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Blockchain, Bitcoin und damit verwandte Begriffe wie Smart Contracts sind derzeit in aller Munde, doch weiß kaum jemand, ob bzw wie diese Instrumente in den Alltag eines Juristen passen. Dieser Artikel erläutert Smart Contracts und zeigt, wie diese uU unsere Arbeit als Juristen verändern könnten.
Um das Anwendungsgebiet der Smart Contracts umfassend näherzubringen, ist es unerlässlich, die dieser Erscheinung zugrunde liegende Technologie kurz zu erklären. Eine Blockchain besteht aus mehreren "blocks", die aneinandergereiht werden, sodass eine "chain" (= Kette) entsteht.1 Auf diesen "blocks" können Transaktionen jeglicher Art gespeichert werden. Ihr Anwendungsgebiet ist nicht auf sogenannte "Kryptowährungen" beschränkt.2 Eine Blockchain ist daher simpel gesprochen eine "Datenkette".
Doch was zeichnet diese Datenkette aus bzw was macht sie so besonders?
Bei einer Blockchain handelt es sich um ein "Geschäftsbuch" (= "distributed ledger"), das dezentral auf vielen verschiedenen Rechnern gespeichert wird.3 Personen, die die Blockchain auf ihren Rechner geladen haben, bezeichnet man als "nodes". Sie müssen zunächst die Blockchain auf ihrem Rechner speichern und diese in weiterer Folge ständig durch das Herunterladen neuer "blocks" aktuell halten. Darüber hinaus überprüfen die "nodes"4 die neuen Datensätze. Die Erweiterung der Blockchain um einen weiteren - neue Transaktionen beinhaltenden - "block" bedarf eines Konsenses zwischen den "nodes" über die Echtheit und Richtigkeit der Transaktionen.5
Es findet daher in einer Blockchain - anders als in klassischen Systemen, in denen zB institutionelle, zentrale Stellen die Kontrolle übernehmen - eine dezentralisierte Prüfung Vieler anstelle der zentralistischen Kontrolle des Einzelnen statt.6
Dieses dezentrale Element, das durch die gegenseitige Kontrolle der "nodes" sicherheitserhöhend wirkt, ist einer der großen Vorteile, die Blockchain-Befürworter gegenüber klassischen Systemen sehen.
Im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie fällt immer häufiger der Begriff der Smart Contracts. Erstmals beschäftigte sich Nick Szabo, einer der bekanntesten Informatiker auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie, 1994 mit dieser Idee.7 Zunächst handelte es sich dabei um eine abstrakte Idee, der erst durch die Entwicklung der Blockchain und die dadurch gewonnene Möglichkeit der Hinterlegung des Programmcodes auf der Blockchain Praxisrelevanz zukam.8
Doch was genau kann man sich unter dem Begriff Smart Contracts vorstellen?
Durch eine spezielle Software ("Contractware") können Vertragsinhalte in einen Programmcode übersetzt werden. Dieser Code ist als Wenn-Dann-Bedingung ausgestaltet. Ein Smart Contract zeichnet sich daher dadurch aus, dass bei Eintritt der Bedingung ("Wenn") ohne die Erforderlichkeit weiterer Schritte der Vertrag erfüllt wird ("Dann"). Durch das Hinterlegen des Programmcodes auf einer Blockchain sind die kennzeichnenden Eigenschaften einer Blockchain auch für Smart Contracts charakteristisch. Smart Contracts sind daher insb beinahe unveränderlich, öffentlich und dadurch für alle Nutzer der Blockchain einsehbar. Dieses Öffentlichkeitselement stellt die Durchführung des Vertrags sicher, da die Vertragsleistung durch die Nutzer der Blockchain erst ausgelöst wird, wenn die Mehrheit der Nutzer den Eintritt der dieser Leistung vorhergehenden Bedingung bestätigen. Wie unter Pkt 1. beschrieben, muss hierfür Konsens zwischen den "nodes" bestehen.
Berentsen/Schär definieren Smart Contracts als "geskriptete Abfolgen, welche mindestens ein Resultat an bestimmte Bedingungen und/oder Ereignisse knüpfen. Der Vollzug dieser Ab-
folge wird durch die Blockchain, also durch das Register und das Konsensprotokoll besichert."9 Vereinfacht gesagt kann man sich Smart Contracts als ein digitales Protokoll vorstellen, das vorprogrammierte Vertragsbedingungen automatisch ausführen kann.
Ethereum - Plattform für Smart Contracts
Ethereum ist neben der Bitcoin-Blockchain wohl die bekannteste Blockchain-Plattform. Bekannt ist die Blockchain vor allem für ihre eigene Kryptowährung (Ether), doch gibt sie darüber hinaus auch die Möglichkeit, Smart Contracts auf ihr abzulegen.
Wie bereits erwähnt können Smart Contracts der Umsetzung "klassischer Verträge" dienen, doch kann man den englischen Begriff Smart Contracts auch wörtlich ins Deutsche übersetzen?
Kann es sich dabei also um "Verträge" im herkömmlichen Sinn handeln oder gar um "intelligente Verträge", die sich nicht nur selbst umsetzen, sondern auch abschließen? In der Literatur wird "Smart" in diesem Zusammenhang als eigenständiger, automatischer Ablauf vorprogrammierter Bedingungen, die ohne weitere Zwischenschritte von selbst eintreten, verstanden. Eine digital programmierte Folge einer Bedingung soll eo ipso in der Realität eintreten.10 Der folgende Punkt setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern auch der Vertragsabschluss automatisiert werden kann und ob Smart Contracts auch Verträge im klassischen Sinn sein können.
Ein Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen (mindestens zweier Personen) zustande (§ 861 ABGB). Auf der einen Seite steht das Anbot, dem die Annahme gegenübersteht. Das Anbot muss ausreichend bestimmt sein, das bedeutet, dass es bereits die wesentlichen Punkte des zukünftigen Vertrags enthalten muss. Bei einem Kaufanbot wäre dies bspw Bestimmbarkeit von Ware und Preis.11
Regelmäßig wird ein solcher - klassischer - Vertragsabschluss einer Durchführung durch einen Smart Contract vorgelagert sein. Es handelt sich also in den meisten Fällen, wie schon Buchleitner/Rabl treffend formuliert haben, um eine "smarte Erfüllung" eines "unsmart abgeschlossenen Vertrages".12
Dabei drängt sich die Frage auf, ob auch ein völlig automatisierter Vertragsabschluss durch die Ausgestaltung von Wenn-Dann-Beziehungen möglich ist. Ein "wirklich smarter" Vertrag?
Damit es sich um einen smarten "Vertrag" im herkömmlichen Sinn handelt, müsste auch die Willensübereinkunft automatisch erfolgen. Im österreichischen Zivilrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, weswegen es keine taxative Auflistung von möglichen Vertragsabschlusswegen gibt.13 Somit dürfte auch ein vollkommen digitalisierter Vertragsabschluss grundsätzlich zulässig sein, solange keine Einhaltung besonderer Formvorschriften (zB Notariatsakt) verpflichtend ist.
Eine solche - vollkommen digitalisierte und automatisierte - Willensübereinkunft kann nach Ansicht der Autoren in dem nachfolgenden Anwendungsbeispiel erreicht werden.
Anwendungsbeispiel "e-Book"
Auf einer Blockchain kann ein durch Angabe des Kaufpreises ausreichend bestimmtes Anbot eines bestimmten e-Books (durch Hinterlegung eines Programmcodes) abgegeben werden. In weiterer Folge kann durch einen Smart Contract determiniert werden, dass bei der Überweisung des Kaufpreises in der bestimmten Kryptowährung, automatisch und ohne Erfordernis weiterer Handlungen, ein Link zum Download des e-Books an den Käufer versandt wird.
Das Anbot (durch die Hinterlegung des ausreichend bestimmten Programmcodes auf der Blockchain) richtet sich nicht an eine bestimmte Person, sondern an einen unbestimmten Personenkreis. Es handelt sich aber um ein zulässiges offertum ad incertas personas.14 Analog zu einem Automatenkauf, bei dem das Aufstellen und Bestücken des Automaten die Willenserklärung des Verkäufers "zwischenspeichert" und dieses ein bedingtes Anbot darstellt kommt es in der digitalen Welt zur Abgabe eines solchen Anbots.15 Das Anbot ist durch die Warenverfügbarkeit bedingt, wobei es bei einem Link zu einem e-Book wohl keine quantitative Beschränkung gibt. In dem Anwendungsbeispiel ist daher uE bereits die Hinterlegung des Programmcodes auf der Blockchain ein offertum ad incertas personas (bedingt durch die spätere Möglichkeit des Downloads).
Nach Ansicht der Autoren sorgt die Blockchain in diesem Fall nicht nur für die Durchführung eines Vertrags, sondern auch für die Zusammenführung der "Vertragspartner" und für die für einen Vertrag notwendige Willensübereinkunft (mindestens) zweier Personen. In dem zuvor dargelegten Anwendungsbeispiel kommt durch Überweisung des Betrags ein Kaufvertrag zustande. Die Überweisung ist hier als (konkludente) Annahme des Anbots an die Öffentlichkeit zu werten. Durch die vorprogrammierte Bedingung "Wenn Betrag überwiesen, dann Downloadlink versenden" erfolgt die Abwicklung smart, also automatisch ohne weiteres Zutun.
In einem solchen Fall handelt es sich nach Meinung der Autoren um einen Vertrag, der die Erfordernisse des österreichischen Zivilrechts erfüllt, obwohl er von dem "klassischen Bild" des Vertragsabschlusses abweicht. Es sind daher auch auf einen solchen digital abgeschlossenen Vertrag die
Rechtsfolgen des klassischen Zivilrechts anzuwenden (insb zB Konsumentenschutzbestimmungen).
Beispiele, die einen Abschluss eines Vertrags im klassischen Sinn voraussetzen und lediglich die Erfüllungshandlung durch einen Smart Contract ausführen lassen, gibt es mittlerweile reichlich. Die Autoren erachten folgende Anwendungsmöglichkeiten für die juristische Praxis von großer Bedeutung, weil sie denken, dass (manche) diese(r) Leistungen in (naher) Zukunft auf dem Markt nachgefragt werden könnten, weswegen Juristen sich mit den rechtlichen Implikationen, die sich daraus ergeben, auseinandersetzen müssen. Smart Contracts zur Vertragsausführung sind ua im Bereich des Autoleasings zu finden. Es wird zunächst ein Vertrag über die Rahmenbedingungen eines Autoleasings zwischen den Vertragspartnern abgeschlossen. Auf diesem Vertrag aufbauend wird vereinbart, dass "wenn" die fällige Leasingrate für den jeweiligen Zeitraum nicht überwiesen wird, in der Folge ("dann") das Auto durch eine automatische Wegfahrsperre blockiert wird. Es kommt hier durch den Smart Contract zu einer Überprüfung, ob die virtuelle Währung (das "Wenn-Element") erfüllt ist, und bei Erfüllung zur Ausführung einer Handlung (das "Dann-Element"), die eine Auswirkung in der "realen" Welt hat. Ähnlich verhält sich die Situation im Fall von dynamischen Versicherungsprämien, die sich automatisch mit Verkehrsvergehen des Versicherungsnehmers erhöhen bzw bei Fehlen reduzieren.16
Weiters könnten durch "Wenn-Dann-Beziehungen" gewisse Vertretungsbefugnisse abgebildet werden, was den gesellschaftsrechtlichen Alltag massiv erleichtern könnte. Es könnte bspw auf einer Blockchain (und damit für alle Teilnehmer zugänglich) hinterlegt werden, dass die Geschäftsführer A und B Geschäfte bis 1 Mio € jeweils allein tätigen dürfen und durch Bestätigung von sowohl A als auch B alle Geschäfte getätigt werden dürfen.
Darüber hinaus können, wie in dem Praxisbeispiel "Fizzy" unten, gewisse Versicherungsverträge über Smart Contracts ausgeführt werden. Nach Ansicht der Autoren kann bspw die Einstufung in Versicherungsstufen durch Smart Contracts erfolgen. Es kann ein Smart Contract derart programmiert werden, dass die Anzahl der Unfälle die Einstufung determiniert, zB wenn <1 Unfall in den letzten 36 Monaten, dann Stufe 0 oÄ.
Neben diesen Funktionen kann ebenfalls Kapital im Rahmen von Crowdfunding über Smart Contracts aufgenommen werden.
Praxisbeispiel "Fizzy - flight insurance" von AXA
Der französische Versicherungskonzern AXA brachte Ende 2017 die erste vollautomatisierte Versicherung für Flugverspätungen "Fizzy" auf den Markt. Der digitalisierte Vertragsinhalt: Wenn Flugverspätung (= Schadensfall), dann Auszahlung (Höhe variabel, je nach Dauer der Verspätung), ist auf der Blockchain Ethereum gespeichert. Fizzy ist mit der Flugdatenbank verbunden, wodurch eine Schadensmeldung durch den Kunden überflüssig wird und die Auszahlung im Fall eines Anspruchs automatisch ausgelöst wird. Es handelt sich hierbei um den klassischen Fall eines Smart Contracts als Vertragsausführung, den Szabo auch bei der Entwicklung der Smart Contracts im Blick hatte. Smart Contracts in diesem Sinn sind nach Ansicht der Autoren zweifelsohne nicht als Verträge im juristischen Sinn anzusehen, sie sind lediglich automatisierte Erfüllungshandlungen eines im Vorfeld abgeschlossenen Vertrags.
Das wohl größte Benefit der Anwendung von Smart Contracts ist das Obsoletwerden einer überwachenden Instanz, wie zB eines Treuhänders. Das gesamte Peer-to-Peer-Netzwerk kann Einsicht in den Blockchain-basierten Smart Contract nehmen und sorgt somit für die Einhaltung.
Welche Möglichkeiten bei der Nichteinhaltung und in weiterer Folge zur Rechtsdurchsetzung bestehen, ist noch nicht abschließend geklärt. Grundsätzlich dürfte aber nichts dagegensprechen, die herkömmlichen Regeln des Zivilrechts anzuwenden.17
Wie der Jurist gern sagt: "Es kommt darauf an." Im Fall der Smart Contracts hängt es von der Abschlussform ab, ob tatsächlich ein Vertrag vorliegt oder ob der Smart Contract lediglich Erfüllungshandlungen eines Vertrags übernimmt, sohin einen Vertrag bloß "smart umsetzt".
Gupta, Blockchain, IBM Limited Edition (2017) 14.
Creusen/Gall/Hackl, Digital Leadership. Führung in Zeiten des digitalen Wandels (2017) 17.
Hildner, Bitcoins auf dem Vormarsch: Schaffung eines regulatorischen Level Playing Fields? BKR 2016, 485.
Genauer "full nodes".
Keding, Die aufsichtsrechtliche Behandlung von Machine-to-Machine-Zahlungen unter Rückgriff auf Peer-to-Peer-Netzwerke, WM 2018, 64 (67); Marr, A Complete Beginner’s Guide to Blockchain, Forbes Magazin, www.forbes.com/sites/bernardmarr/2017/01/24/a-complete-beginners-guide-to-blockchain/#243d36976e60 (3. 3. 2018); Berentsen/Schär, Bitcoin, Blockchain und Kryptoassets (2017) 205.
Gupta, Blockchain, IBM Limited Edition (2017) 14.
Szabo, Formalizing and Securing Relationships on Public Networks, First Monday (1997), http://ojphi.org/ojs/index.php/fm/article/view/548/469) (3. 3. 2018).
Ehrke-Rabel/Hödl/Pachinger/Schneider, Kryptowährungen, Blockchain und Smart Contracts: Risiken und Chancen für den Staat (Teil I), jusIT 2017, 87 (88).
Berentsen/Schär, Bitcoin, Blockchain und Kryptoassets (2017) 289.
Knoll, Blockchain und Smart Contracts - ein kurzer Abriss, ZIIR 2016, 409.
Koziol - Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 399.
Buchleitner/Rabl, Blockchain und Smart Contracts, ecolex 2017, 4.
Koziol - Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 311.
Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 861 Rz 21.
Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 861 Rz 21 mwN.
Ehrke-Rabel/Hödl/Pachinger/Schneider, Kryptowährungen, Blockchain und Smart Contracts: Risiken und Chancen für den Staat (Teil I), jusIT 2017, 87 (90).
So auch Ehrke-Rabel/Hödl/Pachinger/Schneider, Kryptowährungen, Blockchain und Smart Contracts: Risiken und Chancen für den Staat (Teil I), jusIT 2017, 87 (90).