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Verbandsinternes Schlichtungsverfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VerG 2002: § 8

Die Obliegenheit zum Abwarten eines vereinsinternen Schlichtungsverfahrens ist grundsätzlich nur dort sachlich gerechtfertigt, wo sich der Rechtssuchende einer Fremdbestimmung unterworfen hat. Das trifft auf Mitglieder des betreffenden Vereins regelmäßig zu.

Der Gesetzgeber des VerG 2002 regelte nur die Streitschlichtung in einem Verein, obwohl ihm die Existenz von Dachverbänden, Verbänden und diesen angehörenden „einfachen“ Vereinen (§ 1 Abs 5 Satz 2 VerG 2002) bewusst war. Der erkennende Senat vermag nicht zu sehen, warum es gerechtfertigt sein sollte, das innerhalb eines Vereins angeordnete (temporäre) Rechtsweghindernis auch auf Fälle auszudehnen, in denen die Streitteile in keinem unmittelbaren Vereinsverhältnis stehen. Die Anordnung einer solchen Rechtsfolge wäre Sache des Gesetzgebers und nicht der Auslegung der Gerichte.

Für den, der nicht Mitglied des Vereins ist, mit dem er in Streit liegt, gilt die Hürde des § 8 Abs 1 VerG 2002 grundsätzlich nicht (Anrufung der vereinsinterne Schlichtungsinstanz vor Klage bei sonstiger Unzulässigkeit des Rechtswegs). Ein Nichtmitglied kann sich aber – unter bestimmten Voraussetzungen – vertraglich einem Verbandsregelwerk unterwerfen. Bei Streitigkeiten mit solchen Personen besteht keine gesetzliche Pflicht zur Anrufung der Schlichtungsstelle iSd § 8 VerG 2002. Die Verpflichtung zur Anrufung kann sich in diesen Fällen einzig und allein aus der vertraglichen Vereinbarung ableiten. Wird eine Klage vor Ausschöpfung des verbandsinternen Rechtswegs erhoben, ist sie nicht gesetzlich unzulässig (Prozesshindernis), sondern aufgrund der vorweg bestehenden materiell-rechtlichen Unklagbarkeit bloß abzuweisen. Es läge letztlich nichts anderes als die Nichteinhaltung einer Schlichtungsklausel vor, die nach stRsp kein Prozesshindernis begründet (mit der Folge einer Zurückweisung), sondern den materiell-rechtlichen Einwand mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs begründet. Die mangelnde Klagbarkeit wegen Nichtausschöpfung des vereinsinternen Rechtszugs kann aber nur über entsprechenden Einwand wahrgenommen werden.

OGH 26. 3. 2020, 1 Ob 42/20p

Entscheidung

Die E 6 Ob 125/16z (= RS0122425 [T22] = Rechtsnews 22577 = RdW 2016/605) betraf einen Streit zwischen einem Dachverband und einem Mitglied eines Landesverbands, das nicht auch Mitglied des Dachverbands war. Nach dieser E seien „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 weiter zu verstehen als „Streitigkeiten aus der Vereinsmitgliedschaft“; eine „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ liege auch dann vor, wenn in einer dreistufigen Vereinsstruktur der den Dachverband klagende Verein nicht dessen Mitglied, sondern Mitglied eines Landesverbands sei, der wiederum Mitglied des Dachverbands sei.

Im vorliegenden Fall ist jedoch keine Streitigkeit zwischen zwei Vereinen zu beurteilen. Die Kritik an dieser E ist durchaus beachtlich, liegt doch bei der Streitigkeit zwischen dem Kl als allfälliges Mitglied eines „Basisvereins“ und dem Bekl als Dachverband kein so enger Zusammenhang zu dessen „Vereinsverhältnis“ vor, der in Bezug auf die Dichte der Vereinsbeziehung mit einer Vereinsmitgliedschaft zum Bekl vergleichbar wäre. Zwar setzt die zwischen den Parteien abgeschlossene „Athletenvereinbarung“ eine „Jahreslizenz“ voraus, diese kann aber nur von einem „Mitgliedsverein“ (für seine Mitglieder) beantragt werden, nicht jedoch vom kl Sportler selbst (Mitglied des „Mitgliedsvereins“). Aus einer solchen Lizenz leitet der Kl hier seinen Anspruch aber auch gar nicht ab.

Der Kl macht vielmehr Ansprüche aus einer eigenen vertraglichen Vereinbarung mit dem bekl Dachverband geltend, ohne dass seine allfällige Mitgliedschaft zu einem „Basisverein“ dafür unmittelbare Grundlage wäre. Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 ist somit die vereinsinterne Schlichtungseinrichtung des Bekl mit der vorliegenden Streitigkeit nicht zu befassen und der Rechtsweg daher – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – zulässig.

Den Einwand der mangelnden Klagbarkeit wegen Nichtausschöpfung des vereinsinternen Rechtszugs hat der Bekl nicht erhoben, sondern vielmehr zugestanden, dass er auf die vorherige Einberufung seines „Schiedsgerichts“ (gemeint seiner Schlichtungseinrichtung) gem Abs 9 der „Athletenvereinbarung“ verzichtet habe.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29294 vom 29.06.2020