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Bank als Zahlstelle und gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

TSchVG: § 1, § 15a

Sowohl der gemeinsame Vertreter nach § 15a TSchVG als auch der Kurator nach § 1 TSchVG sind – wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt – Vertreter der Anleihegläubiger. Ebenso wie die Bestellung des Kurators dient jene des gemeinsamen Vertreters (auch) dem Interesse der Anleihegläubiger an einer möglichst effektiven Durchsetzung ihrer Rechte. Der Kurator nach § 1 TSchVG nimmt dieses Interesse primär hinsichtlich der schuldrechtlichen Ansprüche der Gläubiger wahr, der gemeinsame Vertreter nach § 15a TSchVG nur iZm dem Pfandrecht. Die Stellung des gemeinsamen Vertreters iSd § 15a TSchVG weist also deutliche Züge einer Kuratel auf, sodass auch bei der „Auswahl“ des gemeinsamen Vertreters die Grundsätze des „allgemeinen Kuratelsrechts“ (zumindest sinngemäß) heranzuziehen sind (wie dies für den Kurator nach § 1 TSchVG in § 6 TSchVG ausdrücklich angeordnet ist [„nach den allgemeinen Vorschriften, welche sich auf Kuratoren beziehen“]).

Dem Gericht kommt bei der Auswahl (hier: der Genehmigung) der Person eines Kurators ein weitgehendes Ermessen zu. Nach § 279 ABGB (idgF des 2. ErwSchG) ist bei der Auswahl des Kurators auf die Interessen der vertretenen Person(en) Bedacht zu nehmen; mit der Kuratel dürfen Personen nicht betraut werden, „die eine förderliche Ausübung derselben nicht erwarten lassen“, was insb bei einer möglichen Interessenkollision der Fall sein kann.

Im vorliegenden Fall hegt der OGH keine Bedenken gegen die Versagung der gerichtliche Genehmigung der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger; von einer „willkürlichen“ Versagung der gerichtlichen Genehmigung kann entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberinnen jedenfalls keine Rede sein: Die Bank wurde in der Pfandurkunde gem § 15a TSchVG zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger bestellt, übernahm aber zusätzlich die Rolle der Zahlstelle der Emittentin. Als solche hat sie die Aufgabe, deren Zahlungen an die Anteilsinhaber weiterzuleiten. Sie ist für die Kupon- und Tilgungszahlungen „verantwortlich“, dient als zentrale Stelle für die Durchführung der Zahlungsflüsse und ist dabei nur der Emittentin gegenüber verpflichtet.

OGH 28. 1. 2021, 1 Ob 238/20m

Entscheidung

In den Anleihebedingungen wird diese Verantwortlichkeit der Bank als Zahlstelle allein gegenüber der Emittentin dahin konkretisiert, dass sie ausschließlich als deren Beauftragte tätig wird, keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Anleihegläubigern übernimmt und zu diesen in keinem Vertrags-, Auftrags- oder Treuhandverhältnis steht.

Als „auszahlende Stelle“, die für die Emittentin die Zahlungen an die Inhaber der Wertpapiere „verteilt“, ist sie als deren Erfüllungsgehilfin zwar ermächtigt, Leistungen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten des Anleiheschuldners zu erbringen, eine Erfüllungswirkung gegenüber dem einzelnen Anleihegläubiger tritt nach der Rsp des OGH „regelmäßig“ aber erst mit Gutschrift bei diesem bzw der für ihn tätigen Bank ein (jedenfalls wenn nichts anderes vereinbart ist; vgl aber 9 Ob 81/08i, Rechtsnews 8447 = RdW 2010/148, wo – im Verbandsprozess – eine Klausel als sittenwidrig angesehen wurde, die eine solche Erfüllungswirkung vorsah).

Abgesehen davon, dass sich die Bank aufgrund ihrer gegenüber der Emittentin (wohl entgeltlich) eingegangenen vertraglichen Verpflichtung als Zahlstelle (bei jederzeitiger Möglichkeit zur „Abberufung“ von dieser Funktion) in einem rechtlichen (und wegen der Entgeltlichkeit auch wirtschaftlichen) Verhältnis zu dieser befindet, ergibt sich ein potentieller Interessenkonflikt der Bank in Bezug auf ihre gleichzeitige Rolle als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger aus ihrer Rechtsstellung als Zahlstelle daraus, dass sie durch die zusätzliche Betrauung mit dieser Funktion die Aufgabe der „Zahlungsabwicklung“ wahrnimmt – also der „Verteilung“ der Kupon- und Tilgungszahlungen an die einzelnen (Anleihe-)Gläubiger, die an sich der (Anleihe-)Schuldnerin obliegt –, die Emittentin diese Funktion also an sie „ausgelagert“ hat. Damit wird die Bank funktionell – als Erfüllungsgehilfin – in den Aufgabenbereich der Anleiheschuldnerin eingebunden, wodurch sie in ein besonderes Naheverhältnis zu ihr tritt. Aus dieser Nahebeziehung ergibt sich die Gefahr, dass die Bank die in ihrer Person zusammenfallenden Pflichten zur Wahrung einerseits der Interessen der Anleiheschuldnerin (als Zahlstelle) und andererseits jener der Anleihegläubiger (als gemeinsame Vertreterin gem § 15a TSchVG) nicht immer streng zu trennen vermag – auch wenn diese Pflichten jeweils unterschiedliche Aufgabenbereiche betreffen – und sie sich auch in ihrer Funktion als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger (in der sie deren Rechte als Hypothekargläubiger auch gegenüber der Emittentin als Pfandbestellerin zu vertreten hat) nicht allein von deren Interessen leiten lässt – wie eine von der Emittentin gänzlich unabhängige Person – , sondern (auch) von den gegenläufigen Interessen der Emittentin.

Dass die Vorinstanzen die gerichtliche Genehmigung der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger verweigert haben, ist somit – auch angesichts des weiten Beurteilungsspielraums bei der Prüfung, ob von ihrer Person eine „förderliche Ausübung ihrer Funktion (als gemeinsame Vertreterin der Anleiheinhaber) zu erwarten ist“ – nicht zu beanstanden. Von einer „willkürlichen“ Versagung der gerichtlichen Genehmigung kann entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberinnen jedenfalls keine Rede sein.

Dem Argument, die Anleihegläubiger hätten der Bestellung der Bank zur gemeinsamen Vertreterin „gesondert“ zugestimmt (also nicht nur durch Zeichnung der Anleihe), hält der OGH entgegen, dass eine Mitbestimmung der Anleihegläubiger bei der „Auswahl“ der Person des gemeinsamen Vertreters im TSchVG nicht vorgesehen ist und dass eine solche Zustimmung überdies keine Wirksamkeit für etwaige Rechtsnachfolger der Anleihegläubiger entfalten könnte, weil bei der Prüfung der Eignung der Person des gemeinsamen Vertreters auch die Interessen künftiger (allenfalls unbekannter) Inhaber der Wertpapiere zu berücksichtigen sind, auf deren Wahrnehmung durch einen eingeschränkten Kreis an (bekannten) Anleihegläubiger nicht verzichtet werden kann (ohne den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30717 vom 08.04.2021