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COVID-19: Betriebsausfallversicherung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

Nach Art 1.1.1 der Bedingungen F 472 muss der Betrieb von der zuständigen Behörde nach dem EpiG (in der letztgültigen Fassung) zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen worden sein. Die Kl begründet die Leistungspflicht der Bekl ausschließlich damit, dass ihr Hotelbetrieb aufgrund der Verordnungen des BMSGPK nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz nicht betreten werden durfte; auf eine konkret nach dem EpiG angeordnete behördliche Schließung ihres Betriebs beruft sie sich hingegen nicht. Zur identen Bedingung hat der OGH bereits in der E 7 Ob 214/20a, RdW 2021/284, festgehalten, dass während eines derartigen Betretungsverbots keine Versicherungsleistung zusteht.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass am 8. 4. 2020 an drei Mitarbeiter der Kl Absonderungsbescheide ergingen. Auch wenn die Absonderung einzelner Mitarbeiter auf dem EpiG gründet, stellt sie schon begrifflich keine behördlich angeordnete Betriebsschließung dar, die Voraussetzung für die Deckungspflicht wäre. Überdies steht die Absonderung – wie auch eine Erkrankung – einzelner Mitarbeiter der Fortführung des Betriebs im Allgemeinen nicht entgegen, ist doch auch etwa ein Rückgriff auf Leiharbeitskräfte denkbar. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird daher einen absonderungs- oder krankheitsbedingten Ausfall von einzelnen Mitarbeitern keinem behördlich angeordneten Betriebsstillstand gleichsetzen. Darauf, ob sich ein Absonderungsbescheid betreffend einzelner Mitarbeiter faktisch wie eine Betriebsschließung auswirkt, kommt es gleichfalls nicht an.

OGH 26. 5. 2021, 7 Ob 88/21y

Entscheidung

Eine behördliche Anordnung einer Betriebsschließung kann auch nicht aus dem Vorbringen der Kl abgeleitet werden, wonach die drei abgesonderten Dienstnehmer im versicherten Hotelbetrieb bzw im gegenüberliegenden Wohnhaus wohnten, der Hotelbetrieb und das Mitarbeiterwohnhaus eine organisatorische Einheit bilden und eine Mitarbeiterin anlässlich der Absonderung vom zuständigen Sachbearbeiter der BH telefonisch angewiesen worden sei, dass jene Mitarbeiter zu Hause bleiben müssten, die nicht von den Absonderungsbescheiden umfasst waren, und niemand außer den abgesonderten Personen das Hotel und das Mitarbeiterwohnhaus betreten dürfe.

Auch unter diesen Voraussetzungen liegt keine Anordnung einer Betriebsschließung vor - und zwar weder durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt noch durch Erlassung eines telefonischen Bescheids:

Abgesehen davon, dass die behauptete Anweisung nicht gegenüber der Kl erging (sondern an eine einzelne abgesonderte Mitarbeiterin, die auch gar nicht Organ der Kl ist), wies sie auch sonst keine der Voraussetzungen der Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt auf.

Eine Bescheiderlassung gemäß § 62 Abs 1 AVG setzt die Bescheidverkündung in Gegenwart (physischer Anwesenheit) der Partei voraus (VwGH Ro 2020/01/0007 mwzN, Rechtsnews 29888). Im EpiG wurde erst mit § 46 EpiG die Möglichkeit eingeführt, die dort genannten Bescheide unter den konkret angeführten Voraussetzungen auch telefonisch erlassen zu können (vgl BGBl I 2020/43; in Kraft getreten mit 15. 5. 2020). Abgesehen davon, dass diese Möglichkeit nicht für die Anordnung der Betriebsschließung eingeräumt wird, erfolgte die hier behauptete telefonische Bescheidverkündung auch vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung.

Die vorgebrachte telefonische Bescheidverkündung, die auch nicht gegenüber der Kl erfolgte, war somit bereits formal unzulässig und konnte keine Rechtswirkungen erzeugen (vgl VwGH 88/03/0150). Bereits aus den Behauptungen der Kl lässt sich keine wirksame verwaltungsbehördliche Anordnung einer Betriebsschließung ihr gegenüber ableiten. Eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage ist daher nicht erforderlich.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31228 vom 23.07.2021