach Inkrafttreten des Aarhus-Übereinkommens und der GRC eingeleitet und zielt auf Änderung der Bewilligung vom 24. 5. 2007 ab. Zwar setzt eine „Änderung“ einer Bewilligung diese Bewilligung logisch voraus, die Bewilligung vom 24. 5. 2007 stellt hier jedoch nicht von vornherein eine zwingende Voraussetzung für die spätere Bewilligung idF des Abänderungsbescheids vom 21. 3. 2017 dar, weil der wasserrechtliche Konsens, wie er sich nun mit diesem Abänderungsbescheid ergibt, auch bereits Gegenstand des früheren Bewilligungsantrags im Jahr 2002 hätte sein können. Bei dem Verfahren zur „Trassenänderung 2014/2015“ handelt es sich vielmehr um ein eigenständiges Verfahren, weshalb eine (allfällige) „pipeline-Wirkung“ nicht unter Hinweis auf den ursprünglichen Bewilligungsantrag des Jahres 2002 argumentiert werden kann.

Die Revisionen zu Ra 2018/07/0377 bis 0379 wies der VwGH – ua mit Verweis auf Ra 2018/07/0380 bis 0382 – zurück.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27784 vom 14.08.2019