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Normprüfungsantrag: Abzinsungsfaktor bei Sozialkapitalrückstellungen verfassungswidrig?

Bearbeiter: Martin Klokar

EStG: § 14 Abs 6 Z 6; § 14 Abs 12

Das BFG stellte mit seinen Beschlüssen v 25. 3. 2020 weitere Normprüfungsanträge an den VfGH iZm der möglichen Gleichheitswidrigkeit von Abzinsungssätzen bei langfristigen Rückstellungen. Diesmal betrafen die gleichheitsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Zinssatzhöhe nicht nur Jubiläumsgeldrückstellungen, sondern auch Pensionsrückstellungen.

BFG 25. 3. 2020, RN/7100001/2020 (beim VfGH unter G 173/2020 anhängig) und RN/7100002/2020 (beim VfGH unter G 174/2020 anhängig)

Differenzierung der Abzinsungssätze für langfristige Rückstellungen

Sowohl die allgemeine Vorschrift des § 9 EStG zu Rückstellungen als auch die Spezialnorm des § 14 EStG zur Vorsorge für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder sehen Regelungen zur Abzinsung langfristiger Rückstellungen vor. Während der Zinssatz für die Bildung von langfristigen Verbindlichkeits- und Drohverlustrückstellungen gem § 9 Abs 5 EStG 3,5  % beträgt, sind Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen, deren langfristige Bildung wesensimmanent ist, gem § 14 Abs 6 Z 6 iVm § 14 Abs 12 EStG mit einem Zinssatz von 6 % abzuzinsen. Das BFG hegt in den Normprüfungsanträgen Zweifel, ob die Ungleichbehandlung in der Höhe der Abzinsungssätze (3,5 % und 6 %) iZm langfristigen Rückstellungen dem Gleichheitssatz entspricht.

Begründung des BFG

Das BFG untermauert seine Bedenken über die mögliche, nicht sachlich begründete Ungleichbehandlung der Abzinsungssätze von langfristigen Rückstellungen mit einer Feststellung des VfGH (9. 12. 1997, G 403/97) zu Jubiläumsgeldrückstellungen: Der Gerichtshof hält darin fest, dass Dienstjubiläumsgelder, die auf einer rechtsverbindlichen Zusage beruhen, sich in nichts von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten gem § 9 Abs 1 Z 3 EStG unterscheiden. Das BFG bezweifelt daher, eine derart beachtliche Unterscheidung bei den Abzinsungssätzen von Jubiläumsgeldrückstellungen und langfristigen Rückstellungen iSd § 9 Abs 1 Z 3 EStG (3,5 % vs 6 %) sachlich rechtfertigen zu können und fragt sich, ob diese Bedenken nicht auch im Verhältnis zu Pensionszusagen zutreffen.

Das BFG begründet neben Argumenten, die auch bereits in den Normprüfungsanträgen v 13. 1. 2020 genannt werden (siehe zB BFG 13. 1. 2020, RN/7100001/2019, beim VfGH unter G 9/2020 anhängig; siehe dazu schon Riedl in ÖStZ 2020/253), darüber hinaus die Rechtfertigung eines einheitlichen Zinssatzes mit der Berücksichtigung des allgemeinen Zeitbezugs bei Rückstellungen. Da der Zinssatz als Preis für die Möglichkeit der Nutzung von Kapital in der Zukunft naturgemäß schwierig zu bemessen ist, ist es laut BFG durchaus im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips und der Verwaltungsökonomie gelegen, wenn dafür seitens des Gesetzgebers ein pauschaler Fixzinssatz bestimmt wird. Da der Zins – bei längerfristigen Rückstellungen nach § 9 Abs 1 Z 3 EStG 1988 wie auch bei Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen – als Preis für die Zeit anzusehen ist, ist dem BFG zufolge eine unterschiedliche Behandlung der Abzinsung von Pensions-, Jubiläumsgeld- und langfristigen Rückstellungen nicht gerechtfertigt. Nach Ansicht des BFG ist bei Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen im Verhältnis zu langfristigen Rückstellungen der Faktor Zeit durch einen in der Höhe gleichen Zinssatz abzubilden. Daher bestehen über die im konkreten Zeitraum anzuwendenden gesetzlichen Regelungen im Anfechtungsumfang Bedenken einer Ungleichbehandlung im Sinne von Art 7 B-VG und Art 2 StGG.

Conclusio

Der VfGH wird nun die Frage zu klären haben, ob die unterschiedliche Höhe der Abzinsungssätze bei langfristigen Rückstellungen sachlich gerechtfertigt ist. Die Aufhebung der fraglichen Stellen der §§ 9 und 14 EStG durch den VfGH, die eine Zinssatzsenkung zur Folge hätten, würde jedenfalls erhebliche negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen haben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29102 vom 25.05.2020