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Steuerliche Behandlung von „unbewegten Sparbüchern“ bei einer Bank

Bearbeiter: Pavel Knesl

EStG: § 5

UGB: § 196, § 201

Abstract

Im gegenständlichen Fall vor dem BFG war strittig, ob seit 30 und mehr Jahren nicht bewegte Spareinlagen seitens der Bank steuerlich gewinnerhöhend aufzulösen sind, auch wenn die Bank bei einer etwaigen Einlösung die Verjährungseinrede nicht einwenden würde.

BFG 15. 4. 2020, RV/4100377/2017

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine Bank, die unter den Positionen „Einlagen“ (Passiva)/Einlagen (Sparbücher) ausgewiesen hat, die seit über 30 und mehr Jahren nicht mehr bewegt wurden. Die Außenprüfung (AP) hat die Ansicht vertreten, dass diese Einlagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr eingelöst werden, auch wenn diese formal nicht verjährt sind. Diese Positionen seien (ungeachtet der unternehmensrechtlichen Behandlung) daher aus steuerlicher Sicht iS einer außerbilanziellen Hinzurechnung zu erfassen und der Besteuerung zu unterwerfen. Das Finanzamt (FA) ist dieser Ansicht gefolgt und hat entsprechend den Feststellungen der AP einen neuen Körperschaftsteuerbescheid erlassen.

Verfahren vor dem FA

Die Bf hat in der gegen den neuen Körperschaftsteuerbescheid erhobenen Beschwerde argumentiert, dass nach hA der Begriff „Verbindlichkeit“ nicht nur Verbindlichkeiten im rechtlichen Sinn, die einklagbar sind, erfasst, sondern auch solche, bei denen aus faktischen Umständen trotz fehlender Erzwingbarkeit die Erfüllung nicht abgelehnt werden kann. Dies trifft auch auf nicht mehr einklagbare Schulden zu, wenn es der Bank praktisch unmöglich ist, bereits verjährte Sparguthaben nicht auszuzahlen, da dies mit gravierenden negativen Folgen (Imageschaden) verbunden wäre. Diese unternehmensrechtliche Behandlung ist auch aus steuerlicher Sicht geboten und entspricht der Rechtsprechung des VwGH, der zufolge eine verjährte Schuld weiterhin bilanziell als solche auszuweisen ist, wenn der Steuerpflichtige aus geschäftlichen Rücksichten von einer möglichen Verjährungseinrede nicht Gebraucht machen will.

Die Bf bestätigt im gegenständlichen Fall, gegen etwaige Auszahlungsansprüche die Verjährungseinrede nicht geltend zu machen. Weiters stützt sich die Bf in ihrer Argumentation auf die Grund-sätze des Nachholverbotes und der periodengerechten Gewinnermittlung, die der von der AP vorgenommenen Auflösung des Gesamtbetrages von seit 30 und mehr Jahren nicht bewegten Einlagen im Jahr 2015 entgegenstehen.

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit einer Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung hat sie auf Rechtsprechung des VwGH und BFH verwiesen, der zufolge Verbindlichkeiten nicht mehr bilanziert werden dürfen, wenn mit dem Versuch der Durchsetzung der Forderung durch den Gläubiger praktisch nicht mehr zu rechnen ist. In diesem Fall werden das Prinzip der Einzelbewertung und das Periodenprinzip durchbrochen und die unbewegten Sparguthaben kumulativ aufgelöst.

Verfahren vor dem BFG

Auf Ergänzungsvorhalt des BFG hin hat die Bf bestätigt, dass es im Streitzeitraum in Bezug auf die im Streitzeitraum in die Verjährung eingetretenen Beträge zu keinerlei Behebungen oder Anforderungen durch Kunden gekommen ist.

Das BFG hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Frage der steuerlichen Behandlung von unbewegten Sparguthaben bereits Gegenstand der Erkenntnisse vom 20. 6. 2010 RV/2100053/2017 und vom 1. 8. 2019, RV/4100588/2016 war, in denen es zum Schluss gelangt ist, dass seit 30 Jahren nicht bewegte Spareinlagen gewinnerhöhend aufzulösen sind, wenn diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr eingelöst werden. Der Grundsatz des Nachholverbotes lässt es jedoch zu, ausschließlich jene Guthaben aufzulösen, die im Streitjahr genau 30 Jahre keine Kontobewegung aufweisen. Eine pauschale Auflösung anderer, bereits früher verjährter Beträge ist hingegen nicht zulässig. Der vorliegenden Beschwerde war teilweise Folge zu geben.

Conclusio

Kritische Würdigung: Die gegenständliche Entscheidung des BFG könnte im Lichte der EStR 2000 Rz 2421 bzw der bisherigen Rechtsprechung des VwGH kritisch gesehen werden: Die Finanzverwaltung sowie der VwGH scheinen nämlich die Ansicht zu vertreten, dass eine verjährte Schuld abzuschreiben ist, sobald Gewissheit besteht, dass von der Verjährungseinrede Gebrauch gemacht wird und der Verjährungsgegner keinen Unterbrechungstatbestand geltend machen kann (VwGH 1. 12. 1992, 92/14/0148). Mit anderen Worten: Es muss auch Gewissheit bestehen, dass der Gläubiger eine Auszahlung der Einlage gar nicht geltend machen will bzw kann. Hinsichtlich der Geltendmachung von (verjährten) Spareinlagen sind mE auch folgende Ausführungen des BFH (27. 3. 1996, I R 3/95) interessant: „Nach den Feststellungen des FG werden tatsächlich Sparbücher auch nach einer Pause von 30 Jahren noch zur Auszahlung vorgelegt. Dies wird auch vom FA nicht bestritten. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, davon auszugehen, daß sämtliche Forderungen aus 30 Jahre unbewegten Sparkonten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr geltend gemacht werden. Der Senat kann insoweit der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung nicht folgen.“ Es stellen sich daher die Fragen, mit welcher Wahrscheinlichkeit mit der Geltendmachung von bereits verjährten Sparguthaben zu rechnen ist und wie diese Wahrscheinlichkeit bei der steuerwirksamen Auflösung der Einlagen im Jahr 30 nach der letzten Bewegung zu berücksichtigen ist. Es ist also zu hinterfragen, ob nicht ein Erfahrungswert von nachträglich geltend gemachten, bereits verjährten Einlagen zu ermitteln ist, der der steuerwirksamen Auflösung der verjährten Spareinlagen zugrunde zu legen ist.

Da das BFG eine Revision an den VwGH zugelassen hat, bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsfrage eine höchstgerichtliche Lösung erfährt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29027 vom 07.05.2020