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Ehrverletzung durch Aktionär in der Hauptversammlung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

AktG: § 118

Der Angriff auf die absoluten Rechte der Ehre und des Rufs einer Person ist für sich noch nicht rechtswidrig, doch bildet schon der Eingriff in absolute Rechte ein Indiz für die Rechtswidrigkeit. Die Rechtswidrigkeit kann im Einzelfall dann ausgeschlossen sein, wenn für das Handeln oder Unterlassen ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorlag. Ein solcher Rechtfertigungsgrund muss sich im Weg einer Interessenabwägung aus weiteren Geboten oder Verboten der gesamten Rechtsordnung gewinnen lassen. Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung kommt es auf die Art des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses an.

Die in der Rsp anerkannten Rechtfertigungsgründe§ 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB, medienrechtliche Regelungen nach § 6 MedienG, das Interesse der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und damit im Zusammenhang die Ausübung eines Rechts (Prozesshandlungen, Anzeigen), die Ausübung eines öffentlichen Mandats, Art 17a StGG und Art 10 EMRK – sind nicht als abschließendes System aller Interessen aufzufassen, die gegenüber dem Recht der Ehre und des Rufs einer Person abzuwägen sind (hier: Interessenabwägung zugunsten eines Aktionärs, der sein in der Rechsordnung verankertes Auskunftsrecht ausgeübt hat).

OGH 24. 7. 2019, 6 Ob 34/19x

Sachverhalt

Der Bekl ist Geschäftsführer einer Aktionärin der R***** AG.

Der Kl ist Stifter und Begünstigter einer Privatstiftung, die zu mehr als 25 % an der AG beteiligt ist.

Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen des Bekl bei einer Hauptversammlung im Zuge von Fragen und Vorhalten an den Vorstand der AG. Diese bezogen sich auf (versuchte) Einflussnahmen des Kl auf den Vorstand der AG iZm deren geplantem Zusammenschluss mit einer brasilianischen Gesellschaft.

Das BerufungsG wies das auf Unterlassung und Widerruf gerichtete Klagebegehren ab. Die beanstandeten Äußerungen des Bekl seien zwar geeignet, die Ehre und das Fortkommen des Kl zu schädigen; sie seien aber durch die Ausübung von Aktionärsrechten in dem dafür vorgesehenen Rahmen und durch das überwiegende Informationsinteresse des Bekl und der übrigen Aktionäre gerechtfertigt.

Die außerordentliche Revision des Kl wurde vom OGH zurückgewiesen.

Entscheidung

Bei Zurückweisung der außerordentlichen Revision des Kl hält der OGH fest, dass der geplante Zusammenschluss der AG mit der brasilianischen Gesellschaft ein „Thema“ der Hauptversammlung war und sich gerade auf diesen Gegenstand das Auskunftsrecht bezog, das der Bekl (als Geschäftsführer einer Aktionärin) in Anspruch nahm. Bei diesem Auskunftsrecht handelt es sich um ein in der Rechtsordnung verankertes Recht.

Das BerufungsG berücksichtigte in seiner Interessenabwägung nicht nur, dass der Bekl das gesetzlich vorgesehene Forum für die Ausübung des Fragerechts der Aktionäre in Anspruch nahm. Es erachtete darüber hinaus als wesentlich, dass ein Vorstandsmitglied der AG am Ende der Hauptversammlung das vom Bekl angesprochene Treffen zwischen dem Vorstand der AG und dem Kl zugab, das eine Verdachtslage im Hinblick auf potentiell schädigende Handlungen der Entscheidungsträger der Aktiengesellschaft geschaffen hatte. Ebenfalls als wesentlich sah das BerufungsG an, dass erst durch die kritischen Fragen des Bekl ein Beratungsvertrag zwischen dem Kl und der Aktiengesellschaft hervorkam.

Die Beurteilung des BerufungsG, dass angesichts dieser Umstände das Informationsinteresse des Bekl und der übrigen Aktionäre gegenüber dem Recht des Kl an seiner Ehre und seinem Ruf als überwiegend anzusehen sei, ist vertretbar und bedarf keiner Korrektur im hier zu beurteilenden Einzelfall.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27842 vom 26.08.2019