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Plagiatsvorwurf – Wertungsexzess?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: § 1330

EMRK: Art 10

StGG: Art 13

UrhG: § 78

Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK, Art 13 StGG) deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst „überspitzte“ Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt.

Im vorliegenden Fall hat der Bekl dem Kl nicht nur vorgeworfen, bei dessen Dissertation handle es sich um ein Plagiat, sondern er hat dessen Bild auch in eine Reihe mit zwei weiteren bekannten Persönlichkeiten gestellt, denen der akademische Grad wegen Plagiierens aberkannt wurde.

Die Gegenüberstellung des Fotos des Kl mit demjenigen zweier Persönlichkeiten, denen der Doktortitel entzogen wurde, vermittelt dem unbefangenen Durchschnittsbetrachter den Eindruck, die Plagiatsvorwürfe gegen den Kl hätten zumindest annähernd gleiches Gewicht.

Die bloße numerische Anführung einzelner unbelegter Übernahmen fremder Meinungsäußerungen ist nicht geeignet, das Gewicht des Verstoßes für die Beurteilung der Eigenleistung des Verfassers einer Dissertation zu beurteilen. Nur wenn die Plagiatsverstöße zumindest annähernd gleiches Gewicht erreichen, wie es für die Aberkennung eines akademischen Grades erforderlich ist, läge kein Wertungsexzess des Bekl im Rechtssinne vor.

OGH 27. 11. 2019, 6 Ob 172/19s

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28742 vom 03.03.2020