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EuGH: Mittäter – Unschuldsvermutung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL (EU) 2016/343: Art 4

Gemäß Art 4 Abs 1 Satz 1 der RL (EU) 2016/343 [über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren] haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ua in gerichtlichen Entscheidungen nicht so auf eine Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig, solange ihre Schuld nicht rechtsförmlich nachgewiesen worden ist.

Art 4 Abs 1 RL (EU) 2016/343 verbietet es grds nicht, dass das Gericht eine Vereinbarung genehmigt, in der sich der Beschludigte im Gegenzug für eine Strafmilderung schuldig bekennt und als Mittäter auch andere beschuldigte Personen nennt, die sich nicht schuldig bekannt haben und gegen die ein gesondertes Strafverfahren geführt wird; Voraussetzung ist dabei, dass

-diese Angabe für die Einordnung der rechtlichen Verantwortlichkeit der Person, die diese Vereinbarung geschlossen hat, erforderlich ist (hier: kriminelle Vereinigung) und
-diese Vereinbarung eindeutig darauf hinweist, dass gegen diese anderen Personen ein gesondertes Strafverfahren geführt wird und ihre Schuld nicht rechtsförmlich nachgewiesen worden ist.

EuGH 5. 9. 2019, C-377/18, AH ua (Présomption d’innocence)

Zu einem bulgarischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 4 Abs 1 der RL (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 3. 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafsachen ist dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, dass eine Vereinbarung, in der die beschuldigte Person sich im Gegenzug für eine Strafmilderung schuldig bekennt, die von einem nationalen Gericht genehmigt werden muss, als Mittäter der betreffenden Straftat ausdrücklich nicht nur diese beschuldigte Person nennt, sondern auch andere beschuldigte Personen, die sich nicht schuldig bekannt haben und gegen die ein gesondertes Strafverfahren geführt wird, sofern diese Angabe erstens für die Einordnung der rechtlichen Verantwortlichkeit der Person, die diese Vereinbarung geschlossen hat, erforderlich ist und zweitens diese Vereinbarung eindeutig darauf hinweist, dass gegen diese anderen Personen ein gesondertes Strafverfahren geführt wird und ihre Schuld nicht rechtsförmlich nachgewiesen worden ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27914 vom 09.09.2019