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BFG zur Verteilung von Pensionsabfindungen nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG

Bearbeiter: Nicholas Pacher

EStG: § 32 Abs 1 Z 1, § 37 Abs 2 Z 2

BAO: § 295 Abs 3, § 295a, § 303 Abs 1

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, ob nur für das Jahr des Zuflusses einer Pensionsabfindung über die Zulässigkeit einer Dreijahresverteilung iSd § 37 Abs 2 Z 2 iVm § 32 Abs 1 Z 1 EStG abgesprochen werden kann, oder auch für eines der von dieser Verteilung gegebenenfalls betroffenen Folgejahre. Das Gericht folgte der erstgenannten Ansicht und bejahte ein grundlagenbescheidähnliches Bindungsverhältnis zwischen dem Einkommensteuerbescheid für das Zuflussjahr und den Bescheiden für beide Folgejahre.

BFG 20.  1. 2023, RV/3100552/2021

Sachverhalt

Der Bf bezog anlässlich der pensionsbedingten Auflösung eines Dienstverhältnisses im Kalenderjahr 2019 eine Pensionsabfindung in Höhe von 99.967,00 €. Im Abschnitt „Beilagen“ seiner in Papierform eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019, allerdings außerhalb der vorgesehenen Felder, vermerkte er handschriftlich: „2 Beilagen: Ansuchen + Bestätigung“. In der ersten Beilage beantragte der Bf, die Pensionsabfindung auf drei Jahre zu verteilen, „wenn dadurch eine geringere Lohnsteuer anfällt“. In der zweiten Beilage bestätigte die ehemalige Arbeitgeberin die Pensionsabfindung dem Grunde und der Höhe nach.

In der Folge erließ das Finanzamt am 12. 3. 2020 den Einkommensteuerbescheid 2019, in dem der Antrag des Bf auf Dreijahresverteilung der Pensionsabfindung ohne Begründung nicht berücksichtigt wurde. Da gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel eingebracht wurde, erwuchs er in Rechtskraft. Am 22. 3. 2021 reichte der Steuerpflichtige seine in Papierform abgefasste Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 per Post ein und vermerkte im Abschnitt „Beilagen“ außerhalb der vorgesehenen Felder: „2 Beilagen (wie 2019) Ansuchen + Bestätigung“. Am 30. 3. 2021 erließ die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 2020, ohne in der Begründung auf den Antrag einzugehen.

Am 31. 3. 2021 brachte der Bf über FinanzOnline ein Ersuchen um „Berichtigung“ der Arbeitnehmerveranlagungen 2019 und 2020 ein, das vom Finanzamt und BFG als rechtzeitig eingebrachte Beschwerde gegen den Veranlagungsbescheid 2020 angesehen wurde. Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die bezogene Abfindung nicht die Voraussetzungen für eine Dreijahresverteilung erfülle. Daraufhin stellte der Bf einen Vorlageantrag und führte zusammengefasst aus, dass die Pensionsabfindung entgegen der Ansicht des Finanzamts die Voraussetzungen des § 37 Abs 2 Z 2 iVm § 32 Abs 1 Z 1 EStG erfülle.

Entscheidung des BFG

Das Gericht befand, dass die Frage, ob die vom Bf im Jahr 2019 bezogene Pensionsabfindung nach § 37 iVm § 32 EStG verteilungsfähig ist, in einem Beschwerdeverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 nicht streitgegenständlich ist. Die Zulässigkeit einer solchen Progressionsermäßigung könne „nur im Verfahren jenes Jahres geklärt werden, in welchem die Abfindung dem Bf. zugeflossen ist“, also im vorliegenden Fall im Einkommensteuerverfahren 2019. Das Finanzamt habe zu prüfen, ob das Ersuchen des Bf um „Berichtigung“ der Arbeitnehmerveranlagungen 2019 und 2020 vom 31. 3. 2021 hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids 2019 als Antrag auf Wiederaufnahme gem § 303 BAO interpretiert werden kann, und gegebenenfalls mit Bescheid darüber abzusprechen. Würde im Einkommensteuerverfahren 2019 letztlich die Dreijahresverteilung bewilligt werden, wären Einkommensteuerbescheide über die Folgejahre nach § 295 Abs 3 BAO amtswegig abzuändern.

Das Gericht erklärte eine Revision für zulässig, da, soweit für das BFG ersichtlich, Rechtsprechung des VwGHs zur Frage fehle, „ob die Zulässigkeit der Dreijahresverteilung gemäß § 37 Abs. 2 EStG 1988 nur im Verfahren des Wurzeljahres oder auch in den Verfahren der Folgejahre geklärt werden kann“. Soweit ersichtlich wurde aber keine Revision erhoben.

Conclusio

Die Entscheidung des Gerichts überzeugt insoweit, als es eine materielle Bindung zwischen den Einkommensteuerbescheiden für das Jahr, für das die Verteilungsbegünstigung nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG in Anspruch genommen werden kann, und den zwei davon mitbetroffenen Folgejahren annimmt. Dafür spricht zB, dass der VwGH im Hinblick auf die Sofortabsetzung oder Verteilung von Aufwendungen nach § 28 Abs 2 Z 1 EStG 1972 eine Bindungswirkung zwischen den Einkommensteuerbescheiden für das Antragsjahr und den von der Verteilung betroffenen Folgejahren angenommen hat (VwGH 10. 11. 1993, 92/13/0176). Würde man im vorliegenden Fall dagegen eine Bindung verneinen, müsste für alle drei von der Verteilung betroffenen Veranlagungsjahre gesondert und unabhängig voneinander über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG im Antragsjahr abgesprochen werden. Dies könnte zB zur Folge haben, dass eine zulässigerweise beantragte Verteilung im Bescheid über das Antragsjahr rechtswidrig nicht und in den Entscheidungen zu den zwei Folgejahren rechtsrichtig berücksichtigt wird, was eine insgesamt überhöhte Besteuerung der Abfindung als Konsequenz hätte.

Geht man vom Vorliegen einer materiellen Bindung aus, könnten Bescheide über die zwei Folgejahre für den Fall, dass die Verteilungsbegünstigung nach § 37 EStG für das Jahr 2019 gewährt wird, wohl gem § 295 Abs 3 BAO abgeändert werden (vgl nochmals VwGH 10. 11. 1993, 92/13/0176; Ritz/Koran, BAO7 § 295 Rz 17). Aus der Judikatur des VfGH ließe sich ebenso auf die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO schließen (vgl VfGH 6. 12. 1990, B 783/89; Ritz/Koran, BAO7 § 303 Rz 41 f). Es ist jedoch zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Durchbrechung der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2019 möglich ist. Eine antragsbedingte wie auch amtswegige Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2019 wird am Mangel an für die Behörde und/oder Partei neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismitteln scheitern. Aufgrund des Ablaufes der Einjahresfrist nach § 302 Abs 1 BAO zum Zeitpunkt der Einreichung der „Beschwerde“ des Bf wäre auch eine Aufhebung nach § 299 BAO nicht mehr in Betracht gekommen.

Womöglich könnte der Bf aber selbst nach der vorliegenden Entscheidung noch eine Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2019 nach § 295a BAO erreichen. Denn es ist durchaus zweifelhaft, ob sein Anbringen in der Einkommensteuererklärung 2019 zulässig war. So begehrte er die Verteilung der Abfindung unter der Bedingung, dass „dadurch eine geringere Lohnsteuer anfällt“. Falls der Bf hiermit meinte, dass er die Verteilung nur beantragt, wenn die Steuerwirkung dieser Option vorteilhafter ist als deren Nichtausübung, läge ein bedingter Antrag vor, der nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl zB VwGH 7. 6. 2001, 2001/16/0016 und mwN Ritz/Koran, BAO7 § 85 Rz 3). Dies ist dann nicht der Fall, wenn „die Prozesshandlung von einem bestimmten, im Verfahrensverlauf eintretenden Ereignis abhängig gemacht wird, ohne dass hiedurch ein dem Verfahren abträglicher Schwebezustand herbeigeführt wird“ (VwGH 10. 3. 2016, Ra 2015/15/0041). Gerade einen solchen Schwebezustand hätte der Antrag des Bf aber bewirkt, kann doch ein Vorteilhaftigkeitsvergleich einer Verteilung der Abfindung auf drei Jahre versus die Sofortversteuerung im Jahr 2019 frühestens nach Ablauf der von der Verteilung gegebenenfalls betroffenen Jahre vorgenommen werden. Hätte das Finanzamt dem Antrag Rechnung tragen wollen, hätte es den Einkommensteuerbescheid 2019 also nicht bereits am 12. 3. 2020, sondern frühestens im Jahr 2022 erlassen dürfen.

Unzulässige bedingte Anträge sind zurückzuweisen (vgl Stoll, BAO 853), was für den vorliegenden Fall die Frage aufwirft, ob der Bf einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG selbst nach Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids 2019 noch wirksam stellen könnte. Im Schrifttum, von der Finanzverwaltung und vom VwGH wird offenbar vertreten, dass das Antragsrecht nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG mit dem Eintritt der „Rechtskraft“ des Einkommensteuerbescheids für das Jahr, für das der Antrag zu stellen wäre, befristet ist (vgl Kanduth-Kristen in Jakom15 § 37 Rz 56; Fragner/Seebacher, SWK 2016, 1050; VwGH 31. 1. 2019, Ro 2018/15/0008; EStR 2000 Rz 7393). Eine derartige Befristung ist zB für Anträge nach § 1 Abs 4 EStG explizit gesetzlich angeordnet, nicht aber für den streitgegenständlichen Antrag. Auch die einschlägigen Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis auf eine Befristung (vgl ErläutRV 72 BlgNR 20. GP 265 f). Sie erschließt sich auch nicht aus dem Zweck der Verteilungsbegünstigung als Progressionsermäßigung. Selbst wenn eine implizite Frist anzunehmen ist, wirkt es bedenklich, hierbei auf den Eintritt des rechtlich äußerst unbestimmten Begriffs der „Rechtskraft“ abzustellen. Dieser würde unweigerlich Folgefragen aufwerfen, zB ob die angenommene Frist bei Durchbrechung der „Rechtskraft“ von neuem zu laufen beginnt. Schließlich erscheint es bedenklich, wenn ein Steuerpflichtiger aufgrund einer ihm oder der Behörde zuschreibbaren Verschleppung des Veranlagungsverfahrens bis nach Ablauf des Dreijahreszeitraums eine steueroptimale Entscheidung hinsichtlich der Verteilungsoption treffen kann, während das Veranlagungsverfahren eines anderen Steuerpflichtigen effizient und schnell abgeschlossen und dieser durch den früheren Eintritt der Rechtskraft und den Ausschluss des Antragsrechts nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG effektiv benachteiligt wird.

Ist für den Antrag nach § 37 Abs 2 Z 2 EStG keine besondere Frist anzunehmen, kommt er selbst bei Stellung nach Eintritt der Rechtskraft des über das Zuflussjahr absprechenden Einkommensteuerbescheids als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO in Betracht. Im vorliegenden Fall könnte dann der Einkommensteuerbescheid 2019 – aber auch Bescheide betreffend die anderen von der Verteilung betroffenen Jahre 2020 und 2021 – nach § 295a BAO abgeändert werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34059 vom 24.05.2023