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Übermittlung eines an den Arbeitnehmer gerichteten Schreibens an dessen neuen Arbeitgeber

Bearbeiter: Bettina Sabara

AngG: § 18

Übermittelt der ehemalige Arbeitgeber eines Arbeitnehmers ein Schreiben, mit dem er den Arbeitnehmer eindringlich auf dessen nachvertraglichen Rechtspflichten hinweist, auch jener Gesellschaft, bei der der Arbeitnehmer bereits ein neues Dienstverhältnis begründet hat und wo seine Bestellung zum Geschäftsführer zumindest im Raum steht, und ist dieses Schreiben nicht nur objektiv geeignet, das Fortkommen des Arbeitnehmers zu erschweren, sondern auch kausal dafür, dass der Arbeitnehmer die angestrebte Stelle als Geschäftsführer tatsächlich nicht erlangt, so hat der ehemalige Arbeitgeber seine auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus bestehende Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer verletzt und kann der Arbeitnehmer Schadenersatzansprüche gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber geltend machen.

OGH 17. 12. 2019, 9 ObA 116/19b

Fürsorgepflicht über das DV-Ende hinaus

Den Arbeitgeber trifft gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht, die sich auch auf deren vermögensrechtliche Interessen erstreckt. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Fürsorgepflicht und entsteht dem Arbeitnehmer ein Schaden, so kann dieser Schadenersatzansprüche geltend machen (vgl OGH 21. 2. 2013, 9 ObA 16/13p, ARD 6340/3/2013).

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wirkt nach und gilt damit grundsätzlich auch nach Beendigung des Vertrags. Der Arbeitgeber ist damit auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses grundsätzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen. Mit anderen Worten hat der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers in gewissem Rahmen weiter zu berücksichtigen (vgl OGH 24. 4. 2003, 8 ObA 217/02y, DRdA 2003/31).

Diese Verpflichtung wird auch und gerade im Zusammenhang mit Auskünften gegenüber potentiellen neuen Arbeitgebern bejaht. Aus verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, etwa zu den Postensuchtagen, der Einschränkung der Zulässigkeit von Konkurrenzklauseln und den Regelungen über das Dienstzeugnis, lässt sich insgesamt die Wertung des Gesetzgebers ableiten, dass er das Interesse des Arbeitnehmers an seinem weiteren Fortkommen als schutzwürdig erachtet. Insbesondere aus den Wertungen des § 1163 Abs 1 Satz 3 ABGB und § 39 Abs 1 Satz 2 AngG, wonach Eintragungen und Anmerkungen in einem (Dienst-)Zeugnis unzulässig sind, durch die dem Arbeitnehmer die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, lässt sich eine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, über frühere Arbeitnehmer grundsätzlich keine nachteiligen Bemerkungen zu machen. Aus der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, wonach eine Kündigung wegen eines verpönten Motivs dann angefochten werden kann, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfolgte, wurde beispielsweise abgeleitet, dass Auskünfte über die „Klagsfreudigkeit“ des Arbeitnehmers zumindest grundsätzlich unzulässig sind (vgl OGH 7. 2. 2008, 9 ObA 104/07w, ARD 5881/5/2008).

Interessenabwägung

Das Interesse des ehemaligen Arbeitnehmers am Unterbleiben nachteiliger Mitteilungen (Informationen) ist mit schützenswerten Interessen anderer Beteiligter, insbesondere des potentiellen neuen Arbeitgebers und des früheren Arbeitgebers, unter Umständen aber auch mit jenen anderer Personen oder gar der Allgemeinheit abzuwägen. Der Arbeitgeber ist somit auch im Rahmen der nachwirkenden (nachvertraglichen) Fürsorgepflicht nicht gehalten, eigene und schützenswerte Interessen zu vernachlässigen, wenn die Interessenabwägung zu Gunsten der Mitteilung ausschlägt.

Bei der konkreten Abwägung ist auf die Grundsätze der Interessenabwägung, wie sie ua im § 1 DSG zugrundegelegt werden, aber auch auf einschlägige arbeitsrechtliche Wertungen Bedacht zu nehmen. Auch bei Beurteilung der Frage, inwieweit ein Arbeitnehmer aufgrund nachvertraglicher Schutzpflichten noch Anspruch auf Wahrung seines wirtschaftlichen Rufes hat, ist eine Abwägung seiner Interessen mit jenen des vormaligen Arbeitgebers oder den allfälligen Interessen Dritter vorzunehmen.

Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht – wie es häufiger der Fall ist – an den ehemaligen Arbeitgeber um Informationen über den ausgeschiedenen Arbeitnehmer herangetreten wurde. Vielmehr war es der ehemalige Arbeitgeber selbst, der nicht nur ein Schreiben an den Kläger sandte, mit dem er diesen eindringlich auf seine nachvertraglichen Rechtspflichten hinwies, sondern darüber hinaus dieses Schreiben auch dem Alleingesellschafter jener Gesellschaft übermittelte, bei der bereits vom Kläger ein neues Dienstverhältnis begründet worden war und seine Bestellung zum Geschäftsführer zumindest im Raum stand. Die zuvor referierte Rechtsprechung kann aber auch für einen solchen Fall fruchtbar gemacht werden, weil es um nichts anderes als die Reichweite der Fürsorgepflicht des ehemaligen Arbeitgebers und damit darum geht, inwiefern dieser verpflichtet ist, von für den ehemaligen Arbeitnehmer nachteiligen Handlungen Abstand zu nehmen.

Dabei ist hier ohne Weiteres davon auszugehen, dass das Schreiben an die Muttergesellschaft der neuen Arbeitgeber-Gesellschaft, dem das Schreiben an den Kläger vom selben Tag angeschlossen war, objektiv geeignet war, dessen Fortkommen dadurch zu erschweren, dass er die von ihm angestrebte Stelle als Geschäftsführer nicht erlangt. Eben dieses verwirklichte sich sodann auch tatsächlich. An der Kausalität des Schreibens für den Nichterhalt der angestrebten Position ist aufgrund der Feststellungen nicht zu zweifeln.

Es ist dann aber auch vertretbar, wenn das Berufungsgericht ein überwiegendes Interesse des ehemaligen Arbeitgebers an der Übermittlung dieses Schreibens an die Muttergesellschaft der neuen Arbeitgeber-Gesellschaft verneinte. Der Kläger unterlag bei Übermittlung dieses Schreibens weder einem Konkurrenzverbot noch lagen hinreichende Gründe für die Annahme vor, er hätte gegen seine vertragliche Verpflichtung zur Geheimhaltung verstoßen. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf der einschlägigen Rechtsprechung und Lehre und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28662 vom 12.02.2020