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Vergabe: COVID-19-Tests – Erweiterung der Testkapazitäten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2018: § 37

Gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 kann ein Dienstleistungsauftrag in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn „äußerst dringliche, zwingende Gründe“ vorliegen, die „nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, iZm Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte,“ und diese Gründe es nicht zulassen, die Fristen einzuhalten, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem Verhandlungsverfahren gem § 34 BVergG 2018 vorgeschrieben sind.

Für ein Verhandlungsverfahren ist nach § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 keine Mindestteilnehmeranzahl vorgesehen. Ob die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Unternehmer gestützt auf § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 in jedem Fall zulässig ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben: Das VwG hat nämlich fallbezogen angesichts der konkreten zeitlichen Parameter im gegenständlichen Fall die Zulässigkeit im Ergebnis zu Recht bejaht („Überbrückungsauftrag“, weil ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nicht innerhalb von drei Tagen umgesetzt werden konnte: Ausweitung der Testkapazitäten um mehr als 100 % aufgrund zweier Verordnungen Anfang Februar 2021, die binnen weniger Tage in Kraft traten).

VwGH 16. 12. 2022, Ro 2021/04/0028

Entscheidung

Im vorliegenden Fall ist nicht zu beanstanden, dass das VwG davon ausging, dass die Kundmachung der beiden Verordnungen und die dadurch bedingte Ausweitung des Bedarfs nach Testkapazitäten (um mehr als 100 %) für den Auftraggeber unvorhersehbar waren. Bezogen auf den hier allein maßgeblichen Leistungsgegenstand ist auch nicht ersichtlich, dass die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründet haben, einem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben waren bzw den Auftraggeber ein Verschulden am Entstehen des äußerst dringlichen, zwingenden Bedarfs getroffen hat. Zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis (Erhöhung des Bedarfs durch die beiden Verordnungen) und dem dringlichen, zwingenden Grund (rasche Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Testangebot) bestand auch ein Kausalzusammenhang.

Schließlich ist das VwG zu Recht davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom dringlichen, zwingenden Grund Anfang Februar 2021 für eine benötigte Leistungserbringung ab Inkrafttreten der Verordnungen am 8. bzw 10. 2. 2021 die Einhaltung der Fristen nicht mehr möglich gewesen wäre, die für ein (und sei es auch beschleunigtes) Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung vorgeschrieben sind. An dieser Einschätzung würde sich auch nichts ändern, wenn man vom Vorliegen eines besonderen Dienstleistungsauftrags iSd § 151 Abs 1 BVergG 2018 ausginge, weil (auch ohne Anwendung der Fristenregelungen der §§ 70 bis 77 BVergG 2018) gem § 68 BVergG 2018 jedenfalls eine angemessene Frist festzulegen und bei einer Auftragsvergabe im Oberschwellenbereich (wie hier) gem § 151 Abs 8 BVergG 2018 die (zumindest zehntägige) Stillhaltefrist einzuhalten gewesen wäre.

Im Hinblick auf die Beschränkung der Beschaffung im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 auf das unmittelbar Erforderliche (vgl die ErläutRV 69 BlgNR 26. GP 67) hat das VwG auch zutreffend berücksichtigt, dass die gegenständliche Auftragsvergabe nur der Überbrückung bis zum Abschluss eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung dienen sollte (das am 11. 2. 2021 eingeleitet wurde).

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass das VwG die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 fallbezogen als gegeben ansah.

Dabei ist zu bedenken, dass die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit mehreren Unternehmern - selbst ohne vorherige Markterkundung durch den Auftraggeber - jedenfalls die Festlegung von Zuschlagskriterien und die Durchführung (zumindest) einer Bewertungsrunde erfordern würde und dies in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zur Dringlichkeit stünde, die eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Verfahrens darstellt. Im vorliegenden Fall hätte die Auftraggeberin zudem die Eignung der Revisionswerberin vorab prüfen müssen. Dass die Vornahme dieser Schritte innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit möglich gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen und ist für den VwGH auch nicht ersichtlich.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33789 vom 16.03.2023