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Eine jüngere Entscheidung des OLG Wien1 thematisiert die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Masseverwalter und Gesellschaftsorganen im Insolvenzverfahren einer Kapitalgesellschaft und räumt dem Masseverwalter die alleinige Kompetenz zur Änderung der Firma einer insolventen Gesellschaft ein. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist zwar insofern besonders gelagert, als die Firma gesetzwidrig geworden war, doch ist uU die Rechtsauffassung des OLG Wien ganz generell hinsichtlich der Abschneidung von Gesellschafterrechten und der Unstimmigkeit zwischen Satzung und Firmenbuchstand kritisch zu würdigen.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird gem § 2 Abs 2 IO das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen (die Insolvenzmasse) der freien Verfügung des Schuldners entzogen. Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (vgl § 3 Abs 1 IO). Die Organe einer sich in Insolvenz befindlichen Gesellschaft nehmen zwar weiterhin ihre Funktionen wahr, dies gilt aber nur insoweit, als sie nicht vom Masseverwalter verdrängt werden oder die Ausübung ihrer Funktion dem Zweck der Insolvenz zuwiderläuft.2 Da der Masseverwalter die Verwaltung der Insolvenzmasse übernimmt, ist entscheidungsrelevant, welche Gegenstände in ebendiese fallen und ob die Änderung des Firmenwortlautes einer Gesellschaft eine Rechtshandlung ist, welche die Insolvenzmasse betrifft.
Nach der hRsp fällt die Firma einer Kapitalgesellschaft in die Insolvenzmasse.3 Allein der Masseverwalter ist daher berechtigt, in der Insolvenz das Unternehmen samt Firma zu veräußern.4 Daraus folgt, dass der Geschäftsführer/Vorstand nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht befugt ist, eine allfällige Änderung der Firma zum Firmenbuch anzumelden.
Bereits in seiner E 6 Ob 145/02w sprach der OGH die Frage an, ob die Generalversammlung einer GmbH im Falle der Insolvenz der Gesellschaft wirksam eine Änderung des Firmenwortlautes beschließen könne, erörterte diese jedoch mangels konkreten Bedarfs zur Lösung der dort anhängigen Rechtsfrage nicht näher.
Das OLG Wien5 näherte sich dieser Problematik nun in einem anders gelagerten Sachverhalt und setzte sich mit der Frage auseinander, ob eine alleinige Befugnis des Masseverwalters bestünde, die Firma einer Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Insolvenzverfahrens zu ändern. Konkret begehrte der Masseverwalter die Eintragung der Änderung der Firma, da der Firmenzusatz "Steuerberatung" durch die Folgen des Insolvenzverfahrens rechts- und wettbewerbswidrig wurde.6 In seiner rechtlichen Beurteilung nahm das OLG Wien zunächst auf die in einem solchen Fall bestehende "Pattsituation" Bezug. So ist der Masseverwalter einerseits nicht legitimiert, eine Hauptversammlung einzuberufen und eine Satzungsänderung herbeizuführen, umgekehrt kann allerdings eine Kapitalgesellschaft nur unter Mitwirkung des Masseverwalters die Eintragung einer beschlossenen Firmenänderung begehren.7 Zur Auflösung dieser Pattsituation entschied das OLG Wien daher, dass der Masseverwalter zur Änderung der Firma befugt sei, wenn diese (oder ein Firmenbestandteil) während des Insolvenzverfahrens unzulässig werde, und zwar ohne dass er dabei von der Mitwirkung der Gesellschafter der Schuldnerin abhängig sei.
Das OLG Wien orientierte sich bei seiner Entscheidung an der Notwendigkeit der Bildung einer Ersatzfirma im Zusammenhang mit der Veräußerung des Unternehmens mitsamt Firma. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass dem Masseverwalter allein die Befugnis zur Bildung einer solchen Ersatzfirma zukommen solle. Er sei dafür nicht an die Zustimmung der Gesellschafter gebunden.8 Dahinter steht jedoch die klare ratio, dass die Veräußerung des Unternehmens mitsamt Firma einer vorhergehenden Firmenänderung bedürfe, um so einen gesetzeskonformen Zustand herstellen zu können.
Teile der Lehre9 kritisieren - uE nicht zu Unrecht - diese primär dem Masseverwalter eingeräumte Kompetenz. Gesteht man dem Masseverwalter bei einem Insolvenzverfahren einer Kapitalgesellschaft jedenfalls und direkt die Befugnis zu, die Firma zu ändern, ohne dabei von der Mitwirkung der Gesellschafter der Schuldnerin abhängig zu sein, ergeben sich tatsächlich unterschiedliche Problemstellungen. So werden einerseits die Rechte der Gesellschafter, frei über die Gesellschaftsstruktur entscheiden zu können, vollkommen beschnitten, und es kommt andererseits auch zu einer Unstimmigkeit zwischen Firmenbuchstand und Satzung; Letzteres erscheint uE auch in Hinblick auf das firmenbuchrechtliche Vertrauensschutzprinzip problematisch.
Die vom OLG Wien behandelte Thematik betrifft daher zweifellos eine diffizile Frage im Grenzbereich zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Die Änderung der Firma bedarf bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich eines Beschlusses der Gesellschafter zur Änderung der Satzung bzw des Gesellschaftsvertrages.10 Es besteht wohl kein Grund, warum den Gesellschaftern diese Kompetenz im Zuge eines Insolvenzverfahrens entzogen werden und das Gesellschaftsrecht sohin durch das Insolvenzrecht verdrängt werden sollte. Vielmehr würde es in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stehen, den Masseverwalter dazu zu verpflichten, die Gesellschafter aufzufordern, mittels Satzungsänderung eine Änderung der Firma herbeizuführen.11 Dies gilt insb vor dem Hintergrund, dass auch während des Insolvenzverfahrens Gesellschafterbeschlüsse weiterhin zulässig sind, soweit sie keine Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben.12
Da insb im Konkursverfahren, welches ja auf die Liquidierung des insolventen Unternehmens abzielt, ein Abwarten der Firmenänderung sehr wohl zumutbar erscheint, spricht uE das zuvor Ge-
sagte dafür, primär die Gesellschafter in die Sanierung des gesetzwidrigen Zustandes der Firma miteinzubeziehen. Dies erscheint auch in Hinblick auf die die Gesellschafter treffenden Treuepflichten tunlich und geboten.
Auch im Kapitalgesellschaftsrecht bestehen besondere Loyalitätspflichten, welche über die expliziten gesetzlichen Anordnungen hinausreichen. Dass derartige Pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft bestehen, ist in Österreich mittlerweile hRsp: Als Ausdruck dieser Loyalitätspflichten ist die aus dem Personengesellschaftsrecht stammende Treuepflicht als Förderungs- und Interessenwahrungspflicht der Verbandsmitglieder zu verstehen. Diese Pflichten beruhen auf den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und auf dem Gebot der guten Sitten.13
Aus den Treuepflichten der Gesellschafter lässt sich daher eine Zustimmungs- bzw Stimmpflicht ableiten.14 In Weiterentwicklung der bei Personengesellschaften bestehenden Pflichten ist nunmehr auch bei Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft anerkannt, dass diese in bestimmten Fällen verpflichtet sind, einer bestimmten Maßnahme oder Vertragsänderung zuzustimmen. Da die Zustimmungspflicht jedoch ultima ratio ist, gilt, dass der betreffende Beschluss mit Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft unbedingt notwendig und die fragliche Änderung den Gesellschaftern auch zumutbar sein muss.15 Grundsätzlich wird es darauf ankommen, ob das Gesellschaftsinteresse objektiv beeinträchtigt wäre, sollte der entsprechende Beschluss unterbleiben. Ist dies der Fall, so wird uE die Zustimmungspflicht zu bejahen sein.16
Wird nunmehr - wie im vorliegenden Fall - die Firma der Gesellschaft infolge der Insolvenzeröffnung rechts- und wettbewerbswidrig, so wäre dogmatisch wohl in erster Linie an die Zustimmungspflicht der Gesellschafter zu denken und an diese anzuknüpfen. Mangels Anmeldepflicht können Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zwar nicht durch Zwangsstrafen iSd § 24 FBG zur Satzungsänderung angehalten werden, im Rahmen ihrer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht wird dies aber uE zu bejahen sein.17 Vor dem Hintergrund, dass die hier in Betracht kommende Änderung der Satzung zur Firmenänderung den Zweck verfolgt, einen gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen, ist der entsprechende Beschluss iSd zuvor Festgehaltenen jedenfalls auch erforderlich und zumutbar. Vertretbar erschiene uE ein direktes Einschreiten des Masseverwalters, ohne zuvor die Gesellschafter damit befasst zu haben, wenn eine Beschlussfassung der Gesellschafter entweder unzumutbar oder völlig aussichtslos wäre. Letzterer Fall könnte dann vorliegen, wenn tatsächlich kein Gesellschafter einer Beschlussfassung beiwohnt oder ankündigt, einer solchen nicht beizuwohnen. Bereits die Teilnahme eines Gesellschafters würde aber im Lichte des § 38 Abs 7 GmbHG bei einer insolventen GmbH, als praxisrelevantestem Fall, ausreichen, im Rahmen einer "GmbH-Folgeversammlung" wirksam die gewünschten Beschlüsse zu fassen.
Selbst im Falle der geplanten Veräußerung des Unternehmens mitsamt Firma erscheint es zumutbar, primär die Gesellschafter mit Firmenänderungen zu befassen. Da der Prozess der Unternehmensveräußerung ohnehin weiter gehende insolvenzrechtliche Zustimmungspflichten (vgl § 117 IO) erfordert, wird dadurch in aller Regel auch keine unzumutbare zeitliche Verzögerung der Unternehmensveräußerung eintreten. Ein weiterer Aspekt, der bei einer Firmenänderung ohne satzungsändernde Willenseinigung der Gesellschafter zu beachten ist, betrifft die Unstimmigkeit zwischen Firmenbuchstand und Satzung. Bei der Firma einer Kapitalgesellschaft handelt es sich um einen obligatorischen Satzungsbestandteil.18 Zudem stellt die Firma gem § 3 Abs 1 Z 2 FBG eine zwingend im Firmenbuch einzutragende Tatsache dar. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die eigenmächtige Firmenänderung durch den Masseverwalter zu weit gegriffen. Änderungen eingetragener Tatsachen - sohin im konkreten Fall die Änderung der Firma - sind nämlich gem § 10 Abs 1 FBG unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften, unverzüglich bei Gericht anzumelden.19 Wie bereits oben ausgeführt, bedarf die Änderung der Firma einer Satzungsänderung20 und bezweckt das Erfordernis der Firmenbucheintragung die Kontrolle (insb in Hinblick auf Rechtssicherheit und Beweissicherung) sowie die Publizität der Satzungsänderung.21 Liegt nun keine solche Satzungsänderung vor, mangelt es an der grundlegenden Voraussetzung der Änderung, welche im Firmenbuch verzeichnet und offengelegt werden soll.22 Es erscheint sohin uE auch unter diesem Aspekt fraglich, auf welcher Grundlage das Firmenbuchgericht eine Eintragung, der kein gesellschaftsrechtlicher Wille zugrunde liegt, vornehmen sollte.
Auch wenn für die Eintragung die Überlegungen der Publizität und Klarstellung sprechen, so ist dieser Punkt insb iZm dem in § 15 UGB normierten Grundsatz des Vertrauens- und Verkehrsschutzes des Firmenbuchs kritisch zu hinterfragen.
Zusammenfassend ist sohin vor diesem Hintergrund kritisch anzudenken, ob eine Firmenänderung bloß durch den Masseverwalter allein - ohne zuvor die Gesellschafter zumindest damit befasst zu haben - nicht einen zu weitgehenden Eingriff in die Gesellschaftsstruktur darstellt. Es wäre seitens des OLG Wien vielmehr zu überlegen gewesen, ob die in einem solchen Fall entstehende Pattsituation im Grenzbereich von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht dogmatisch nicht doch primär über die Gesellschafter zu lösen gewesen wäre und erst sekundär über die direkte Kompetenz des Masseverwalters in der Insolvenz.
Es bleibt abzuwarten, ob sich auch der OGH künftig mit der Gemengelage zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht und der diesbezüglichen Kompetenz des Masseverwalters zur Firmenänderung ohne Satzungsänderung näher befassen wird.
OLG Wien 24. 2. 2015, 28 R 324/14v ZIK 2015/125, 105.
OGH 11. 10. 1994, 1 Ob 567/94 SZ 67/168.
OGH 14. 4. 1983, 6 Ob 4/83 SZ 56/65; OGH 16. 1. 2001, 4 Ob 311/00i wbl 2001, 284 mwN.
OGH 29. 3. 2000, 6 Ob 45/00m RdW 2000, 476 mwN; OGH 20. 2. 2003, 4 Ob 311/00i; OGH 20. 2. 2003, 6 Ob 145/02w.
28 R 324/14v ZIK 2015/125, 105. Siehe dazu Trenker, Befugnis des Masseverwalters zur Firmenänderung, ZIK 2015/98, 84.
Gem § 203 Abs 1 Z 3 AktG iVm § 102 Z 5 WTBG erlischt durch die Auflösung der AG infolge der Insolvenzeröffnung die Berechtigung zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs ex lege. Überdies ist der Weiterbestand der Firma irreführend iSd § 18 Abs 2 UGB sowie § 2 UWG.
6 Ob 145/02w RIS-Justiz RS0117477.
Siehe dazu insb Reich-Rohrwig, Firma der GmbH, Kundenstock und Wettbewerb durch Gesellschafter, in FS Krejci (2001) 787 (791 ff).
Trenker, ZIK 2015/98, 86 mwN.
Vgl § 50 GmbHG und § 145 AktG.
Bachner, Aufgaben der Organe von Kapitalgesellschaften in der Insolvenz, in Konecny, Insolvenz-Forum 2008 (2009) 145 (157 f).
OGH 27. 10. 1994, 6 Ob 28/94 EvBl 1995/122.
OGH 23. 2. 1999, 4 Ob 27/99w; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht (2008) Kap 3.1 Rz 3/135.
Stengel in Müller/Hoffmann, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften2 (2002) § 3 Rz 185.
Enzinger in Straube, GmbHG (2013) § 39 Rz 52 mwN; Nowotny, Durchsetzung der GmbH-Kapitalerhöhung auf S 500.000,- bei Pattstellung in der Generalversammlung? RdW 1986, 359.
Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 (2007) § 39 Rz 14.
Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Kap 4.1 Rz 4/353.
Vgl § 17 Z 1 AktG sowie § 4 Abs 1 Z 1 GmbHG.
Vgl hierzu auch § 26 GmbHG, wonach eine Änderung der in dieser Bestimmung aufgezählten Tatsachen von den Geschäftsführern unverzüglich nach Vorlage eines Nachweises des eingetretenen Sachverhalts beim Firmenbuch anzumelden ist.
Die Satzungsänderung als solche setzt wiederum eine notariell beurkundete Beschlussfassung der Gesellschafter, die Anmeldung durch sämtliche Geschäftsführer/Vorstandsmitglieder zum Firmenbuch unter Vorlage des notariell beurkundeten Beschlusses und des notariell beurkundeten, vollständigen Wortlauts des Gesellschaftsvertrages bzw der Satzung sowie die Eintragung ins Firmenbuch voraus.
Rauter/Milchrahm in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG (2015) § 49 Rz 5.
Die Änderung des Firmenwortlauts als Änderung der Satzung wird gem § 49 Abs 2 GmbHG bzw § 148 Abs 3 AktG erst mit Eintragung ins Firmenbuch wirksam.