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Es liegt im Wesen einer progressiven Steuer, dass sie stärker steigt (fällt) als ihre Basis oder Bezugsgröße. Der Progressionseffekt ist jene Steuererhöhung, die über einen proportionalen Anstieg hinausgeht. Er kann sowohl für Einzelfälle als auch für das Gesamtaufkommen (oder Teile davon) berechnet werden. Für das Lohnsteueraufkommen lässt sich zeigen, dass 2013 maximal 1,8 G€ (G = Giga = Mrd) der Zunahme seit 2009 auf diesen Effekt zurückgehen. Der Teil, der der bloßen Inflationsanpassung der Bruttolöhne zugerechnet werden kann, wird als kalte Progression bezeichnet und betrug in diesem Zeitraum zwischen ca 150 und 500 M€ (M = Mio) jährlich und 2013 insgesamt zwischen 1,3 und 1,4 G€. Obwohl die kalte Progression derzeit - wegen der niedrigeren Inflation - im Vergleich zu früheren Zeiträumen schwächer ist, hat die Diskussion darüber an Intensität zugenommen. Dies ist wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Lohnsteigerungen - wenn überhaupt - nur wenig über der Inflationsrate liegen und daher fast die gesamte Progression kalt ist und zu Verminderungen der realen Nettoeinkommen führt.
Eine Steuer ist progressiv, wenn sie prozentuell stärker steigt (fällt) als ihre Bemessungsgrundlage. Die meist verbreitete und bedeutendste progressive Steuer ist die Einkommensteuer. Die Progression ist - entgegen weitverbreiteter Meinung - weit weniger darauf zurückzuführen, dass die Steuerpflichtigen durch eine Einkommenserhöhung in eine höhere Steuerstufe hineinwachsen (englisch: sog "bracket-creeping"), sondern sie tritt innerhalb der Stufen und selbstverständlich auch bei "Flat-tax"-Modellen mit Freibetrag (Nullzone) auf. Wegen der breiten Stufen des österreichischen ESt-Tarifs wechseln bei einer allgemeinen etwa 2,5%igen Lohn- bzw Gehaltserhöhung nur etwa 2-3 % der unselbständig Beschäftigten - mit einem Teil der Erhöhung - in die nächsthöhere Tarifstufe - fast die Hälfte davon von der Nullzone (Negativsteuer) zum Eingangssteuersatz.
Der betragsmäßige Progressionseffekt einer Steuer wird gemessen, indem man - ausgehend von einem Basisjahr - die Differenz zwischen der tatsächlichen Entwicklung und dem Betrag ermittelt, der sich ergeben hätte, wenn sich die Steuer proportional zur Bemessungsgrundlage oder zur (gewählten) Bezugsgröße entwickelt hätte. Der so errechnete Betrag enthält natürlich auch die Effekte von steuerlichen Änderungen zwischen dem Basisjahr und dem betrachteten Jahr. Falls keine solchen stattgefunden haben oder bei entsprechender Bereinigung erhält man den reinen Progressionseffekt der Rechtslage. Die sog kalte Progression ist der Effekt, der auf eine Anhebung der Bemessungsgrundlage oder Bezugsgröße im Ausmaß der Inflation entfällt. Sie lässt sich nur in bestimmten Einzelfällen und für einzelne Jahre exakt berechnen und sie kann natürlich nie über den gesamten Progressionseffekt hinausgehen.
Zur Illustration ein einfaches
Betrachten wir einen Angestellten mit 40.000 € Jahresbruttobezug (14 Monatsgehälter, Zulagen und Zuschläge, Prämien) im Jahr 2012. Im Jahr 2013 hat er um 3,5 % brutto mehr verdient, also 41.400 €. Seine Lohnsteuer war 7.000 € im Jahr 2012 und ist 2013 auf 7.400 €, also um 5,71 % angestiegen. Wenn die Steuer proportional zum Bruttobezug gestiegen wäre, hätte sie aber nur 7.245 € betragen. Der gesamte Progressionseffekt beträgt also 155 € (=7.400 - 7.245). Der automatische Effekt kann davon abweichen, wenn zB steuerfreie oder steuerbegünstigte Bezüge über- oder unterproportional zugenommen haben. Bei der Lohnsteuer vor Arbeitnehmerveranlagung (oder "Aufrollung") können sich auch die monatlichen Bezugsschwankungen auf die Höhe der Lohnsteuer auswirken. Daher kann man die Progressionswirkung der Lohn- bzw Einkommensteuer - genau genommen - erst nach Abschluss der (eventuellen) Veranlagung einiger Maßen präzise berechnen.
Die Inflationsrate 2012/13 betrug 2 %. Um die Lohnsteuer für eine Bruttoerhöhung von 2 % zu berechnen (die zur exakten Ermittlung der kalten Progression notwendig ist) wären detailliertere Informationen und Annahmen (Sozialversicherungsbeiträge, Entwicklung der begünstigten oder steuerfreien Komponenten, zustehende Absetzbeträge usw) erforderlich. Daher kann man die inflationsbedingte Progression kalkulieren, indem man den Inflationsanteil an der Bruttosteigerung mit der gesamten Progression multipliziert. In unserem Beispiel wären also 88,57 € (2 %/3,5 % x 155) auf die inflationsbedingte Progression zurückzuführen. Zum gleichen Resultat kommt man, wenn man die um 1 verminderte Steuerelastizität gegenüber dem Bruttobezug mit der Preissteigerung multipliziert und den sich so ergebenden Prozentsatz auf die Steuer des Basisjahres anwendet ([5,714 %/3,5 % - 1] x 2 % x 7.000).
Allerdings ist zu bedenken, dass sich Inflation und Reallohnänderungen auch gegenseitig beeinflussen. Da in unserem Beispiel der reale (= preisbereinigte) Bezug um 1,47 % (1,035/1,02 - 1) steigt, ergibt sich bei Anwendung der obigen Methode eine real bedingte Progression von 65,10 € (1,47 %/3,5 % x 155). Die so isoliert berechneten Progressionseffekte sind in Summe niedriger als der Gesamteffekt. Bei niedrigen Prozentsätzen und kurzfristigen Berechnungen (zB Änderungen gegenüber dem Vorjahr) ist diese Differenz oft vernachlässigbar. Sonst sollte man aber immer den Anteil der kalten Progression am gesamten Progressionseffekt berechnen, indem man die Inflation durch die Summe aus Inflation und realer Veränderung dividiert (kalte Progression = 2 %/(2 % + 1,47 %) x 155 = 89,34). Analog dazu oder als Differenz kann man die real bedingte Progression berechnen.
Da sich bei gegebenen Relationen zwischen steuerfreien, begünstigten und gemäß EStG-Tarif besteuerten Bezugsteilen die Lohn- bzw Einkommensteuer auch als lineare Funktion des
Jahresbruttobezugs JBB (LSt = s x JBB - AB, s … Steuersatz, AB … stufenspezifischer Abzugsbetrag) formulieren lässt, ist innerhalb einer Progressionsstufe (die allerdings nicht nur den formalen Steuertarif, sondern auch Sonderregelungen im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge und des EStG berücksichtigt) der absolute Progressionseffekt bei einer gegebenen prozentuellen Änderung des Bruttobezugs gleich hoch. Wenn der Bruttobezug um eine (prozentuelle) Wachstumsrate von w steigt, steigt die Lohnsteuer auf s x (1 + w) x JBB - AB. Bei einem proportionalen Anstieg wäre es (1 + w) x (s x JBB - AB) und es ist leicht zu sehen, dass der Progressionseffekt (= Differenz) w x AB beträgt.
Folgende Tabelle zeigt die Lohnsteuerprogression und ihre Komponenten 2014 (gegenüber 2013) für Angestellte ohne besondere Begünstigungen mit 14 Monatsbezügen nach Höhe des Bruttomonatsbezugs (Beträge in €):
Bruttobezug 2013 | Lohnsteuer nach Arbeitnehmerveranlagung (Rechtslage 2014) | |||||||
(vor Erhöhung) | vor | Mehrsteuer bei Bruttobezugserhöhung von | ||||||
monatl | jährl | Erhöhung | 1 % | davon | 2,1 % | davon | kalte Progr bei | |
1.000 | 14.000 | -110 | Progr | Progr | 1,9%-Infl | %-Brutto | ||
1.100 | 15.400 | -110 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0,00 % |
1.200 | 16.800 | 54 | 51 | 50 | 107 | 106 | 96 | 0,57 % |
1.330 | 18.620 | 538 | 56 | 50 | 117 | 106 | 96 | 0,51 % |
1.360 | 19.040 | 596 | 56 | 50 | 118 | 106 | 96 | 0,50 % |
1.500 | 21.000 | 1.134 | 56 | 45 | 118 | 94 | 85 | 0,40 % |
1.530 | 21.420 | 1.246 | -12 | 50 | 24 | 21 | 0,10 % | |
2.000 | 28.000 | 2.911 | 74 | 45 | 155 | 94 | 85 | 0,30 % |
2.500 | 35.000 | 4.755 | 92 | 45 | 194 | 94 | 85 | 0,24 % |
2.570 | 35.980 | 5.019 | 112 | 62 | 235 | 129 | 117 | 0,33 % |
4.430 | 62.020 | 13.108 | 193 | 62 | 405 | 129 | 117 | 0,19 % |
4.530 | 63.420 | 13.543 | 240 | 105 | 505 | 220 | 200 | 0,31 % |
5.700 | 79.800 | 19.751 | 302 | 105 | 635 | 220 | 200 | 0,25 % |
5.850 | 81.900 | 20.560 | 358 | 152 | 752 | 320 | 290 | 0,35 % |
13.000 | 182.000 | 64.318 | 796 | 152 | 1.671 | 320 | 290 | 0,16 % |
13.500 | 189.000 | 67.474 | 883 | 208 | 1.854 | 437 | 396 | 0,21 % |
25.000 | 350.000 | 142.684 | 1.635 | 208 | 3.433 | 437 | 396 | 0,11 % |
26.000 | 364.000 | 149.264 | 1.746 | 253 | 3.666 | 532 | 482 | 0,13 % |
42.000 | 588.000 | 256.704 | 2.820 | 253 | 6.049 | 658 | 597 | 0,10 % |
43.000 | 602.000 | 263.578 | 3.010 | 374 | 6.321 | 786 | 712 | 0,12 % |
Die Prozentsätze für den Bruttobezugsanstieg (2,1 %) und die Inflation (VPI + 1,9 %) wurden der WIFO-Prognose für 2014 vom März 2014 entnommen. Die Rechtslage 2014 wurde herangezogen, um die Veränderungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen in ihrer Wirkung auf die Steuer auszuschließen.
Man hätte auch die Rechtslage 2013 oder die SV-Beiträge für 2013 vor Bezugserhöhung und für 2014 nachher wählen können. Das hätte nur im untersten Bereich - wo wegen der Ermäßigung der AlV-Sätze ohnehin Sprünge auftreten können (siehe negative Progression bei 1.530 €) - und über der (monatlichen) Höchstbeitragsgrundlage (2013: 4.440 €, 2014: 4.530 €) zu geringfügigen Änderungen geführt. Bei der Lohnsteuer selbst hat sich die Rechtslage für diese "Normfälle" seit 2009 nicht geändert. Die Bruttostufen wurden so gewählt, dass sie jeweils etwas unter und knapp über den Progressionsstufen liegen, die sich aus SV-Beitragsrecht und effektivem EStG-Tarif (inkl Tarif für den 13./14.) ergeben.
Die Berechnung der Aufkommenswirkung der Progression insgesamt auf Basis von Einzeldaten ist unnötig aufwendig, erfordert zahlreiche Annahmen betreffend die Fortschreibung der Einkommensverteilung und die steuerlichen Ausnahmen und ist daher sehr fehleranfällig. Es empfiehlt sich daher, die oben für einen (hypothetischen) Einzelfall beschriebene Methode auf aggregierte Daten anzuwenden.
Meist wird dabei das gesamte Lohnsteueraufkommen mit der Entwicklung der Bruttolohn- und -gehaltssumme (BLGS) verglichen. Dies kann zu leicht verzerrten Ergebnissen führen, wenn sich die Pensionen sehr unterschiedlich zu den Löhnen und Gehältern entwickeln. Als Lohnsteueraufkommen sollte man eher die Zahl aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) nehmen, weil diese gegenüber dem Bundesrechnungsabschluss um Erstattungen und Prämien und auch zeitlich bereinigt ist. Die Unterschiede in den Ergebnissen sind allerdings minimal. Neben dem gesamten Lohnsteueraufkommen wurde auch die Lohnsteuer der Arbeitnehmer (aus der WIFO-Datenbank) herangezogen. Die diesbezügliche Zahl für 2013 fehlt allerdings noch, weshalb sie durch Fortschreibung mit dem Gesamtaufkommen ergänzt wurde.
Folgende Tabelle zeigt die Berechnung der Progressionseffekte insgesamt als auch die Aufkommenswirkung der kalten Progression sowohl in Bezug auf 2009 als auch bezüglich des jeweiligen Vorjahres.
Nimmt man als Basisjahr 2008, so zeigt sich, dass die Lohnsteuer von ca 22,5 auf 25,7 G€, das sind +14,3 %, gleich stark gestiegen ist wie die Löhne und Gehälter brutto insgesamt und daher die Lohnsteuerquoten 2008 und 2013 praktisch ident sind. Das heißt, dass die Steuersenkung 2009 gleich hoch war wie der gesamte Progressionseffekt seither und natürlich die kalte Progression etwas darunter lag.
Nimmt man 2009 als Basisjahr, so zeigt sich, dass das tatsächliche Lohnsteueraufkommen 2013 um ca 1,87 G€ über einer hypothetischen proportionalen Lohnsteuer gelegen ist. Davon entfiel auf die Arbeitnehmer ca 1,1 G€. Ich habe diese Differenzen als Progression iwS bezeichnet, weil das Mehraufkommen nicht zur Gänze der (automatischen) Progression des Steuertarifs 2009 zuzurechnen ist. Erstens wäre bei Einbeziehung der Pensionen in die Bezugsgröße der Effekt etwas geringer, zweitens hat es seit 2009 einige steuerliche Änderungen (zB Abschaffung des Alleinverdienerabsetzbetrags für Kinderlose, Solidarbeitrag auf hohe sonstige Bezüge, Spendenabzugsfähigkeit, Pendlerbegünstigungen etc) gegeben. Diese haben sich bei der Lohnsteuer per saldo aufkommenserhöhend niedergeschlagen, weil sich die begünstigenden Änderungen va im Zuge der (AN-)Veranlagungen und damit bei der Einkommensteuer auswirken. Der gesamte Progressionseffekt liegt wahrscheinlich unter 1,8 G€ und die kalte Progression sicherlich deutlich unter 1,4 G€.
Eine Auswertung der Lohnsteuerstatistiken 2000-2012 (Beträge in M€) - 2013 ist noch nicht verfügbar - lässt darauf schließen, dass es sich bei diesen Beträgen um Obergrenzen handelt.
LSt-Statistik | Arbeitnehmer | Pensionisten | ||
für | Brutto- | Lohn- | Brutto- | Lohn- |
Jahr | bezug | steuer | bezug | steuer |
2009 | 111.093 | 16.051 | 40.340 | 4.751 |
2012 | 122.503 | 18.667 | 45.182 | 5.859 |
%-VÄ | 10,3 % | 16,3 % | 12,0 % | 23,3 % |
prop LSt | 17.700 | 5.321 | ||
Progression | 966 | 538 |
In Summe ergibt diese Berechnung einen um ca 100 M€ geringeren Progressionseffekt iwS als in der obigen Kalkulation und einen höheren Effekt bei den Pensionisten, der darauf zurückgeführt werden kann, dass bei niedrigen Einkommen (knapp über der Nullzone) die Progression im allgemeinen stärker greift und dass wegen der Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrags der effektive Grenzsteuersatz für Pensionseinkünfte zwischen 17.000 € (beim erhöhten PAB: 19.930 €) und 25.000 € deutlich höher lag bzw liegt. Die Unterschiede in den Berechnungen ergeben sich hauptsächlich aus der unterschiedlichen Zuordnung von Bruttobezügen und Lohnsteuer (VGR: Beschäftigungsverhältnisse, Lohnsteuerstatistik: Personen mit gesamten lohnsteuerpflichtigen Bezügen nach Einkunftsschwerpunkt).
Eine Berechnung der kalten Progression bei der veranlagten Einkommensteuer wäre extrem aufwendig und nur unter heroischen Annahmen (va betreffend die passende Bezugsgröße) möglich, wobei noch die Daten der Veranlagung für 2013 abgewartet
werden müssten. Da jedoch die hohen Einkommen und die Nullfälle wesentlich mehr Gewicht haben und die Progression oben relativ abnimmt und unten noch nicht greift, kann davon ausgegangen werden, dass der gesamte Progressionseffekt und daher auch die kalte Progression relativ niedriger sind als bei der Lohnsteuer. Diese kann daher - im Vergleich 2009/13 - kaum über eine Größenordnung von 100 M€ hinausgegangen sein.
Geht man von 2009 als Basisjahr aus, dürfte der gesamte Progressionseffekt beim Lohn- und Einkommensteueraufkommen annähernd 2 G€ ausgemacht haben. Oder anders formuliert: Die Einnahmen 2013 aus diesen beiden Steuern wären um 2 G€ unter dem tatsächlichen Ergebnis gelegen, wenn das EStG auf alle Einkommen - unabhängig von der Höhe und ohne Frei- und Absetzbeträge - einen einheitlichen Steuersatz vorsehen würde. Die kalte Progression machte etwa ¾ des gesamten Progressionseffekts, also maximal 1,5 G€ aus.
Es ist daher verwunderlich, wie die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) auf die vor einiger Zeit viel zitierten 2,34 G€ Einnahmen aus der kalten Progression kommen konnte. Offensichtlich haben die mit der Berechnung befassten Wissenschaftler ein theoretisches Modell verwendet, ohne sich mit der konkreten Entwicklung des Aufkommens zu befassen. Es handelt sich um ein Beispiel der Unsitte, geschätzte Zahlen in unmöglicher Genauigkeit anzugeben, um ihnen einen stärkeren wissenschaftlichen Anstrich zu geben. In diesem Fall ist nicht einmal die erste Stelle richtig - also ein typischer Fall von genau-falsch.
Angesichts dessen, dass die Progression in früheren Jahren wegen der höheren Lohnsteigerungen und Inflation wesentlich stärker war, ist es auf den ersten Blick überraschend, dass die Diskussion über die kalte Progression so an Gewicht gewonnen hat. Bei näherer Betrachtung wird dies aber verständlich. Da in den letzten Jahren die Lohnsteigerungen - wenn überhaupt - nur wenig über der Inflationsrate angesiedelt waren, ist praktisch die gesamte Progression eine kalte, dh sie geht zur Gänze zulasten des realen Einkommens. Dazu kommt, dass die letzte Steuersenkung schon relativ lange zurückliegt, aber die Möglichkeit großer Senkungen - ohne Erhöhung bei anderen Abgaben - eben wegen der durch die schwache Wirtschafts- und Einkommensentwicklung bedingte flachere Entwicklung der Steuereinnahmen beschränkt ist.