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Kleinunternehmer: Zusammentreffen unechte und echte Steuerbefreiung

Bearbeiter: Birgit Bleyer / Bearbeiter: Barbara Tuma

UStG: § 6 Abs 1 Z 6 lit d und Z 27

Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer führt zum Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug bezüglich der Umsätze des Kleinunternehmers, die die Voraussetzungen einer echten Steuerbefreiung erfüllen. Die unechte Befreiung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG hat im Fall eines solchen Zusammentreffens mit einer echten Befreiung gegenüber dieser den Vorrang.

Im vorliegenden Fall ist der StPfl als Kleinunternehmer gem § 6 Abs 1 Z 27 UStG (unecht) steuerbefreit und hat nicht von der Möglichkeit des § 6 Abs 3 UStG Gebrauch gemacht, auf diese Steuerbefreiung zu verzichten. Daneben erzielt er auch Umsätze durch die Vermietung von Wohnungen, die die Voraussetzungen der (echten) Steuerbefreiung gem § 6 Abs 1 Z 6 lit d vierter Spiegelstrich UStG erfüllen (= Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke an Vergütungsberechtigte iSd § 1 Abs 1 Z 2 Internationales Steuervergütungsgesetz [IStVG]). Da die unechte Steuerbefreiung für Kleinunternehmer Vorrang gegenüber der echten Steuerbefreiung hat, kann der StPfl dafür keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

VwGH 12. 6. 2019, Ro 2018/13/0007

Entscheidung

Richtlinienkonforme Auslegung

Unionsrechtliche Grundlage für die echte Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 6 lit d vierter Spiegelstrich UStG ist (nunmehr) Art 151 Abs 1 lit a der RL 2006/112/EG (MwStSystRL) über die Steuerbefreiung von Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die im Rahmen der diplomatischen und konsularischen Beziehungen bewirkt werden; Art 151 findet sich in Titel IX („Steuerbefreiungen“) der RL 2006/112/EG.

In Titel X der MwStSystRL („Vorsteuerabzug“) räumt Art 168 dem Steuerpflichtigen das Recht zum Vorsteuerabzug ein, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Art 169 lit b gewährt dieses Recht über den Vorsteuerabzug nach Art 168 hinaus ua auch insoweit, als die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke von Umsätzen verwendet werden, die gem Art 151 befreit sind.

Die Kleinunternehmerbefreiung findet sich in Titel XII der MwStSystRL („Sonderregelungen“). Auf Regelungen über die Kleinunternehmergrenze in Art 287 und 288, nach denen ua die gem Art 151 befreiten Umsätze in die Berechnung des Jahresumsatzes einzubeziehen sind, folgt in Art 289 der ausdrückliche Ausschluss von Steuerpflichtigen, die eine Steuerbefreiung (für Kleinunternehmer) in Anspruch nehmen, vom „Vorsteuerabzug gem den Artikeln 167 bis 171 und 173 bis 177“.

Für das im UStG nicht ausdrücklich geregelte Verhältnis zwischen den im vorliegenden Fall strittigen Befreiungsbestimmungen folgt daraus bei richtlinienkonformer Auslegung, dass die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug ua für Umsätze der hier strittigen Art bedeutet, für die er sonst nach Art 169 lit b der RL und § 12 Abs 3 lit a UStG zu gewähren wäre.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27846 vom 26.08.2019