Wirtschaftsrecht

Die strafrechtlichen Gefahren der Anlageberatung - Betrug und Untreue?

Dr. Thomas Kainz, LL. M.

Die aktuellen Strafverfahren rund um die Meinl Bank, die ehemalige Constantia Privatbank oder den AvW zeigen, dass Anlageberater zunehmend Gefahr laufen, sich auch strafrechtlich für ihre Tätigkeit verantworten zu müssen. Der folgende Beitrag untersucht dieses Risiko und veranschaulicht, welche Verhaltensweisen des Anlageberaters und des Wertpapierdienstleisters allgemein die Begehung eines Betruges iSd § 146 StGB oder einer Untreue iSd § 153 StGB bedeuten können.

1. Einleitung

Das neue Wertpapieraufsichtsgesetz 20071 hat die Sorgfaltspflichten von Wertpapierdienstleistern - und damit insb auch von Anlageberatern und Vermögensverwaltern - deutlich verschärft. Die Gefahren, aufgrund einer fehlerhaften Anlageberatung zivilrechtlich in Anspruch genommen zu werden, hat die Literatur bereits umfassend behandelt.2 Auch das HG Wien hat in zwei jüngsten Entscheidungen verdeutlicht, dass an das Verhalten eines Anlageberaters hohe Maßstäbe anzulegen sind und dieser jedenfalls ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Anlegers zu handeln hat, widrigenfalls er sich schadenersatzpflichtig macht.3 Das OLG Wien bestätigte diese Ansicht.4 Mit seiner Tätigkeit geht der Anlageberater jedoch nicht nur das Risiko ein, zivilrechtlich belangt zu werden, sondern auch, sich aufgrund seines Verhaltens vor den Strafbehörden verantworten zu müssen. In Betracht kommt dabei insb die Begehung eines Betruges nach § 146 StGB oder einer Untreue nach § 153 StGB.


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2. Die Gefahr des "Anlegerbetruges" nach § 146 StGB

2.1. Tatbestand des "Anlegerbetruges"

In Entsprechung des § 146 StGB macht sich ein Anlageberater eines "Anlegerbetruges" strafbar, wenn er einen Anleger mit dem Vorsatz, durch dessen Verhalten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, welche den Anleger oder einen anderen am Vermögen schädigt.

2.2. Welche Täuschungshandlungen kommen in Betracht?

2.2.1. Unrichtige Zusagen

Um eine Täuschungshandlung zu setzen, muss der Anlageberater durch Abgabe einer unwahren Erklärung gegenüber dem Anleger5 auf dessen intellektuelles Vorstellungsbild einwirken. Als Täuschungshandlungen kommen dabei insb bestimmte Zusagen über die Verwendung der vom Anleger eingebrachten Geldmittel - dh den Anlagezweck oder ein "Anlagemodell" -, über den tatsächlichen oder künftigen Wert des Investments sowie über dessen Risiko in Betracht. Solche Zusagen können bspw sein:

-Das vom Anleger einbezahlte Kapital werde in den Bau oder Erwerb von Immobilien investiert, obwohl der Anlageberater dieses Geld für eigene Kreditrückzahlungen verwendet;
-die Einlage des Anlegers werde in eine Beteiligungsgesellschaft investiert, obgleich die Geldmittel im Rahmen eines "Schneeballsystems" einem anderen Anleger als Rendite ausbezahlt werden;
-der derzeitige Wert einer Aktie sei "erheblich zu niedrig", dessen "innerer Wert" sei "in Wahrheit viel höher" oder dessen Kurs werde "in Kürze steigen" bzw "in absehbarer Zeit nicht fallen";
-das zu kaufende Wertpapier sei "mündelsicher", "risikoarm" oder würde "nur Gewinne bringen".

2.2.2. Unterlassene Aufklärung

Als Täuschungshandlung kommt jedoch auch eine unterlassene Aufklärung durch den Anlageberater, wie etwa über den effektiven Wert oder das vorliegende Risiko eines Wertpapiers, in Betracht. So kann der Anlageberater eine Täuschung begehen, wenn er den Anleger über ein bestimmtes Transaktionssystem, nach welchem der Kurs der Aktie künstlich hoch gehalten wird, nicht informiert oder auf ein bestehendes Risiko des Wertpapiers - bspw durch eine drohende Illiquidität des Emittenten - nicht hinweist. Hierbei muss der Anlageberater jedoch Garantenstellung besitzen, dh ihn muss eine Pflicht zur Aufklärung des Anlegers treffen. Eine derartige Garantenstellung wird sich regelmäßig aus den §§ 38 ff WAG ergeben, wonach der Anlageberater ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Anlegers zu handeln und zu beraten hat. Um als Täuschungshandlung iSd § 146 StGB zu gelten, muss eine unterlassene Aufklärung nach der Lehre einer aktiven Täuschung gleichwertig sein, dh die Unterlassung der Aufklärung muss gerade den Sinn der aktiven Täuschungshandlung haben.6 ME wird eine unterlassene Aufklärung über den wahren Wert oder das tatsächliche Risiko einer Aktie der aktiven Äußerung, die Aktie sei werthaltig und mit keinen besonderen Risiken verbunden, regelmäßig gleichgehalten werden müssen.

2.3. Vermögensverfügung

Wird ein Anleger über die Qualität eines bestimmten Investments getäuscht und erwirbt er dieses daraufhin, mindert er mit Bezahlung der geschuldeten Anlagesumme unmittelbar sein Vermögen. Eine Vermögensverfügung liegt in solchen Fällen zweifelsfrei vor. Etwas schwieriger ist die Situation zu bewerten, wenn der Investor bereits Wertpapiere besitzt, diese jedoch aufgrund der Täuschung - bspw über den Wert oder die prognostizierte Entwicklung des Papiers - nicht verkauft. Hier tätigt der Anleger gerade keine Zahlung, er unterlässt vielmehr die Auszahlung seiner bereits früher geleisteten Einlage - samt etwaigem Gewinn. Hierzu ist auszuführen, dass eine Vermögensverfügung keine aktive Handlung erfordert, sondern die Verfügung auch in einer Duldung oder einer Unterlassung liegen kann, die auf das Vermögen des Getäuschten oder eines Dritten einwirkt.7 Davon ausgehend gebietet es sich mE nach, auch in solchen Konstellationen eine Vermögensverfügung anzunehmen, in welchen der Anleger seine Wertpapiere vor der Beratung verkaufen wollte, dies jedoch sodann aufgrund der Täuschungshandlung unterlassen hat. Der unterbliebene Verkauf wirkt sich gleichsam auf das Vermögen des Anlegers aus, indem es der Anleger (vorerst) unterlässt, seinen Auszahlungsanspruch geltend zu machen und sein Kapital - samt etwaigem Gewinn - abzuziehen.8

2.4. Vermögensschaden

2.4.1. Wann tritt der Vermögensschaden ein?

Das in der Strafbarkeitspraxis des Betruges mitunter wohl komplexeste Element des objektiven Tatbestandes ist der Vermögensschaden. Schrifttum und Judikatur scheinen nicht immer eins, wann bei einem Anleger der Vermögensschaden eintritt. Einigkeit besteht, dass ein Vermögensschaden jedenfalls ab dem Zeitpunkt vorliegt, zu welchem der Anleger sein Wertpapier verkauft hat. Jedenfalls dann hat sich der Schaden als Delta aus der Vermögenssituation vor dem Erwerb (bzw dem beabsichtigten Verkauf) und nach der Veräußerung im Vermögen des Anlegers manifestiert und ist damit bezifferbar.

2.4.2. Schadenseintritt mit Erwerb der Anlage?

Es gibt jedoch auch Stimmen in der Lit9, die den Eintritt des Vermögensschadens vorverlagert sehen und diesen bereits mit dem Erwerb der risikoreicheren bzw der ungewünschten Anlage annehmen. Auch die Rsp10 scheint diesem - mE richtigen - Ansatz nunmehr durchaus zugeneigt. Die deutsche Jud vertritt diese Auffassung mittlerweile in stRsp.11 Dieser Ansicht liegt folgende


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Überlegung zugrunde: Das StGB geht in § 146 von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff aus.12 Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ist sohin nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen.13 Ein Vermögensschaden iSd § 146 StGB liegt demnach vor, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt, der Vermögensverfügung sohin kein entsprechendes Äquivalent14 gegenübersteht. Ein mangelndes Äquivalent erhält der Anleger dann, wenn ihm ein Produkt mit einem höheren als dem vereinbarten Risiko oder mit einem geringeren als dem zugesicherten Wert verkauft wird. Ebenso steht es, wenn die Kapitaleinlage des Anlegers nicht dem zugesagten Anlagezweck zugeführt wird, der Anleger also über das "Anlagemodell" getäuscht wird. Wird dem Anleger bspw erklärt, sein Kapital werde vom Emittenten in Immobilien investiert, und wird das Geld tatsächlich im Rahmen eines "Schneeballsystems" an einen Dritten als Rendite ausbezahlt, so erhält der Anleger für seine Einlage nicht den vereinbarten, sondern einen um den Wert "Investition in Immobilien" verringerten und sohin inäquivalenten Minderwert. Der Anleger erhält ein vertraglich nicht vereinbartes aliud. Die Äquivalenzstörung liegt hierbei zugleich in dem erhöhten Risiko, welches die Anlage aufgrund des tatsächlichen Anlagezwecks aufweist und welches mit dem Anleger nicht vereinbart war.

2.4.3. Schadenseintritt mit unterlassenem Verkauf der Anlage?

Noch diffiziler gestaltet sich die Situation, wenn der Anleger keine Wertpapiere erwirbt, sondern aufgrund des Ratschlages des Anlageberaters von einer Veräußerung Abstand nimmt. Der Anleger leistet in diesen Fällen keine Einzahlung, wodurch er nicht unmittelbar einen Vermögensverlust erleidet. Nicht übersehen werden darf bei diesen Fallgruppen jedoch, dass der Anleger gerade aufgrund der Täuschung sein Geld nicht abzieht, sohin täuschungsbedingt eine in Wahrheit risikoreichere bzw nicht vereinbarte Anlage behält. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bildet das sich im Portfolio befindliche Wertpapier kein Äquivalent mehr zu dem Vermögenswert, den der Anleger mangels Auszahlung beim Anlageberater belässt. ME stellt sohin auch die in solchen Konstellationen unterlassene Geltendmachung des Auszahlungsanspruches einen Vermögensschaden dar.

2.5. Vorsatz

2.5.1. Die Probleme in der Praxis

Der Tätervorsatz ist jenes Element des § 146 StGB, an welchem die Strafbehörden in der Praxis oftmals scheitern. Dies hat seine Ursache nicht zuletzt darin, dass § 146 StGB einen Vorsatz sowohl hinsichtlich der Täuschung als auch in Bezug auf die Schädigung und die Bereicherung verlangt.

2.5.2. Täuschungsvorsatz

Der Anlageberater muss seinen Täuschungsvorsatz darauf richten, beim Anleger durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum hervorzurufen.15 In der Praxis wird ein Anleger wohl zumeist durch unzutreffende Informationen über das Wertpapier - sei es in einem Beratungsgespräch, dem Verkaufsfolder oder dem Emissionsprospekt - oder durch eine unzureichende bzw unterlassene Aufklärung über dessen Eigenschaften oder Entwicklungen einem Irrtum unterliegen. Der Irrtum kann jedoch auch bspw durch eine unterlassene oder unrichtige Darstellung des "Anlagemodells" entstehen.

2.5.3. Schädigungsvorsatz

Probleme ergeben sich in der Strafbarkeitspraxis insb auch im Zusammenhang mit dem Nachweis eines Schädigungsvorsatzes. So verlangt die herrschende Judikatur derzeit (noch) einen Vorsatz in Bezug auf den tatsächlich eingetretenen Vermögensschaden. ME scheint es jedoch ausreichend,16 dass der Vorsatz allein auf die durch den Kauf der Anlage entstehende Gefährdung des Rückzahlungsanspruches gerichtet ist. Die Billigung eines etwaigen Endschadens kann demnach kein Vorsatzerfordernis sein. In diesem Sinne hat es auch unerheblich zu sein, ob der Anlageberater davon ausgeht, dass der Anleger seine Einlage - samt etwaigem Gewinn - zurückerhalten werde. Auch der BGH folgt dieser Ansicht.17

2.5.4. Bereicherungsvorsatz

Dagegen wird der Nachweis eines Bereicherungsvorsatzes zumeist einfacher sein, da der Vorsatz nicht auf die Bereicherung des Täters selbst, sondern auch auf die Bereicherung eines Dritten gerichtet sein kann. Unter einer Bereicherung versteht die Literatur jede faktische Vermehrung der Aktiven, Verringerung der Passiven und Ersparnis von Aufwendungen, wenn auch nur vorübergehend und gleichgültig, ob rechtswirksam.18 In der Praxis wird sich eine Bereicherung des Anlageberaters oftmals aus Retrozessionen ergeben, welche dieser von den Emittenten oder von Dritten für den Verkauf ihrer Wertpapiere erhält. Zu denken ist aber auch an die Wertsteigerung und sohin die Vermögensvermehrung des Emittenten, welche der Anlageberater durch den Verkauf des Wertpapiers bewirkt. Auch diese Bereicherung kann bisweilen vom Vorsatz umfasst sein. Hält ein Anlageberater selbst Wertpapiere des Emittenten und profitiert dieser sohin indirekt auch selbst von den Verkäufen der Papiere und dem damit bewirkten Kursanstieg, kann auch dieser Umstand einen Bereicherungsvorsatz indizieren.

3. Die Gefahr der Untreue nach § 153 StGB

3.1. Tatbestand der Untreue

Eine Untreue gem § 153 StGB begeht, wer eine ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Der Täter muss sich als Inhaber einer nach außen wirksam gewährten Verfügungsmacht bewusst über die im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzen, also im Rahmen seines rechtlichen Könnens gegen sein rechtliches Dürfen verstoßen.19


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3.2. Befugnis zur Vermögensverfügung

3.2.1. Wem kommt die Befugnis zu?

Im Zusammenhang mit der Verfügungsbefugnis stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen: Erstens, kommt dem Anlageberater eine Vermögensverfügungsbefugnis zu und wenn nicht, welchen anderen Wertpapierdienstleistern? Und zweitens, welchen konkreten Mitarbeitern wird diese Befugnis - und damit das Risiko, sich einer Untreue strafbar zu machen - zuteil?

3.2.2. Verfügungsbefugnis bei Vermögensverwaltern

Zur ersten Frage ist anzumerken, dass einem Wertpapierdienstleister eine Vermögensverfügungsbefugnis regelmäßig durch Rechtsgeschäft eingeräumt werden wird. In Betracht kommt dabei insb ein rechtsgeschäftlicher Auftrag des Anlegers an den Wertpapierdienstleister, das eingelegte Geld im Rahmen einer Vermögensverwaltung zu betreuen. Dem Wertpapierdienstleister wird hiermit die Befugnis eingeräumt, über das Vermögen des Investors zu Anlagezwecken zu verfügen. In der Praxis erfolgt die Einräumung dieser Verfügungsbefugnis durch Unterfertigung des Vermögensverwaltungsvertrages.

3.2.3. Verfügungsbefugnis bei Anlageberatern und Depotbanken

Fraglich ist, ob dem Wertpapierdienstleister eine Verfügungsbefugnis auch dann eingeräumt wird, wenn dieser lediglich als Anlageberater oder als reine Depotbank tätig wird. Als Rechtsgeschäft käme hier der jeweilige Vermögensberatungs- bzw Depoteröffnungsvertrag in Betracht.

Hierzu ist vorauszuschicken, dass nach dem OGH die dem Täter eingeräumte Befugnis wenigstens ein Minimum rechtlicher Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht über fremdes Vermögen enthalten muss. Ermächtigungen zu bloß faktischen Tätigkeiten scheiden nach der Rsp aus.20 Unter dieser Prämisse ist es zu bezweifeln, dass bloße Anlageberater mit einer Vermögensverfügungsmacht ausgestattet sind. Diese sind vielmehr ausschließlich - wenn auch gegenüber dem Anleger - mit einer faktischen Beratungstätigkeit mandatiert. Hingegen wird man bei einer Depottätigkeit mE idR eine Ermächtigung zur Vermögensverfügung erblicken können, da der Wertpapierdienstleister auch als reine Depotbank gerade die Möglichkeit erhält, über das Vermögen des Anlegers - wenn auch im Innenverhältnis beschränkt - zu verfügen. So liegt das Wesen der Depotbank gerade in der Befugnis, Wertpapiere in das Depot ein- und auszuliefern bzw vice versa Kundengelder vom Wertpapierkonto abzubuchen oder diesem gutzuschreiben.21 Der Depotbank wird mit Unterzeichnung des Depot- und Kontoeröffnungsantrages sohin grundsätzlich eine Verfügungsbefugnis eingeräumt. Eine in der reinen Kontrolle von Zahlungseingängen und deren Verbuchung liegende Aufgabe begründet nach der Rsp hingegen keine Befugnis iSd § 153 StGB,22 sodass bei einer rein kontoführenden Bank die Einräumung einer Verfügungsbefugnis zu verneinen sein wird. Da eine Untreue bei reinen Anlageberatern sohin bereits mangels Verfügungsbefugnis ausscheidet, wird die Untreue in der Folge bei der Wertpapierdienstleistung der Vermögensverwaltung (bzw Depottätigkeit) untersucht.

3.2.4. Adressaten der Verfügungsbefugnis

In der Praxis übernimmt zumeist eine juristische Person die Vermögensverwaltungs- und Depottätigkeit, während die Vermögensverfügungsbefugnis und damit das Begehen der Untreue bei den dahinterstehenden natürlichen Personen geprüft werden. Die zweite Frage zielt daher auf die Problemstellung ab, welchen konkreten Mitarbeitern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens der Kunde mit seinem Vermögensbetreuungsmandat eine Vermögensverfügungsbefugnis einräumt. Ist dies nur der gerade zuständige Kundenbetreuer? Sind dies evtl dessen direkte Vorgesetzte? Vielleicht der Vorstand, die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat oder gar sämtliche Mitarbeiter des Instituts? Diese Frage ist insofern von Bedeutung, da nur diese Personen Gefahr laufen, sich als unmittelbare Täter nach § 153 StGB letztlich verantworten zu müssen.

Ob einem Mitarbeiter eine entsprechende Vermögensverfügungsbefugnis eingeräumt wird, hängt von zweierlei Umständen ab: Der konkreten vertraglichen Kundenvereinbarung sowie den bankinternen Kompetenzvorschriften.23 Wird eine Bank bspw als Vermögensverwalter tätig, so erhält der Kundenbetreuer, der mit dem Anleger den Vermögensverwaltungsvertrag unterzeichnet, auch damit Verfügungsmacht, wenn er bankintern tatsächlich befugt ist, die entsprechenden Wertpapiertransaktionen vorzunehmen. Kommt es nach den bankinternen Kompetenzvorschriften hingegen gar nicht in Betracht, dass der Kundenbetreuer über das Vermögen des Anlegers verfügt - sei es, dass der Betreuer nicht für den Bereich der Vermögensverwaltung zuständig oder aufgrund seiner hierarchischen Stellung zur Vornahme derartiger Geschäfte nicht befugt ist - hat dieser auch keine Verfügungsmacht iSd § 153 StGB. Neben dem zuständigen Kundenbetreuer muss man auch bei dessen unmittelbaren Vorgesetzten, denen die Kontrolle und letztendliche Durchsetzung der Vermögensverwaltung zukommt, sowie sämtlichen bankintern tatsächlich mit der Abwicklung der Vermögensverwaltung beauftragten Mitarbeitern eine Vermögensverfügungsbefugnis annehmen. Darüber hinaus wird mE auch bei den Vorständen und Geschäftsführern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, aufgrund deren verantwortlicher Stellung, eine Vermögensverfügungsbefugnis zu bejahen sein.

3.3. Missbrauch der Verfügungsmacht

3.3.1. Verfügungen entgegen den Vermögensverwaltungsvertrag

Die Tathandlung des § 153 StGB liegt in einer missbräuchlichen Vornahme oder Unterlassung eines Rechtsgeschäftes oder einer sonstigen Rechtshandlung.24 In Betracht kommen dabei insb Geschäfte, welche dem im abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag angegebenen Veranlagungszweck oder Anlagerisiko widersprechen. Wählt der Anleger im Vertrag etwa eine "konservative Vermögensvermehrung" und investiert die vermögensverwaltende Bank sodann in hochspekulative Anleihen, so missbraucht sie damit ihre Verfügungsmacht. In Betracht kommen bspw aber auch Situationen, in welchen der Vermögensverwalter gewisse dauerhafte negative Entwicklungen der im Portfolio gehaltenen Wertpapiere erkennt, dieser einen Verkauf der gefährdeten Wertpapiere jedoch unterlässt. Vice versa missbraucht der Wertpapierdienstleister seine Verfügungsmacht


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auch dann, wenn er de facto wertlose Papiere für den Anleger zukauft. Eine dahin gehende Beschränkung der Verfügungsmacht ergibt sich bereits aus der grundsätzlichen Verpflichtung des Machthabers, dem Machtgeber den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen.25 So missbraucht seine Befugnis nicht nur, wer seinen - ausdrücklichen - Verpflichtungen im Innenverhältnis, sondern auch, wer überhaupt den Grundsätzen redlicher und verantwortungsbewusster, an den Interessen des Geschäftsherrn und an den besonderen Umständen des Falls orientierter Geschäftsführung zuwiderhandelt,26 und wer es pflichtwidrig unterlässt, mit der gebotenen rechtsgestaltenden Kraft die Vermögenslage des Machtgebers zu verbessern.27

3.3.2. Verfügungen entgegen die gewünschte Veranlagungsform

Eine besondere Beschränkung der Verfügungsmacht kann sich auch dadurch ergeben, dass der Kunde eine bestimmte Veranlagungsform - wie bspw eine ausschließliche Veranlagung in Immobilienaktien - verlangt. Der Vermögensverwalter missbraucht seine Verfügungsmacht, wenn er diesem Kundenauftrag nicht nachkommt. Ebenso liegt ein Missbrauch vor, wenn einem Anleger ein bestimmtes "Anlagemodell" - etwa eine Weitergabe an den Emittenten zu Investitionszwecken - zugesichert wird, die Einlage sodann jedoch vereinbarungswidrig - etwa im Rahmen eines "Schneeballsystems" - verwendet wird.

3.3.3. Umfang des Täterkreises

Der zur Vermögensverfügung ermächtigte Mitarbeiter muss die Missbrauchshandlung nicht selbst setzten. Er missbraucht seine Befugnis auch bereits dann, wenn er seinen Untergebenen eine pflichtwidrige Anordnung oder Weisungen erteilt oder die Zustimmung anderer (mit-)verfügungsberechtigter Organe erschleicht.28 Ein Angestellter, der im Außenverhältnis keine den Anleger verpflichtende Vermögensverfügung getroffen, sondern ausschließlich intern die Entscheidung der zuständigen Organe maßgeblich beeinflusst und somit einen Akt vorbereitender Tätigkeit gesetzt hat, begeht nach der Rsp mangels eingeräumter Verfügungsmacht hingegen keinen Befugnismissbrauch.29 Anders ist dies freilich, wenn auch diesem Mitarbeiter ausdrücklich oder aufgrund der bankinternen Kompetenzen eine Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde.

3.4. Vermögensnachteil

Der Anleger muss durch den Missbrauch der Verfügungsmacht einen Vermögensnachteil erlitten haben. ME liegt ein solcher Nachteil im Einklang mit der Situation beim Vermögensschaden nach § 146 StGB bereits immer dann vor, wenn ein vereinbarungswidriges oder risikoreicheres Wertpapier erworben bzw ein solches nicht verkauft wird.

3.5. Vorsatz

Die innere Tatseite des § 153 StGB erfordert Wissentlichkeit hinsichtlich des Befugnismissbrauchs und allgemeinen Vorsatz in Bezug auf die Zufügung des Vermögensnachteils. Insb bei einer zweckwidrigen Veranlagung außerhalb des "Anlagemodells" wird der Verdacht einer Wissentlichkeit oftmals naheliegen. Ansonsten kann ein für den Wertpapierdienstleister durch den Befugnismissbrauch entstandener (finanzieller) Vorteil ein Anzeichen für dessen wissentliche Begehung sein. Auch hier gilt jedoch, dass gerade die Wissentlichkeit in der Praxis oftmals keinem Nachweis zugänglich und in dubio pro reo zu entscheiden sein wird. Der Schädigungsvorsatz wird am Maßstab des § 146 StGB zu messen sein, wonach auch nach § 153 StGB der Wertpapierdienstleister allein die Gefährdung des Rückzahlungsanspruches, nicht jedoch einen allfälligen Endschaden, billigend in Kauf nehmen muss.

4. Zusammenfassung

Anlageberater sind einem gesteigerten Risiko ausgesetzt, sich für ihre Tätigkeit letztendlich nach § 146 StGB verantworten zu müssen. Bereits unrichtige oder unterlassene Informationen über den Wert oder das Risiko einer Anlage können als Täuschungshandlungen gegenüber dem Anleger aufgefasst werden. Eine Vermögensverfügung sowie ein Vermögensschaden werden regelmäßig bereits mit dem Erwerb bzw dem unterlassenen Verkauf einer nicht vereinbarten Anlage angenommen werden können. In der Praxis wird eine Verurteilung jedoch zumeist am Nachweis eines Schädigungs- oder allenfalls Täuschungsvorsatzes scheitern. Um dieser Problematik entgegenzutreten, gebietet es sich, einen Vorsatz des Täters allein dahin gehend zu verlangen, dass dieser die Gefährdung des Rückzahlungsanspruches der Kapitaleinlage - und nicht einen etwaigen Endschaden - erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Mangels Vermögensverfügungsbefugnis kommt bei reinen Anlageberatern eine Strafbarkeit nach § 153 StGB grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Vermögensverfügungsbefugnis kommt jedoch regelmäßig den nach dem Vertrag und den bankinternen Vorschriften zuständigen Mitarbeitern von Vermögensverwaltern und Depotbanken zu, sodass diese Gefahr laufen, sich letzten Endes einer Untreue schuldig zu machen. Dazu werden sie regelmäßig gegen den abgeschlossenen Vermögensverwaltungs- oder Depotvertrag verstoßen müssen, indem sie nicht vereinbarte Anlagen erwerben oder diese nicht verkaufen.


2

Siehe ua Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 562; Baum, Pflichten und Haftung im arbeitsteiligen Vertrieb von Finanzprodukten, ÖBA 2010, 278; Wilhelm, Zu Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung beim Anlegerschaden, ecolex 2010, 232 (232 f), und P. Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159.


3

Vgl Urteil vom 11. 1. 2011, 47 Cg 25/10v und Urteil vom 4. 1. 2010, 19 Cg 88/09a, Entscheidungen noch nicht veröffentlicht.


4

Urteil vom 28. 5. 2010, 5 R 45/10i, Entscheidung noch nicht veröffentlicht.


5

Vgl Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 17.


6

Vgl Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 30.


7

Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 53.


8

Zur Vermögensverfügung, die in der unterlassenen Geltendmachung eines Anspruches liegt, vgl OGH 20. 4. 1995, 15 Os 37, 38/95, JBl 1996, 468.


9

Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 562 (565), und P. Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159 (161).


10

OGH 23. 2. 2006, 8 Ob 123/05d, ÖBA 2006, 682 = EvBl 2006/109 = RdW 2006, 451, und OGH 3. 12. 1997, 7 Ob 253/97z, ÖBA 1999, 388, wo der OGH im Zusammenhang mit einem Schadenersatzanspruch den Vermögensschaden bereits mit dem Erwerb der risikoreicheren Anlage annimmt.


11

BGH 1 StR 731/08, Beschluss vom 18. 2. 2009; siehe weiters BGH 1 StR 379/05, Urteil vom 7. 3. 2006, wo der BGH von einem Vermögensschaden ausgeht, wenn der Anleger etwas völlig anderes ("aliud") erwirbt, als er erwerben wollte. In seiner Entscheidung 1 StR 488/07 vom 20. 3. 2008 ging der BGH auch im Zusammenhang mit der Untreue in diese Richtung, siehe NJW 2008, 2451 f.


12

Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 61.


13

Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 62.


14

Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 67 mwN der Rsp.


15

Vgl Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 114.


16

Anm: Und durch die Vorverlagerung des Vermögensschaden auf den Zeitpunkt des Erwerbes der Anlage mE sogar geboten.


17

Siehe BGH 1 StR 731/08, Beschluss vom 18. 2. 2009: "Allein auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Getäuschten eingetretenen tatbestandlichen Schaden muss sich das voluntative Element des Vorsatzes des Täters erstrecken. Auf die Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es nicht an. Ebenso ist die Absicht des späteren Ausgleichs der Vermögensminderung ohne Bedeutung (…). Wer (…) die (…) Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs bei Kreditgewährung (…) erkennt und billigend in Kauf nimmt, handelt auch dann vorsätzlich, wenn er hofft oder darauf vertraut, der (spätere endgültige) Schaden werde ausbleiben."


18

Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 120 mwN der Rsp.


19

Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 1.


20

OGH 17. 2. 2009, 14 Os 186/08x, mwN auf Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 20; RIS-Justiz RS0094733.


21

Zur Bejahung einer Verfügungsbefugnis bei Ein- und Verkäufen vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 22 f.



23

Vgl OGH 28. 12. 2010, 14 Os 144/10y, JusGuide 2011/10/8530, wo der OGH diese Thematik kurz ausgehend von § 133 StGB anschneidet.



25

Vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 28.






Artikel-Nr.
RdW 2011/486

16.08.2011
Heft 8/2011
Autor/in
Thomas Kainz

Dr Thomas Kainz, LL.M. (King’s College London) ist Rechtsanwaltsanwärter bei Kerres|Partners. Mit Wirtschafts- und Bankenrecht als Tätigkeitsschwerpunkt vertritt er derzeit mehrere Anleger vor dem Handelsgericht Wien.

Publikationen:

Mitautor in „Wie streng ist die Beraterpflicht der Banken?“ Wirtschaftsblatt 15. 3. 2011.