Gesellschafts- und Steuerrecht

Praxiserfahrung mit der Verrechnungspreisdokumentation in Deutschland

Dipl.-Kfm. Oliver Biernat,WP / StB / FB IStR

In der Ausgabe Juni 2016 der RWZ wurde von Dr. Ina Kerschner auf den Seiten 176 ff "Das neue Verrechnungspreisdokumentationsgesetz - der Entwurf im Überblick" für Österreich vorgestellt. Dies ist das erste Mal, dass in Österreich detaillierte gesetzliche Regelungen zur Verrechnungspreisdokumentation eingeführt werden sollen.

Deutschland hat bereits 2003 gesetzliche Regelungen zur Verrechnungspreisdokumentation eingeführt. Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Regelungen in Deutschland kurz vorzustellen und über die Praxiserfahrungen mit diesen Regelungen aus Beratersicht zu berichten. Somit sollen die betroffenen österreichischen Unternehmen bzw Betriebsstätten durch Vergleich mit ihren bisherigen Praxiserfahrungen erkennen können, ob allfällige neue Problemfelder auf sie zukommen und in welchen Bereichen intensivere Diskussionen zu erwarten sind.

1. Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

1.1. Gesetzliche Vorschriften

1.1.1. § 90 Abgabenordnung

Der deutsche Gesetzgeber hat in § 90 der Abgabenordnung (AO) eine sehr breite gesetzliche Grundlage für die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen bei der Ermittlung eines (steuerlichen) Sachverhalts geschaffen. Während Abs 1 die allgemeine Mitwirkungspflicht für alle Steuerpflichtigen regelt, erhöht Abs 2 diese Pflicht für Fälle mit Auslandsbezug. Abs 3 ist die gesetzliche Grundlage für die Verpflichtung der Steuerpflichtigen, Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen iSv § 1 Abs 2 des Außensteuergesetzes (AStG) aufzuzeichnen und zu dokumentieren. Gleiches gilt für die Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Auf diese Vorschriften wird im Folgenden im Einzelnen näher eingegangen.

Die in Abs 1 geregelten Vorschriften für alle Steuerpflichtigen betreffen deren Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren. Insb sind die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die bekannten Beweismittel anzugeben.

Abs 2 konkretisiert diese Pflichten weiter und wendet sich an Steuerpflichtige mit Auslandsbeziehungen, da früher häufig argumentiert wurde, dass Informationen oder Dokumente aus dem Ausland nicht oder nur schwierig erlangt werden können. Das Gesetz fordert, dass soweit Sachverhalte zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen sind, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, die Beteiligten diesen Sachverhalt aufklären müssen und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen haben. Dabei sind alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Ein Beteiligter kann sich folglich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. Es ist daher für eine deutsche Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns nicht möglich sich bspw darauf zu berufen, dass die Muttergesellschaft sich weigert, Informationen herauszugeben. Geschieht dies dennoch, kann es grundsätzlich zulasten des Steuerpflichtigen ausgelegt werden.

Die Abs 1 und 2 sind somit die Grundlage für die in Abs 3 geforderten konkreten Verpflichtungen für Vorgänge mit Auslandsbezug. Abs 3 fordert, dass bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ein Steuerpflichtiger über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen iSd § 1 Abs 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen hat. Damit wurde eine gesetzliche Verpflichtung für Steuerpflichtige geschaffen, eine Dokumentation ihrer Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen zu erstellen. In der Praxis spricht man von der Verrechnungspreisdokumentation. Diese Regelung ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2002 beginnen, also idR seit dem Geschäftsjahr 2003.

In den folgenden Sätzen des Abs 3 werden die Regelungen zur Ausgestaltung etwas weiter spezifiziert, aber nicht genau konkretisiert. Danach soll die Aufzeichnungspflicht auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden umfassen. Dies ist so auszulegen, dass der Steuerpflichtige nicht nur darstellen muss, wie Entgelte zu nahestehenden Personen ermittelt worden sind, sondern auch, dass diese Entgelte nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes als angemessen anzusehen sind.

Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind die Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen. Als "zeitnah" gilt dabei ein Zeitraum von sechs Monaten nach Vereinbarung des Geschäfts. Die Aufzeichnungspflichten gelten analog für Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen oder den Gewinn der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben.


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Es kommt also nicht darauf an, ob ein ausländisches Unternehmen durch eine Kapitalgesellschaft oder eine Niederlassung/Betriebsstätte in Deutschland tätig wird.

Wird eine Anfrage der Finanzverwaltung an den Steuerpflichtigen herangetragen, hat er laut Gesetz nur eine Frist von 60 Tagen, die Dokumentation vorzulegen. Soweit Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorzulegen sind, beträgt die Frist nur 30 Tage. Diese Fristen reichen idR nicht aus, um die für die Dokumentation notwendige Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und zu dokumentieren.

1.1.2. § 162 Abs 3 und 4 Abgabenordnung

§ 162 Abs 3 und 4 AO sieht eine Reihe von äußerst unangenehmen Sanktionen für den Fall vor, dass der Steuerpflichtige seinen Verpflichtungen zur Verrechnungspreisdokumentation nicht oder verspätet nachkommt. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 9 Abs 3 AO dadurch, dass er die Aufzeichnungen nicht vorlegt, oder sind vorgelegte Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige diese Aufzeichnungen nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind.

Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insb nur aufgrund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zulasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bei Zweifeln daran, dass Sachverhalte deswegen nicht aufgeklärt werden können, weil eine ausländische nahestehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 9 Abs 2 AO oder ihre Auskunftspflichten nach § 9 Abs 1 AO nicht erfüllt, ist die Schätzung entsprechend anzuwenden.

Bei Nichtvorlage oder unvollständigen oder im Wesentlichen unverwertbaren Unterlagen wird ein Zuschlag zwischen 5 und 10 % der von der Finanzverwaltung festgesetzten Mehreinkünfte fällig, mindestens jedoch 5.000 €.

Bei verspäteter Vorlage der Dokumentation ist alternativ zur Nichtvorlage ein Strafzuschlag von mindestens 100 € für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, höchstens jedoch 1 Mio € fällig. Daneben können Verspätungszuschläge festgesetzt und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren nach § 369 ff AO eingeleitet werden.

1.1.3. Die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung

§ 90 Abs 3 AO ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen (BMF), Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 90 Abs 3 Satz 5 AO ist die "Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung - Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung" oder kurz GAufzV erlassen worden. In der GAufzV ist ua geregelt, das diese analog für Betriebsstätten, Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften entsprechende Anwendung finden soll.

Aus den Aufzeichnungen muss ersichtlich sein, welchen Sachverhalt der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er bei diesen Geschäftsbeziehungen den Grundsatz des Fremdverhaltens beachtet hat. Aufzeichnungen über die Art, den Umfang und die Abwicklung sowie über die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftsbeziehungen sind erforderlich. Ferner sind die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse darzustellen.

Der Steuerpflichtige hat Vergleichsdaten heranzuziehen, soweit solche Daten im Zeitpunkt der Vereinbarung der Geschäftsbeziehung bei ihm oder bei ihm nahestehenden Personen vorhanden sind oder soweit er sich diese mit zumutbarem Aufwand aus ihm frei zugänglichen Quellen beschaffen kann.

Hierzu gehören insb Daten aus vergleichbaren Geschäften zwischen fremden Dritten sowie aus vergleichbaren Geschäften, die der Steuerpflichtige oder eine ihm nahestehende Person mit fremden Dritten abgeschlossen hat, zB Preise und Geschäftsbedingungen, Kostenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen, Nettospannen, Gewinnaufteilungen. Zusätzlich sind Aufzeichnungen über innerbetriebliche Daten zu erstellen, die eine Plausibilitätskontrolle der vom Steuerpflichtigen vereinbarten Verrechnungspreise ermöglichen, wie zB Prognoserechnungen und Daten zur Absatz-, Gewinn- und Kostenplanung.

Aufzeichnungen können schriftlich oder elektronisch erstellt werden und müssen es einem sachverständigen Dritten ermöglichen, innerhalb einer angemessenen Frist festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat.

Aufzeichnungen sind grundsätzlich in deutscher Sprache zu erstellen. Die Finanzbehörde kann auf Antrag des Steuerpflichtigen Ausnahmen hiervon zulassen. Aufzeichnungen sollen regelmäßig nur für Zwecke der Durchführung einer Außenprüfung angefordert werden.

Aufzeichnungen bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen müssen zeitnah erstellt werden, dh innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat. Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sind dabei insb der Abschluss und die Änderung langfristiger Verträge, die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus seinen Geschäftsbeziehungen auswirken, Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, die Übertragung und Überlassung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen im Zusammenhang mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen, Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit einer für die Verrechnungspreisbildung erheblichen Änderung der Geschäftsstrategie sowie der Abschluss von Umlageverträgen.

Ferner werden die allgemein erforderlichen Aufzeichnungen genannt. Diese lassen sich grob in folgende Gruppen gliedern, die dort weiter untergliedert sind:


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-Allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau
-Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen
-Funktions- und Risikoanalyse
-Verrechnungspreisanalyse

In besonderen Fällen sind weitere Aufzeichnungen erforderlich.

Bei Steuerpflichtigen, die aus Geschäftsbeziehungen mit Nahestehenden andere als Gewinneinkünfte beziehen, und bei kleineren Unternehmen gelten die in § 90 Abs 3 Satz 1 bis 4 AO und in der GAufzV bezeichneten Aufzeichnungspflichten als durch die Erteilung von Auskünften, die den Anforderungen des § 1 Abs 1 Satz 2 GAufzV entsprechen, und durch die Vorlage vorhandener Unterlagen auf Anforderung des Finanzamts als erfüllt, wenn die in § 90 Abs 3 Satz 8 und 9 AO genannten Fristen eingehalten werden.

Kleinere Unternehmen in diesem Sinne sind Unternehmen, bei denen jeweils im laufenden Wirtschaftsjahr weder die Summe der Entgelte für die Lieferung von Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen 5 Mio € übersteigt noch die Summe der Vergütungen für andere Leistungen als die Lieferung von Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit solchen Nahestehenden mehr als 500.000 € beträgt. Werden die genannten Beträge in einem Wirtschaftsjahr überschritten, sind die Vereinfachungen ab dem darauffolgenden Wirtschaftsjahr nicht mehr anzuwenden. Unterschreitet ein Unternehmen, das nicht begünstigt ist, die genannten Beträge in einem Wirtschaftsjahr, ist es im darauffolgenden Wirtschaftsjahr als begünstigt zu behandeln.

1.2. Vorschriften für die Finanzverwaltung

1.2.1. Die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zur detaillierten Umsetzung ein für die Landesfinanzverwaltungen verbindliches BMF-Schreiben herausgegeben. Dieses umfasst "die Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren" (kurz: Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). Es regelt Verfahrensgrundsätze zur Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen und zwischen anderen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen. In Tz 3.4 wird sehr detailliert auf die Auslegung der Finanzverwaltung für die Dokumentation von Verrechnungspreisen eingegangen, was an dieser Stelle aus Platzgründen nicht weiter vertieft werden soll.

Daneben haben weiterhin die Verwaltungsgrundsätze 1983 Bedeutung, deren Tz 7 durch das BMF-Schreiben vom 30. 12. 1999 und deren Tz 8 und 9 durch das BMF-Schreiben vom 12. 4. 2005 ersetzt worden sind. Zudem verweisen die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren an mehreren Stellen auf die "Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations" der OECD von 1995 (OECD-Leitlinien 1995). Diese sind am 22. 7. 2010 aktualisiert worden (Verrechnungspreisrichtlinien 2010). Somit ist über diesen Weg, soweit keine expliziten deutschen Regelungen existieren, internationales Recht in Deutschland als Soft Law anwendbar.

2. Erfahrungen der Praxis

2.1. Bei der Erstellung der Dokumentationen

Die Erfahrung zeigt, dass das Thema Verrechnungspreisdokumentation von vielen deutschen Unternehmen unterschätzt wird. IdR sind es eher kapitalmarktorientierte Unternehmen und große Mittelständler mit einer eigenen Steuerabteilung oder einem Steuerberater, der im internationalen Steuerrecht erfahren ist, die das Thema von sich aus angehen. Hinzu kommen solche Unternehmen, die bereits eine Betriebsprüfung hinter sich haben, in der ein vom Finanzamt speziell für Fragen des internationalen Steuerrechts ausgebildeter "Fachprüfer für Auslandsbeziehungen" hinzugezogen wurde oder deren Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung auf die Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation bestanden hat.

Andere KMU sind häufig unvorbereitet oder nehmen das Thema nicht ernst genug. Hier wird die aufwendige Dokumentation entweder aus Kostengründen nicht angegangen und gewartet, bis sie von der Finanzverwaltung verlangt wird, oder die Verpflichtung ist schlicht und einfach unbekannt. Gerade KMU, die nicht einer permanenten Betriebsprüfung unterliegen, hoffen oft, dass einzelne Jahre ungeprüft bleiben oder im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht nach der Verrechnungspreisdokumentation gefragt wird.

Nach der Erfahrung ist das aber dann nicht mehr der Fall, wenn diese Unternehmen eine gewisse Größenordnung von Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen im Ausland überschreiten oder sonstige Anhaltspunkte vorliegen, die eine Nachfrage rechtfertigen. Solche Anhaltspunkte können zB sein:

-Verluste der deutschen Gesellschaft, während die verbundenen Unternehmen Gewinne machen
-Nichtbeantwortung oder unzureichende Beantwortung von Rückfragen des Finanzamtes
-mehrfache Fristüberschreitungen bei der Einreichung von Erklärungen oder Zahlungen
-offensichtlich zu geringe Gewinnmargen für die deutsche Gesellschaft
-häufige Korrekturen der Umsatzsteuervoranmeldungen
-Zweifel des Sachbearbeiters oder (normalen) Betriebsprüfers an den vorgelegten Unterlagen
-Ergebnisse aus der digitalen Überprüfung der Unterlagen des Steuerpflichtigen durch die Software IDEA

Die Vorschrift in der GAufzV, dass Aufzeichnungen regelmäßig nur für Zwecke der Durchführung einer Außenprüfung angefordert werden sollen, führt häufig zu Missverständnissen. Die in § 90 Abs 3 AO genannte Frist von 60 bzw 30 Tagen reicht idR bei Weitem nicht aus, um die notwendige Sachverhaltsaufklärung zu


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betreiben und so umfangreich wie gefordert zu dokumentieren. Ferner wird häufig übersehen, dass ungeachtet der Anforderung durch das Finanzamt die Verpflichtung zur Erstellung einer umfangreichen Verrechnungspreisdokumentation im Folgejahr gegeben ist, wenn die Grenzen von 500.000 € bzw 5 Mio € aus grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit Nahestehenden überschritten worden sind. Die Nichtbeachtung führt ungeachtet der Anforderung dieser Dokumentation durch das Finanzamt zur Schätzungsbefugnis des Finanzamtes und empfindlichen Zuschlägen, die erst nach Abschluss einer Betriebsprüfung festgesetzt werden.

Für die Prüfung, ob die Betragsgrenzen überschritten worden sind, sind die Entgelte ohne Umsatzsteuer für die von ausländischen nahestehenden Personen empfangenen und für die an sie erbrachten Lieferungen bzw Leistungen zusammenzurechnen. Güter und Waren im Sinne der Vorschrift können alle materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter sein.

Österreichische Unternehmen sind betroffen, wenn sie als Muttergesellschaft bzw Stammhaus über Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten in Deutschland verfügen. Dabei ist zu beachten, dass mehrere zusammenhängende deutsche Unternehmen und deutsche Betriebsstätten nahestehender Personen für die Prüfung dieser Betragsgrenzen zusammenzurechnen sind.

Gerade bei Unternehmen, die rasch gewachsen sind, verfügen die betroffenen Mitarbeiter im Rechnungswesen oder der langjährige Steuerberater als Generalist häufig nicht über das hierfür notwendige steuerliche Know-how. Wenn der Fachprüfer nach der (nicht vorhandenen) Verrechnungspreisdokumentation fragt oder die ersten Prüfungsanfragen zu den Auslandssachverhalten stellt und der Steuerberater darum bittet, von diesen oder allen seinen Aufgaben entbunden zu werden, ist es häufig schon zu spät. Es kann allen Unternehmen mit Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Ausland daher nur geraten werden, sich frühzeitig um das Thema zu kümmern, um solche Überraschungen zu vermeiden.

2.2. Bei der steuerlichen Betriebsprüfung

2.2.1. Verpflichtung zur Verrechnungspreisdokumentation ist nicht gegeben

Hat sich eine Betriebsprüfung angekündigt, ist zu unterscheiden, ob diese durch einen normalen Betriebsprüfer als Generalist durchgeführt wird oder ob ein Fachprüfer für Auslandsbeziehungen hinzugezogen wird. Der Generalist wird sich häufig nicht vertieft mit Fragen des internationalen Steuerrechts befassen wollen oder können und die Schwerpunkte seiner Prüfung auf andere Themen legen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass er im Rahmen seiner Prüfung auf Auffälligkeiten oder Widersprüche stößt, die ihn dann veranlassen, zu einem späteren Zeitpunkt einen Fachprüfer hinzuzuziehen. Wird ein solcher Fachprüfer hinzugezogen, sollte das Unternehmen sicherstellen, dass ihm ebenfalls ein ausreichend erfahrener Steuerexperte zur Seite steht. In Deutschland erkennt man diese häufig an einer Zusatzqualifikation wie "Fachberater für internationales Steuerrecht" oder "Master of International Taxation".

Gerade kleinere Unternehmen wiegen sich häufig in Sicherheit, wenn sie erkennen, dass die detaillierten Vorschriften für die Verrechnungspreisdokumentation für sie nicht gelten. Wie oben dargelegt, betrifft dies Unternehmen, die weder die Summe von 5 Mio € für konzerninterne Lieferungen von Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen übersteigen noch die Summe der Vergütungen für andere Leistungen als die Lieferung von Gütern oder Waren (also idR Dienstleistungen) aus Geschäftsbeziehungen mit solchen Nahestehenden mehr als 500.000 € beträgt.

Die Erleichterungen bestehen vor allem darin, dass statt der Vorlage von detaillierten Aufzeichnungen nach § 6 Abs 1 GAufzV mündliche Auskünfte fristgerecht erteilt und ggf vorhandene Unterlagen innerhalb der in § 90 Abs 3 Satz 8 und 9 AO genannten Fristen vorgelegt werden können. Das wird in der Praxis häufig unterschätzt. Zwar muss der Steuerpflichtige in diesem Fall keine gesonderte schriftliche Dokumentation seiner konzerninternen grenzüberschreitenden Sachverhalte und Angemessenheit der Verrechnungspreise für das Finanzamt aufbereiten, die Vorschrift entbindet ihn jedoch nicht von seinen Mitwirkungspflichten, alle Auskünfte zu erteilen und vorhandene Unterlagen vorzulegen.

Weigert sich der Steuerpflichtige, seine ausländische Muttergesellschaft oder ein anderes verbundenes Unternehmen, vorhandene Unterlagen vorzulegen, gelten die Mitwirkungspflichten als nicht erfüllt und der Betriebsprüfer hat die Berechtigung nach § 162 Abs 3 AO, die steuerpflichtigen Einkünfte höher als die erklärten Einkünfte zu schätzen. Ein Beispiel ist die Anforderung von Kalkulationsunterlagen der Muttergesellschaft zur Ermittlung des Verkaufspreises der Muttergesellschaft an die deutsche Tochtergesellschaft. Diesem Ansinnen der deutschen Finanzverwaltung steht häufig die ablehnende Haltung des Mutterunternehmens gegenüber, Firmengeheimnisse und wettbewerbssensible Daten zwecks Verhinderung von Wirtschaftsspionage nicht preisgeben zu wollen, oder nationale rechtliche Vorschriften in ihren Heimatländern, die es nicht erlauben, bestimmte Informationen an ausländische Stellen herauszugeben, die allerdings nach der deutschen langjährigen Rechtsprechung ein derartiges Verhalten nicht rechtfertigen.

Ein weiteres Augenmerk ist auf das Wort "fristgerecht" zu legen. Kommt der Steuerpflichtige der Anforderung nicht fristgerecht nach, ist ein Zuschlag nach § 162 Abs 4 AO gegen ihn festzusetzen. Diese Vorschrift gilt folglich nicht nur für Unternehmen, die eine Verrechnungspreisdokumentation vorlegen müssen, sondern auch für die zuvor definierten kleineren Unternehmen. Als Frist gelten die in § 90 Abs 3 Satz 8 und 9 genannten 60 bzw 30 Tage bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen. In begründeten Einzelfällen kann die Finanzbehörde nach § 9 Abs 4 Satz 2 AO auch von den kleineren Unternehmen verlangen, dass schriftlich Auskunft erteilt wird, wenn dies sachdienlich ist.

Liegt den Geschäftsbeziehungen kein im Voraus geschlossener und von beiden Vertragsparteien unterzeichneter Vertrag mit


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detaillierten und verbindlichen Regelungen zugrunde, wird die Finanzverwaltung behaupten, dass dies unüblich sei und daher nicht dem Fremdvergleich standhält. Sind die vereinbarten Regelungen ungewöhnlich, unüblich oder abweichend von den Vereinbarungen mit fremden Dritten, wird argumentiert, dass dies ebenfalls nicht dem Fremdvergleich standhält. Beides kann vom Betriebsprüfer genutzt werden, um den Einwand zu erheben, dass die Fremdvergleichspreise unzutreffend seien, und somit eine Schätzung vorzunehmen.

Hat die geprüfte Gesellschaft ein geringes Ergebnis oder gar ein negatives Ergebnis, wird fast ausnahmslos behauptet, dass der Grund hierfür ein unzutreffender Verrechnungspreis gewesen sei. Dabei wird vorgebracht, dass ein fremder Dritter (Investor) Verluste einer Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte nicht über einen längeren Zeitraum akzeptieren würde. Halten die Verluste an, würde dieser die Gesellschaft liquidieren oder verkaufen. Gleiches wird von dem Geschäftsführer/Gesellschafter der deutschen Gesellschaft erwartet. Ausnahmen werden nur in Einzelfällen akzeptiert, zB bei Anlaufverlusten in der Gründungsphase eines Unternehmens. Ansonsten wird vermutet, dass der Grund für die Akzeptanz der Verluste in der Weisung der Muttergesellschaft liegt. Dies wiederum führt in Höhe der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Verluste sofort zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.

Es zeigt sich also, dass auch bei KMU, die nicht verpflichtet sind, eine schriftliche Verrechnungspreisdokumentation vorzulegen, Risiken drohen. Die Erleichterungen gelten nur für die Form der Dokumentation. Sie gelten weder für die Mitwirkungspflichten und -fristen, noch entbinden sie den Steuerpflichtigen davon, dass Verrechnungspreise nicht angemessen sein müssen.

2.2.2. Verpflichtung zur Verrechnungspreisdokumentation ist gegeben

Sofern bei deutschen Unternehmen konzerninterne Lieferungen von Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen die Summe von 5 Mio € übersteigen oder die Summe der Vergütungen für andere Leistungen als die Lieferung von Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit solchen Nahestehenden mehr als 500.000 € beträgt, trifft sie im Folgejahr die uneingeschränkte Verpflichtung zur Erstellung einer schriftlichen detaillierten Verrechnungspreisdokumentation.

Bemerkt das betroffene Unternehmen nicht, dass diese Grenze erstmals überschritten worden ist, handelt es sich nicht um ein entschuldbares oder geringfügiges Versehen und der Zuschlag nach § 162 Abs 4 AO ist festzusetzen. Es liegt in der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter des Steuerpflichtigen, dafür zu sorgen, dass die Verpflichtung rechtzeitig erkannt und umgesetzt wird.

a) Erfahrungen mit dem Umfang und der Häufigkeit einer Verrechnungspreisdokumentation

Es ist den gesetzlichen Vorschriften nicht zu entnehmen, dass für jedes einzelne Jahr eine komplette Verrechnungspreisdokumentation vorzulegen ist. Nach Ansicht des Autors ist diese im Folgejahr, nachdem die Voraussetzungen erstmals erfüllt waren, aufzustellen und dann erst wieder, wenn gravierende Änderungen eingetreten sind und die bisherige Verrechnungspreisdokumentation nicht mehr verwendbar ist oder außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorgefallen sind. Für alle weiteren Jahre reicht eine Erläuterung der Änderungen. Es empfiehlt sich jedoch, diese Vorgehensweise im Vorfeld mit der Finanzverwaltung abzustimmen.

Es ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung eine Verrechnungspreisdokumentation, die nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, verwerfen kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass einige wenige Seiten, die von einem Nichtfachmann verfasst worden sind, den Anforderungen kaum genügen werden. Die dem Autor bekannten und von der Finanzverwaltung als verwertbar akzeptierten Verrechnungspreisdokumentationen sind idR sehr umfangreich und umfassen wenigstens 50 Seiten, häufig aber mehr als 100 Seiten. Es kann nur davor gewarnt werden, dass deutsche Tochtergesellschaften ausländischer Muttergesellschaften die Verrechnungspreisdokumentation der Muttergesellschaft vorlegen. Diese ist idR nach anderen Vorschriften erstellt worden und wird nach Erfahrung des Autors regelmäßig nicht von der deutschen Finanzverwaltung anerkannt. Sofern auf Wunsch der Muttergesellschaft eine Verrechnungspreisdokumentation nach deutschen Regeln aber in einer anderen Sprache erstellt worden ist, sollte daran gedacht werden, rechtzeitig den Antrag auf die Ausnahme, die Dokumentation in einer anderen lebenden Sprache zu verfassen, bei der Finanzverwaltung zu stellen.

b) Erfahrungen mit der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

Die Finanzverwaltung kann bei Verwerfen der Dokumentation wie geschildert Strafen festsetzen und Zuschläge erheben. Die gravierendste Folge ist jedoch meist die Befugnis, die Verrechnungspreise und damit den steuerlichen Unternehmensgewinn zu schätzen. So kann aus einem Verlust in der Handels- und Steuerbilanz schnell ein steuerlicher Gewinn werden. Die Erfahrung zeigt, dass Betriebsprüfer gerade bei Verlusten oder geringen Gewinnen schnell eine Schätzung anhand einer Umsatzrendite vornehmen und behaupten, diese würde im Durchschnitt von Unternehmen aus dieser Branche erzielt. Häufig wird die geschätzte Umsatzrendite sehr hoch angesetzt. Die Finanzverwaltung nutzt in diesem Fall das Recht nach § 162 Abs 3 Satz 2 AO aus, innerhalb einer angemessenen Spanne zu Ungunsten des Unternehmens zu schätzen. Es liegt dann beim Unternehmen zu beweisen, dass die Schätzung nicht angemessen ist (Beweislastumkehr). Die Finanzverwaltung muss ihre Entscheidung dagegen nicht begründen. Die Schätzung muss aber sämtliche bekannten Umstände berücksichtigen und muss sich streng nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip um eine möglichst sachgerechte Lösung bemühen. Letzteres wird von der Betriebsprüfung in den Verhandlungen häufig gern übersehen.

Eine fehlende oder unzureichende Dokumentation kann also zu einer erheblichen Nachbesteuerung führen, da es in vielen Fällen nicht möglich sein wird, die Schätzung des Finanzamtes zu widerlegen. Trotzdem lohnt es sich, um eine Reduzierung zu kämpfen, respektive dafür zu kämpfen, dass die vorgelegte Ver-


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rechnungspreisdokumentation doch als verwertbar eingestuft wird und damit eine Schätzung entbehrlich wird. Die Schätzung des Betriebsprüfers ist nicht in Stein gemeißelt und wie bei Betriebsprüfungen üblich, geben häufig beide Seiten nach, um zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen.

Bei der Schätzung ergibt sich eine weitere Besonderheit, die für den Steuerpflichtigen schnell sehr teuer werden kann. Gem § 162 AO darf das Finanzamt bei einer Schätzung der Einkünfte, die nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insb nur aufgrund von Preisspannen bestimmt werden können, den Rahmen zulasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen. Im Fall, dass mehrere glaubwürdige Studien über Umsatzrenditen einer bestimmten Branche existieren bedeutet dies, dass das Finanzamt sich an den Studien orientieren kann, welche die höchste Umsatzrendite ausweisen. Im Fall der TNMM (geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode) bedeutet das, dass das Finanzamt bspw eine Umsatzrendite von 9 % ansetzen darf, wenn sich die erlaubte EBIT-Marge aufgrund der durchgeführten Datenbankanalyse zwischen 3 % (unteres Quartil) und 9 % (oberes Quartil) bewegt. Hätte der Steuerpflichtige eine Verrechnungspreisdokumentation vorgelegt, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht, hätte die Finanzverwaltung auch den niedrigsten Wert von 3 % anerkennen müssen. Bei einem Umsatz von 10 Mio € ergibt sich so eine EBIT-Differenz von 6 % oder 600.000 € pro Jahr. Geht man von einem Betriebsprüfungszeitraum von fünf Jahren aus und unterstellt eine Steuerquote von 30 % ergibt sich ein maximaler Unterschied von 900.000 € Steuern. Hinzu kommen 0,5 % Zinsen pro Monat ab dem Beginn des Zinslaufs gem § 233a AO. Dieses Beispiel zeigt, wie ungünstig es sich finanziell auswirken kann, keine oder eine nur unzureichende Verrechnungspreisdokumentation vorlegen zu können.

c) Erfahrungen zum Strafzuschlag

Zu dem Strafzuschlag bei verspäteter Vorlage der Dokumentation ist anzumerken, dass dieser auch im Jahr der Aufwandsbuchung und Zahlung steuerlich nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig ist. Damit ergibt sich für das betroffene Unternehmen ein höherer Aufwand als es auf den ersten Blick scheint.

Bei dem Strafzuschlag nach § 162 Abs 4 AO für die verspätete Vorlage der Dokumentation von mindestens 100 € für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung ist zu beachten, dass dieser nicht nur einmal, sondern für jedes Jahr, in dem die Verpflichtung zur Aufstellung einer Verrechnungspreisdokumentation nicht beachtet wurde, festzusetzen ist.

Unternehmen, die die Dokumentation jetzt erstellen und zurückdatieren möchten sei gesagt, dass es sich dabei um Urkundenfälschung handelt. Im Zweifel kann festgestellt werden, wann eine Datei erstellt oder ein Papier ausgedruckt worden ist. Wird eine Datenbankanalyse eines renommierten Anbieters zB für die TNMM- Verrechnungspreismethode genutzt, ist im Bericht idR das unveränderbare Erstellungsdatum vom Programm vergeben und genannt.

d) Psychologie der Verhandlungen und Gerichtsverfahren

Solange eine Verrechnungspreisdokumentation vorgelegt wird, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht, muss das Finanzamt darlegen, dass der tatsächlich vereinbarte Preis nicht innerhalb der Bandbreite angemessener Verrechnungspreise liegt. Sie trägt dafür die objektive Beweislast. Daher wird die Betriebsprüfung stets bemüht sein, Fehler in der Dokumentation zu finden. Ob diese Fehler so gravierend sind, dass die Dokumentation nicht mehr den gesetzlichen (bzw nicht den Verwaltungs-) Anforderungen entspricht, ist Auslegungssache. Wird die vorgelegte Verrechnungspreisdokumentation nicht anerkannt, führt das nicht nur zu Strafzuschlägen und zur Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung, sondern auch zur Beweislastumkehr, dh, der Steuerpflichtige muss nun seinerseits beweisen, dass die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung zB anhand einer fiktiven Umsatzrendite nicht angemessen ist. Da das häufig schwierig sein dürfte, ist es empfehlenswerter, die Dokumentation mit äußerster Sorgfalt zu erstellen und jegliche Einwendungen der Betriebsprüfung, dass diese nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, im Vorfeld zu entkräften.

Sofern vonseiten der Betriebsprüfung gefordert wird, dass als Verrechnungspreismethode nur eine Standardmethode (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode oder Kostenaufschlagsmethode) angewendet wird und Abweichungen hiervon in der Dokumentation nachvollziehbar zu begründen seien, ist darauf hinzuweisen, dass das so nicht mehr zutreffend ist. Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien haben seit der Fassung 2010 den Begriff Standardmethode aufgegeben und führen neben den früheren Standardmethoden nunmehr TNMM und Profitsplit gleichberechtigt auf - es gilt die beste Methode. Dies hat die deutsche Finanzverwaltung auch in der Praxis grundsätzlich akzeptiert. Es fehlt allerdings die Umsetzung im AStG sowie in den diversen BMF-Schreiben, die alle vor 2010 ergangen sind und insoweit überholt sind.

Ergibt sich im Rahmen einer Datenbankanalyse bei der TNMM nach Einengung der Peer Group keine ausreichende Gruppe von Vergleichsunternehmen, sollte die manuelle zusätzliche Aufnahme von Vergleichsunternehmen stets gut begründet werden. Andernfalls droht schnell der Vorwurf des absichtlichen Missbrauchs der Veränderung der Peer Group, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen und mit den eigenen Verrechnungspreisen innerhalb der erlaubten Bandbreite zu bleiben. Werden gar Unternehmen hinzugenommen, die nicht unabhängig sind oder die Verluste erzielt haben, wird dieser Vorwurf umso schneller erhoben, auch wenn es sich um den oder die einzigen wahren direkten Konkurrenten des Steuerpflichtigen handelt. Hat man eine sachgerechte Auswahl getroffen, die auch ein Richter am Finanzgericht gut nachvollziehen kann, sollte man sich hierauf nicht einlassen und für seine korrekte Vorgehensweise einstehen.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die gesetzlichen Regelungen für alle am Steuerverfahren Beteiligten gelten, also Finanzbehörden und Steuerpflichtige, während die Verwaltungsvorschriften nur für die Finanzverwaltung bindend sind. Steuerpflichtige und Gerichte brauchen sie nicht zu beachten und müssen nur dem Gesetz folgen.


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2.3. Bei der Jahresabschlussprüfung

Im Rahmen einer gesetzlichen oder freiwilligen Jahresabschlussprüfung hat der betroffene Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer ua den korrekten Ansatz der Steuerrückstellungen zu prüfen und zu beurteilen, ob die gesetzlichen Vertreter der geprüften Gesellschaft gegen gesetzliche Vorschriften oder die Satzung verstoßen haben. Im Rahmen der Prüfung des internen Kontrollsystems ist zu prüfen, ob angemessene Regelungen bestehen, die geeignet sind, Verstöße oder Fehler zu bemerken. In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche Auswirkungen eine fehlende oder unzutreffende Verrechnungspreisdokumentation auf die Jahresabschlussprüfung haben kann.

Zunächst einmal stellt sich hier die Frage, ob der Abschlussprüfer das Problem überhaupt erkennt, und falls ja, ob er die Folgen kennt und die richtigen Schlüsse daraus zieht. In jedem Fall empfiehlt es sich für Abschlussprüfer, die nicht mit dem internationalen Steuerrecht vertraut sind und ein Unternehmen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen prüfen, einen steuerlich versierten Kollegen hinzuzuziehen, der die Steuerberechnung prüft und erkennen kann, ob das geprüfte Unternehmen seinen steuerlichen Obliegenheiten nachgekommen ist.

Sofern der Abschlussprüfer oder der von ihm beauftragte Steuerexperte erkennt, dass das geprüfte Unternehmen ein steuerliches Problem im Bereich Verrechnungspreisdokumentation hat, stellt sich die Frage, wie er damit umgehen sollte.

Bei der Prüfung des internen Kontrollsystems kann dies dazu führen, dass die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Managements eingeschränkt wird und ein Risiko wesentlicher falscher Angaben in der Rechnungslegung aufgrund von Verstößen vorliegt, was sich negativ auf die Beurteilung des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems auswirkt. Bei eingeschränkter Kontrollzuverlässigkeit ist eine Ausweitung der Funktionsprüfungen vorzunehmen, was den Zeitaufwand für die Prüfung und normalerweise auch die Prüfungskosten erhöht.

In jedem Fall sollte der Abschlussprüfer den Leiter des Rechnungswesens und den Geschäftsführer des geprüften Unternehmens davon in Kenntnis setzen. Ignorieren diese den Hinweis oder messen ihm nicht die angemessene Bedeutung bei, bietet sich je nach Schwere des Verstoßes und Wesentlichkeit des möglichen Risikos für den geprüften Jahresabschluss eine Reihe von Maßnahmen an, Druck auf den Mandanten auszuüben. Fruchtet die mündliche Berichterstattung an den Mandanten nicht, ist aus Dokumentationszwecken auf jeden Fall eine schriftliche Berichterstattung vorzunehmen. Hierfür bietet sich idR der Management Letter an.

In schwerwiegenden Fällen oder bei mehrfacher Nichtbeachtung und Eskalation des Risikos kann geprüft werden, ob eine Berichterstattung im Prüfungsbericht zwingend erforderlich ist. Dies kann zB bei der Darstellung der Verstöße der gesetzlichen Vertreter gegen gesetzliche Vorschriften erfolgen. In gravierenden Fällen kann es zu einer negativen Beurteilung der Annahme der Unternehmensfortführung (going concern) oder zu einer Einschränkung bzw Versagung des Testats führen. In den meisten Fällen dürfte aber die Androhung einer solchen Maßnahme ausreichen, um das geprüfte Unternehmen zum Handeln zu veranlassen. Jeglicher Hinweis im Prüfungsbericht oder im Lagebericht führt dazu, dass auch das Finanzamt Kenntnis erhalten kann und das als Anlass dafür nimmt, eine Betriebsprüfung anzukündigen.

Unterlässt es der Abschlussprüfer, auf die Einhaltung der Verrechnungspreisdokumentation seines Auftraggebers hinzuwirken, können sich hieraus Konsequenzen für ihn selbst ergeben. Erhält die Wirtschaftsprüferkammer Kenntnis davon und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Berufspflichtverletzung vorliegt, kann das mit einer berufsaufsichtlichen Maßnahme geahndet werden. Als Maßnahmen der Kammer kommen Rüge, Geldbuße bis 500.000 €, befristetes Tätigkeitsverbot oder Berufsausschluss in Betracht, wobei auch Maßnahmen nebeneinander verhängt werden können oder im Wiederholungsfall eine Untersagungsverfügung ausgesprochen werden kann.

Der Mandant, vertreten durch dessen Geschäftsführung bzw Aufsichtsrat, könnte versuchen, den Abschlussprüfer in Regress zu nehmen, wenn er im Rahmen der Abschlussprüfung nicht auf die Verpflichtung zur Verrechnungspreisdokumentation hingewiesen hat. Sofern der Bestätigungsvermerk unzutreffend erteilt worden ist, konnte der Jahresabschluss ggf nicht wirksam festgestellt werden. Damit wären darauf basierende Beschlüsse wie Gewinnausschüttungen zu Unrecht erfolgt.

Personen, die den Prüfungsbericht erhalten haben und im Vertrauen auf dessen Richtigkeit finanzielle Fehlentscheidungen getroffen haben, könnten versuchen, Schadenersatz geltend zu machen. Das könnten zB Gesellschafter, Banken oder andere Kreditgeber sein. Bei Insolvenz könnte der Insolvenzverwalter versuchen, Schadenersatz geltend zu machen. IdR dürfte in diesen Fällen die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung des Abschlussprüfers einspringen. Problematisch wird die Sache dann, wenn diese den Versicherungsschutz ablehnt, weil die Vertragsbedingungen nicht eingehalten worden sind. Hierzu könnte zB eine fehlerhafte Berufsausübung des Wirtschaftsprüfers, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zählen.

Der Abschlussprüfer ist daher gut beraten, sich des Themas anzunehmen und darauf hinzuwirken, dass das geprüfte Unternehmen seinen Verpflichtungen zur Verrechnungspreisdokumentation nachkommt.

3. Zusammenfassung und Ausblick

Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Dokumentation der Verrechnungspreise für deutsche Unternehmen mit umfangreichen Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen im Ausland ernst genommen werden muss. Die Nichtbeachtung führt im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht nur zu empfindlichen Strafen, sondern durch die Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung häufig auch zu hohen Steuernachzahlungen. Ob Österreich ähnliche Sanktionsregelungen einführt, bleibt abzuwarten.


Praxiserfahrung mit der Verrechnungspreisdokumentation in Deutschland - Anfang Seite 223

Die betroffenen Unternehmen und deren Berater sollten sich daher frühzeitig wappnen. Hierzu gehört die rechtzeitige und detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema und auch ein Verständnis für die Relevanz für Verrechnungspreisdokumentationen bei den Entscheidungsträgern in den betroffenen Unternehmen herbeizuführen. In der praktischen Umsetzung kann auf die geschilderten Erfahrungen in Deutschland zurückgegriffen werden. Abschlussprüfer betroffener Unternehmen sollten auf das Erfordernis zur Verrechnungspreisdokumentation hinweisen und bei Versäumnissen prüfen, welche Mittel opportun sind, um das Unternehmen zum Einlenken zu bewegen. Andernfalls laufen sie Gefahr, selbst in die Haftung zu kommen.

Am 13. 7. 2016 hat das deutsche Bundeskabinett den Entwurf eines "Gesetzes zur Umsetzung der Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen" verabschiedet. Damit sollen internationale Zusagen und Verpflichtungen aus dem BEPS-Projekt der OECD und G20 vom Oktober 2015 und aus Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie in nationales deutsches Recht überführt werden. Wesentliche Inhalte betreffen den automatischen Informationsaustausch über "Tax Rulings" und das "Country-by-Country-Reporting" innerhalb der EU. In einem weiteren Aufsatz von Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, der im Herbst 2016 in der RWZ erscheinen wird, wird ein Vergleich zwischen der deutschen und der österreichischen Version der Umsetzung von BEPS Action Plan Nr 13 vorgenommen werden.

Artikel-Nr.
RWZ 2016/51

12.08.2016
Heft 7-8/2016
Autor/in
Oliver Biernat
Dipl.-Kfm. Oliver Biernat ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Fachberater für internationales Steuerrecht. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Benefitax GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main und befasst sich permanent mit Fragen des internationalen Steuerrechts.