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Fachlicher Hinweis des IDW vom 25. 3. 2020
Das IDW hatte am 04.03.2020 einen ersten Fachlichen Hinweis veröffentlicht, in dem die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ausgewählte Aspekte der HGB- und IFRS-Rechnungslegung für Abschlüsse und Lageberichte zum 31.12.2019 und deren Prüfung dargelegt wurden. Der erste Fachliche Hinweis des IDW wurde auf der IDW Website unter https://www.idw.de/idw/im-fokus/coronavirus veröffentlicht.
Das vorliegende Dokument baut auf diesem Hinweis auf bzw. ergänzt diesen, u.a. um die Auswirkungen auf Abschlüsse und Lageberichte für Berichtsperioden, die nach dem 31.12.2019 enden, und um ausführlichere Hilfestellungen zum Prüfungsprozess. Soweit die Ausführungen im Hinweis vom 04.03.2020 auch Relevanz für Berichtsperioden haben, die nach dem 31.12.2019 enden, wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf diese verwiesen.
Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf verschiedenste Bilanzierungssachverhalte, die Angaben im Anhang sowie die Berichterstattung im Lagebericht. Nachfolgend werden ausgewählte Aspekte der HGB- (Abschn. 3.) bzw. der IFRS-Rechnungslegung (Abschn. 4.) in Abschlüssen und Lageberichten mit Stichtag nach dem 31.12.2019 und solchen mit Stichtag am 31.12.2019 behandelt. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die nachstehenden Ausführungen nur allgemeiner Art sein können und der sachgerechte Umgang mit den zu beurteilenden Sachverhalten von den konkreten Umständen des Einzelfalls bestimmt wird. Aufsteller und Abschlussprüfer dürften dabei in noch höherem Ausmaß als bisher mit Ermessensentscheidungen konfrontiert sein. Die Ausführungen gelten grundsätzlich sowohl für die einzelgesellschaftliche Rechnungslegung als auch für die Konzernrechnungslegung. Besonderheiten der HGB-Konzernrechnungslegung werden in einem eigenen Abschnitt behandelt. Auf branchenspezifische Fragen der Rechnungslegung und Prüfung wird nicht eingegangen.
In Abschn. 5. werden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Prüfungsprozess dargelegt. Dabei wird auf Besonderheiten bei der Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken, die Auswirkungen der Risikobeurteilung auf weitere Prüfungshandlungen einschließlich der Beurteilung der Going Concern-Prämisse, den Umgang mit Einschränkungen bei der Erlangung von Prüfungsnachweisen, die Kommunikation mit den für die Überwachung Verantwortlichen sowie die Berichterstattung des Abschlussprüfers und nachgelagerte Pflichten des Abschlussprüfers eingegangen.
Praktische Fragen, die sich aus der Digitalisierung der Büro-Organisation ergeben, werden im Fragen-Antworten-Katalog "Digitaler Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk" behandelt. Dazu gehören insb. Fragen zur Unterzeichnung elektronischer Prüfungsberichte und Bestätigungsvermerke, die Verwendung elektronischer Jahresabschlüsse und Bescheinigungen, Fern-Signaturen oder die Kombination von Papier- und digitalen Dokumenten.
Bei der Beurteilung der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, der bei der Bewertung von Aktiv- und Passivposten erforderlichen Prognosen, sowie bei Prognosen im Lagebericht sind konkretisierte und belastbare Aussagen der Bundesregierung bzw. der Landesregierungen zur Durchführung von Stützungsmaßnahmen bzw. Gewährung von öffentlichen Unterstützungsleistungen zu berücksichtigen, auch wenn hierfür zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks noch erforderliche rechtliche Schritte ausstehen, da deren Umsetzung erwartet werden kann. Die Berücksichtigung solcher Maßnahmen ist im Anhang bzw. Lagebericht zu erläutern.
Ansatz- und Bewertungsstetigkeit
Gemäß §§ 246 Abs. 3 Satz 1, 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB sind die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden einschließlich der Ausübung von Ermessensspielräumen grundsätzlich beizubehalten (Grundsatz der Stetigkeit). In begründeten (d.h. sachlich gerechtfertigten, nicht willkürlichen) Ausnahmefällen darf allerdings von diesem Grundsatz abgewichen werden (§ 252 Abs. 2 HGB). Damit soll sichergestellt werden, dass sich der Bilanzierende geänderten Verhältnissen durch eine abweichende Bilanzierung anpassen kann. Erfasst sind damit vor allem solche Änderungen der Verhältnisse, die der Bilanzierende nicht selbst herbeigeführt hat oder denen er sich auch nicht anderweitig entziehen kann. Allgemein sind Durchbrechungen des Grundsatzes der Stetigkeit dann zulässig, wenn dadurch ein besserer Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt wird. Darüber hinaus darf der Stetigkeitsgrundsatz auch bei anderen Sachverhalten durchbrochen werden, etwa wenn eine Abweichung erforderlich ist, um steuerliche Ziele zu verfolgen (vgl. IDW RS HFA 38, Tz. 15). Gegebenenfalls könnte auch die Einleitung andernfalls gefährdeter Sanierungsmaßnahmen als Rechtfertigungsgrund für die Durchbrechung des Grundsatzes der Stetigkeit in Betracht kommen.
Die Folgen des Coronavirus stellen ohne Zweifel ein gravierendes exogenes Ereignis dar, mit ebensolchen Auswirkungen sowohl auf die Unternehmen selbst als auch auf ihr Umfeld. Soweit dies individuell zu einer erheblichen Entwicklungsbeeinträchtigung oder gar einer Krise führt, ist eine Anpassung der bisherigen Bilanzpolitik unter Umständen möglich. Das gilt etwa dann, falls die bisherige Bilanzpolitik zur Legung stiller Reserven geführt hat und dies fortan vermieden werden soll.
Durchbrechungen des Grundsatzes der Stetigkeit sind im Anhang anzugeben und zu begründen (§ 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Dabei ist auf Konsistenz zu den übrigen Angaben im Anhang (vgl. Abschn. 3.1.2. und 3.2.5.), aber auch im Lagebericht (vgl. Abschn. 3.1.3.) zu achten.
Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Stetigkeit liegt nicht vor, falls im Rahmen von Ermessensentscheidungen durch die Corona-Pandemie induzierte Erkenntnisse verwertet werden (müssen), etwa im Hinblick auf die Bestimmung außerplanmäßiger Abschreibungen in Abschlüssen mit Stichtag nach dem 31.12.2019 (vgl. dazu die Ausführungen zu den einzelnen Bilanzposten in Abschn. 3.2.).
Wegfall der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit sowie bestandsgefährdende Risiken
Kann infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht mehr von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), ist der Abschluss unter Abkehr von der Going Concern-Annahme in Anwendung der Regelungen des IDW RS HFA 17 (z.B. Bewertung unter Liquidationsgesichtspunkten) aufzustellen. Ob eine Aufstellung unter Zugrundelegung der Going Concern-Prämisse vertretbar oder nicht mehr vertretbar ist, hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zur Beurteilung durch den Abschlussprüfer Abschn. 5.1. und 5.2.). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Going Concern-Annahme gilt eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip. Danach ist der Abschluss auch dann unter Abkehr von der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufzustellen, wenn die Ursache für die Abkehr erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten ist.
Kann der Abschluss zwar (noch) zulässigerweise unter Zugrundelegung der Going Concern- Prämisse aufgestellt werden, bestehen aber ungeachtet dessen wesentliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können (= bestandsgefährdende Risiken i.S. des IDW PS 270 n.F.), muss der Bilanzierende im Anhang - oder bei Entfall eines Anhangs z.B. unter der Bilanz - diese Tatsache sowie den geplanten Umgang mit diesen Risiken angeben. Zudem ist im Falle der Aufstellung eines Lageberichts über die bestandsgefährdenden Risiken im Lagebericht zu berichten; im Anhang kann auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden. Zur Berücksichtigung von öffentlichen Stützungsmaßnahmen bei der Beurteilung der Angemessenheit der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit vgl. Abschn. 2.
Zum Gegenstand der Nachtragsberichterstattung im Anhang wird auf den Hinweis vom 04.03.2020 (S. 2 f.) verwiesen.
Zu den Besonderheiten der Risiko- und Prognoseberichterstattung in Zeiten der Corona-Pandemie wird auf die entsprechenden Ausführungen im Hinweis vom 04.03.2020 verwiesen.
Bei der Erstellung des Prognose- und des Risiko- und Chancenberichts müssen jedenfalls solche prognose- und risikoberichtsrelevanten Erkenntnisse und Ereignisse noch im Lagebericht Berücksichtigung finden, die zwischen dem Zeitpunkt der (in diesem Fall nur vorläufigen) Beendigung der Aufstellung des Lageberichts und der Erteilung des Bestätigungsvermerks erlangt werden bzw. eintreten.
Zur Berücksichtigung von öffentlichen Stützungsmaßnahmen bei der Erstellung des Prognose- und des Risiko- und Chancenberichts vgl. Abschn. 2.
Gemäß § 264 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB sind Jahresabschluss und Lagebericht einer Kapitalgesellschaft in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen; für kleine Kapitalgesellschaften verlängert sich die Frist auf maximal sechs Monate. Durch die Auswirkungen des Coronavirus kann es aus unterschiedlichen Gründen zu Verzögerungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses kommen (z.B. Ausfall von Buchhaltungspersonal, kein Zugang zu relevanten Informationen etc.). Daraus kann die faktische Unmöglichkeit zur Einhaltung der gesetzlichen Fristen resultieren. Das HGB sieht keine expliziten Sanktionen bei Verstößen gegen die Aufstellungsfristen vor. Gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB ist ein Verstoß gegen die Aufstellungsfristen allerdings strafbewehrt, wenn die gesetzlichen Vertreter die Zahlungen eingestellt haben, über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Aufgrund einer unverschuldeten faktischen Unmöglichkeit, einen Jahresabschluss fristgerecht aufzustellen, entfällt der herrschenden Auffassung folgend der Straftatbestand.
Der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft ist gemäß § 325 Abs. 1a Satz 1 HGB spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag offenzulegen. Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i.S. des § 264d HGB, die keine Kapitalgesellschaften i.S. des § 327a HGB sind, gilt gemäß § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB eine verkürzte Frist von längstens vier Monaten. Verstöße gegen die Offenlegungspflichten werden gemäß § 335 Abs. 1 und 1a HGB mit einem Ordnungsgeld sanktioniert. Durch die Verzögerungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses sind in der Folge auch Verstöße gegen die Offenlegungsfristen naheliegend. Allerdings ist nach § 335 Abs. 5 Satz 1 HGB im Falle einer unverschuldeten Behinderung, den gesetzlichen Pflichten (zur Offenlegung) nachzukommen, auf Antrag beim Bundesamt für Justiz eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die durch das Coronavirus ausgelösten weitreichenden und unvorhersehbaren Folgen sollten eine solche unverschuldete Behinderung darstellen.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ggf. nicht jeder vorliegende Verstoß aus einer bisher unterbliebenen Aufstellung oder Offenlegung die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung rechtfertigt. Soweit den gesetzlichen Pflichten aus objektiv nicht durch das Coronavirus verursachten Gründen in der Vergangenheit nicht nachgekommen worden ist, kann es also zu den gesetzlich vorgesehenen Sanktionen kommen.
Wertaufhellung und Wertbegründung
Nach Auffassung des IDW ist i.d.R. davon auszugehen, dass die Verbreitung des Coronavirus als weltweite Gefahr nach dem 31.12.2019 als wertbegründend einzustufen ist und dementsprechend die bilanziellen Konsequenzen erst in Abschlüssen mit Stichtag nach dem 31.12.2019 zu berücksichtigen sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Die sprunghafte Ausweitung der Infektionen, die zu den aktuellen wirtschaftlichen Auswirkungen geführt hat, ist ab Januar 2020 aufgetreten (vgl. Hinweis vom 04.03.2020, S. 2). Für Abschlüsse mit Stichtag nach dem 31.12.2019 ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass die aktuellen, nach dem Abschlussstichtag gewonnenen Erkenntnisse über die Folgen des Coronavirus als wertaufhellend anzusehen und bei der Bilanzierung zu berücksichtigen sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Inwieweit auch nach dem 31.12.2019 noch eine Wertbegründung hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen möglich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Generell ist davon auszugehen, dass eine Wertbegründung umso weniger anzunehmen sein sollte, je weiter der Berichtsstichtag nach dem 31.12.2019 liegt. Zum 31.03.2020 ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Pandemie im Abschluss zu berücksichtigen ist.
Zur Stützung der nationalen und internationalen Volkswirtschaften sind bereits umfangreiche Maßnahmen mit direkten und indirekten Hilfen für die Unternehmen umgesetzt oder angekündigt worden. Soweit hieraus etwa direkte Ansprüche der Unternehmen entstehen, z.B. ein Anspruch auf Liquiditätshilfe oder Zuschuss gegenüber einer Behörde, sind diese erst nach einer als verbindlich zu wertenden Zusage bilanziell zu erfassen. Nicht rückzahlbare Zuschüsse, an die auch keine Bedingungen eines künftigen Verhaltens geknüpft sind, können nach deren verbindlicher Zusage unmittelbar und in voller Höhe erfolgswirksam vereinnahmt werden (vgl. grundsätzlich zu Zuwendungen der öffentlichen Hand IDW St/HFA 1/1984).
Krisenbedingte Beschlüsse des Managements, etwa zu Personal- oder Arbeitszeitmaßnahmen, sind grundsätzlich erst nach einer verbindlichen Entscheidung bilanziell zu berücksichtigen (zur Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit vgl. Abschn. 3.1.1. und zur Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen vgl. sogleich).
Bilanziell rückwirkende Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen
In Durchbrechung des Stichtagsprinzips wird es in Anwendung des dem § 234 AktG zugrunde liegenden Rechtsgedankens nach der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung (unter bestimmten Bedingungen) als zulässig angesehen, die bilanziellen Konsequenzen aus einer nach dem Abschlussstichtag durchgeführten Sanierungsmaßnahme bereits in dem Abschluss zu diesem Stichtag zu berücksichtigen. Die Zulässigkeit setzt kumulativ voraus, dass durch die Sanierungsmaßnahme kein ausschüttungsfähiger (Bilanz-)Gewinn entsteht, die Maßnahme spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses rechtswirksam geworden ist und sie im Anhang erläutert wird.
Anzumerken ist, dass (unabhängig vom Zeitpunkt) ein von einem Gläubiger ausgesprochener Rangrücktritt - auch sofern dieser in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO erfolgt - in der Handelsbilanz nicht zur Ausbuchung der betreffenden Verbindlichkeit führt.
Bewertungseinheiten
Wurde bislang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sog. antizipative Bewertungseinheiten zu bilden, d.h. künftige, mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Absatz- oder Beschaffungsgeschäfte als Grundgeschäfte zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten als Sicherungsinstrumente zusammenzufassen, kann nunmehr die Auflösung solcher Bewertungseinheiten notwendig sein. Dies ist der Fall, wenn anders als im Zeitpunkt der Begründung der Bewertungseinheit aufgrund der eingetretenen Entwicklungen nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die erwartete Transaktion tatsächlich bzw. zu dem bislang angenommenen Zeitpunkt stattfinden wird. Nur unwesentliche zeitliche Verzögerungen sind als unschädlich anzusehen.
Auch "herkömmliche", nicht-antizipative Bewertungseinheiten müssen aufgelöst werden, wenn ein als Grundgeschäft (im Falle eines Finanzinstruments mit Forderungscharakter) oder als Sicherungsinstrument einbezogenes Finanzinstrument infolge der Auswirkungen der Corona- Pandemie als akut ausfallgefährdet einzustufen ist.
Bei der Beurteilung in der Vergangenheit gebildeter Bewertungseinheiten bzw. der ihnen zugrunde liegenden Geschäfte ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmen grundsätzlich mit staatlichen Hilfen rechnen können. Dies sollte vor allem für solche Unternehmen gelten, die bisher eine stabile wirtschaftliche Lage verzeichnet haben.
Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen
Bei immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens sowie Sachanlagen ist gemäß § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB eine außerplanmäßige Abschreibung erforderlich, falls der beizulegende Wert den Buchwert voraussichtlich dauernd unterschreitet. Die allgemein verschlechterte Ertragslage der Unternehmen allein rechtfertigt keine außerplanmäßige Abschreibung.
Weder die Ermittlung des beizulegenden Werts noch das Kriterium der Dauerhaftigkeit sind gesetzlich normiert. Für den beizulegenden Wert existieren in der Praxis verschiedene Vergleichswerte (vgl. hierzu z.B. IDW S 5). Besonderheiten aufgrund der aktuellen Bewertungssituation bestehen grundsätzlich nicht, allerdings können bestimmte Vergleichswerte z.B. aufgrund geänderter Marktverhältnisse nur schwer oder auch gar nicht zu ermitteln sein.
Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung bei abnutzbaren Vermögensgegenständen des Anlagevermögens wird grundsätzlich angenommen, falls der beizulegende Wert zum Abschlussstichtag den Wert, der sich unter Berücksichtigung planmäßiger Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer unterschreitet. Hier kann konkretisierend mehr als die halbe Restnutzungsdauer oder ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren herangezogen werden.
Für die Einstellung oder Einschränkung der Nutzung von Anlagen gilt Folgendes:
- | Vorübergehend stillgelegte oder eingeschränkt genutzte Anlagen sind weiterhin planmäßig abzuschreiben. Bei dauerhaft eingeschränkter Nutzung sind ggf. zusätzliche außerplanmäßige Abschreibungen erforderlich. |
- | Dauerhaft stillgelegte Anlagen sind zum Zeitpunkt der Stilllegung auf den Veräußerungswert (im Zweifel den Schrottwert) außerplanmäßig abzuschreiben. |
Falls die Gründe für einen nach einer außerplanmäßigen Abschreibung bestehenden niedrigeren Wertansatz zu einem späteren Stichtag nicht mehr bestehen, ist eine Wertaufholung geboten (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB).
Hinsichtlich der Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts i.S. des § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB gelten die Ausführungen zum Geschäfts- oder Firmenwert aus der Kapitalkonsolidierung in Abschn. 3.2.6. entsprechend.
Finanzanlagevermögen
Finanzanlagen müssen nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB nur im Falle einer voraussichtlich dauernden Wertminderung abgeschrieben werden; ist die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer, besteht nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB ein Abschreibungswahlrecht. Auf die Frage, ob eine am Abschlussstichtag gegenüber dem letzten Buchwert eingetretene Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist, gibt es keine explizite gesetzliche Antwort. Allerdings sind dazu in der Praxis anerkannte Regelungen entwickelt worden.
Für Wertpapiere, die öffentlich gehandelt werden (und die eine hinreichend lange Handelsdauer bis zum Bewertungsstichtag aufweisen), insb. börsennotierte Aktien, hat der Versicherungsfachausschuss (VFA) in IDW RS VFA 2 i.V.m. der Berichterstattung über die 149. Sitzung des VFA Indikator-Kriterien entwickelt, mithilfe derer die Beantwortung der Frage, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung gegeben ist oder nicht, operationalisiert werden kann. Diese Kriterien gelten auch für Unternehmen außerhalb der Versicherungsbranche und sind auch in der gegenwärtigen Situation anzuwenden. Danach ist die Wertminderung solcher Wertpapiere als voraussichtlich dauernd anzusehen, wenn entweder
a) | der Zeitwert (= Marktwert/Tagesschlusskurse) des Wertpapiers in den dem Abschlussstichtag vorangegangenen sechs Monaten permanent um mehr als 20 % unter dem letzten Buchwert lag, oder |
b) | der Zeitwert des Wertpapiers über einen längeren Zeitraum als ein Geschäftsjahr unter dem letzten Buchwert lag und zudem der (einfache) Durchschnitt der täglichen Börsenschlusskurse des Wertpapiers in den letzten zwölf Monaten um mehr als 10 % unter dem letzten Buchwert lag. |
Wird der beizulegende Wert von Finanzanlagen, insb. im Falle von Beteiligungen oder Anteilen an nicht börsennotierten Unternehmen, über ein Zukunftserfolgswertverfahren (Ertragswert- oder DCF-Verfahren) ermittelt, ist zu beachten, dass sich die in das Bewertungskalkül eingehenden finanziellen Überschüsse oftmals infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie gegenüber den bisherigen Prognosen verschlechtern dürften. Resultiert aus dieser Ermittlung ein Wert, der unterhalb des bisherigen Buchwerts der Beteiligung bzw. Anteile liegt, ist regelmäßig - d.h. bei Fehlen substantiierter Anhaltspunkte für das Gegenteil - davon auszugehen, dass die Wertminderung voraussichtlich dauernd ist und demzufolge eine Abschreibung notwendig ist.
Zur Berücksichtigung von öffentlichen Stützungsmaßnahmen bei der Ermittlung des beizulegenden Werts von Finanzanlagen vgl. Abschn. 2.
Vorräte
Bei der Ermittlung der Herstellungskosten dürfen gemäß § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB nur angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten sowie des Werteverzehrs des Anlagevermögens berücksichtigt werden, soweit diese durch die Fertigung veranlasst sind. Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus kann es durch vorübergehende Stilllegungen oder Nutzungseinschränkungen zu einer erheblichen Auslastungsbeschränkung von Anlagen kommen. Gleiches gilt, wenn Herstellungsvorgänge, z.B. durch die Unterbrechung von Lieferketten, ihrerseits unterbrochen werden müssen. Die auf diese Zeiträume entfallenden Gemeinkosten stellen nicht angemessene und nicht aufgrund der Fertigung veranlasste Kosten dar. Sie dürfen als sog. "Leerkosten" nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden (vgl. auch IDW RS HFA 31 n.F.), sondern stellen Aufwand der Periode dar, in der sie anfallen.
Abschreibungen auf das Vorratsvermögen sind nach § 253 Abs. 4 HGB vorzunehmen. In der aktuellen Situation können Abschreibungen vor allem aufgrund des völligen Entfalls der Veräußerungsfähigkeit, einer gesunkenen Umschlagshäufigkeit (Gängigkeitsabschläge) oder durch erhöhte Lagerkosten im Rahmen der verlustfreien Bewertung resultieren. Bei Entfall der Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung ist gemäß § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB eine spätere Wertaufholung geboten.
Forderungen des Umlaufvermögens
Privatrechtliche Schuldner (insb. Unternehmen) könnten infolge der Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus in Zahlungsschwierigkeiten geraten (sein), wodurch das Risiko der Nichterfüllung (oder der nicht vollständigen oder nicht fristgerechten Erfüllung) von Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen (ggf. signifikant) gestiegen ist. Dem ist durch Vornahme von Abschreibungen auf den "beizulegenden" Wert (Einzelwertberichtigungen) gemäß § 253 Abs. 4 HGB Rechnung zu tragen. Wertaufholungen sind nach § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB geboten.
Zur Berücksichtigung von öffentlichen Stützungsmaßnahmen bei der Ermittlung des beizulegenden Werts von Forderungen vgl. Abschn. 2.
Es sollte ferner in Erwägung gezogen werden, die Pauschalwertberichtigungen auf den nicht bereits einzelwertberichtigten Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen anzuheben.
Rückstellungen
Sowohl mit Blick auf am Abschlussstichtag schwebende Absatz- als auch auf schwebende Beschaffungsgeschäfte kann sich durch die Corona-Pandemie das Erfordernis zur Bildung von Drohverlustrückstellungen ergeben. Das ist dann der Fall, wenn der Wert der vom Bilanzierenden aufgrund eines gegenseitigen Vertrags über die gesamte Restlaufzeit des Vertrags zu erbringenden Leistung hinter dem Wert seines Gegenleistungsanspruchs zurückbleibt (vgl. im Einzelnen IDW RS HFA 4).
Kann die Ausgeglichenheitsvermutung zwischen dem Wert der Leistungsverpflichtung und dem Wert des Gegenleistungsanspruchs infolge der Corona-Pandemie zulasten des Bilanzierenden nicht mehr aufrechterhalten werden, sollte geprüft werden, ob in den zugrunde liegenden Abreden sog. Material Adverse Effect (MAE)- oder Force Majeure-Klauseln enthalten sind, denen die Corona-Pandemie als höhere Gewalt subsumiert werden kann. In der Folge würde die Abnahme- bzw. Lieferverpflichtung des Bilanzierenden ausgesetzt und aus diesem Grund die Pflicht zur Passivierung einer Drohverlustrückstellung entfallen.
Werden in Reaktion auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie Restrukturierungsmaßnahmen beschlossen, ist darauf zu achten, ob die daraus resultierenden Verpflichtungen bereits in dem in Rede stehenden Abschluss in Form einer Verbindlichkeitsrückstellung zu berücksichtigen sind.
Verbindlichkeiten
Auf die Bilanzierung von Verbindlichkeiten dürfte sich die Corona-Pandemie nur in Ausnahmefällen (etwa im Falle einer mit einer Umschuldung bzw. Modifizierung von Darlehensparametern einhergehenden Novation) auswirken, weil sich der Erfüllungsbetrag der Verbindlichkeit durch die Auswirkungen des Coronavirus ansonsten nicht verändert.
Können infolge der Corona-Pandemie etwaige "Covenants" nicht eingehalten werden und berechtigt die Nichteinhaltung den Gläubiger zur vorzeitigen Fälligstellung eines Darlehens, wirkt sich dies grundsätzlich nicht auf die Bewertung der Verbindlichkeit aus. Allerdings können sich Auswirkungen auf die nach §§ 268 Abs. 5 Satz 1, 285 Nr. 1 Buchst. a HGB anzugebenden Restlaufzeiten ergeben.
Die Berücksichtigung aktiver latenter Steuern aus temporären Differenzen (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB) setzt voraus, dass in den Perioden, in denen sich die Differenzen voraussichtlich abbauen, ein steuerliches Einkommen vorhanden ist, mit dem die Differenzen verrechnet werden können. Gleiches gilt für latente Steuern aus der Nutzung von steuerlichen Verlustvorträgen in späteren Perioden. Latente Steuern aus der Nutzung von Verlustvorträgen dürfen allerdings nur insoweit berücksichtigt werden, als eine Nutzung innerhalb der nächsten fünf Jahre möglich ist (§ 274 Abs. 1 Satz 4 HGB, DRS 18.21 f.). Soweit nach diesen Grundsätzen in künftigen Perioden keine Steuerentlastung mehr realisiert werden kann, sind auf berücksichtigte aktive latente Steuern entsprechende Wertkorrekturen erforderlich (vgl. DRS 18.12 ff.).
Die Prognose künftiger steuerlicher Einkommen ist aus einer Planungsrechnung des Unternehmens abzuleiten. Soweit hier durch die Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus künftige steuerliche Einkommen entfallen oder reduziert werden und dadurch berücksichtigte aktive latente Steuern nicht mehr realisiert werden können, sind entsprechende Wertminderungen erforderlich.
Die Corona-Pandemie kann sich in vielfacher Hinsicht auf die Angaben im Anhang auswirken. So ist vor allem bzgl. derjenigen Vorschriften, die eine Angabe nur unter der Voraussetzung verlangen, dass sie für die Beurteilung der Finanzlage erforderlich bzw. von Bedeutung ist (außerbilanzielle Geschäfte und sonstige finanzielle Verpflichtungen gemäß § 285 Nr. 3 und 3a HGB), ggf. neu zu beurteilen, ob die Angabe mit Blick auf eine durch die Corona-Pandemie negativ beeinflusste Liquiditätslage nunmehr erforderlich geworden ist.
Wurde wegen einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung von Finanzanlagen von einer außerplanmäßigen Abschreibung abgesehen (vgl. dazu auch Abschn. 3.2.2.), sind im Anhang die Gründe für das Unterlassen der Abschreibung sowie die Anhaltspunkte dafür zu nennen, dass die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist (§ 285 Nr. 18 Buchst. b HGB).
Besondere Beachtung sollte im Falle eingegangener Haftungsverhältnisse und der Nichtpassivierung einer Rückstellung auch auf das Erfordernis gelegt werden, die Gründe für die Einschätzung dafür anzugeben, wonach die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme nicht so hoch ist, als dass der Ansatz einer Schuld geboten ist (§ 285 Nr. 27 HGB).
Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus ist es ggf. notwendig, die infolge der Kapitalkonsolidierung von Tochterunternehmen (§ 301 HGB) entstandenen Geschäfts- oder Firmenwerte bzw. aufgedeckten stillen Reserven, soweit sie noch nicht abgeschrieben sind, auf Werthaltigkeit zu testen. Soweit die Werthaltigkeit nicht gegeben ist, ist eine (außerplanmäßige) Abschreibung vorzunehmen. Das Gleiche gilt für Anteile an assoziierten und Gemeinschaftsunternehmen, die im Konzernabschluss nach Maßgabe der Equity-Methode zuletzt mit einem Wert ausgewiesen worden sind, der oberhalb des Buchwerts der Beteiligung im Jahresabschluss des Mutterunternehmens liegt. Aufgrund von § 298 Abs. 1 HGB gelten für die Beurteilung eines (außerplanmäßigen) Abschreibungsbedarfs die Regelungen zum Jahresabschluss entsprechend.
Besonderes Augenmerk ist in der aktuellen Situation auf den Geschäfts- oder Firmenwert zu legen. Vielfach dürfte die Gefahr bestehen, dass sich der beizulegende Wert von Geschäftsoder Firmenwerten aus dem Erwerb von Tochterunternehmen infolge verschlechterter Geschäftsaussichten reduziert und auch den bisher ausgewiesenen Restbuchwert unterschreitet. Die Vorgehensweisen zur Ermittlung eines etwaigen Bedarfs für eine außerplanmäßige Abschreibung eines Geschäfts- oder Firmenwerts aus der Kapitalkonsolidierung und von at equity-bewerteten Anteilen werden in DRS 23 bzw. DRS 26 ausführlich dargelegt. Werden Beteiligungen an Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen oder assoziierten Unternehmen im Jahresabschluss des Mutterunternehmens außerplanmäßig abgeschrieben (vgl. Abschn. 3.2.2.), ist dies ein Hinweis auf einen ggf. auch im Konzernabschluss bestehenden Wertberichtigungsbedarf. Soweit ein Geschäfts- oder Firmenwert außerplanmäßig abgeschrieben worden ist, besteht ein striktes Wertaufholungsverbot (§ 298 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB).
Auf die Ausführungen zur möglichen Nichteinbeziehung eines Tochterunternehmens im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss nach § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB (Probleme bei der Informationsbeschaffung) wird auf den Hinweis vom 04.03.2020 verwiesen.
Berücksichtigungspflichtige oder nicht zu berücksichtigende Ereignisse nach dem Abschlussstichtag
Die Regelungen des IAS 10 zur Unterscheidung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht zu berücksichtigenden Ereignissen nach dem Abschlussstichtag sind vergleichbar mit der handelsrechtlichen Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen. Daher dürften sich grundsätzlich keine Unterschiede hinsichtlich der Einwertung der Corona-Pandemie zwischen den handelsrechtlichen Abschlüssen und den IFRS-Abschlüssen ergeben (vgl. Abschn. 3.2.1. sowie Hinweis vom 04.03.2020, S. 2).
Umsatzrealisierung
Voraussetzung für die Umsatzrealisierung nach IFRS 15 ist, dass der Erhalt einer Gegenleistung wahrscheinlich (probable) ist (IFRS 15.9). Bei der Beurteilung muss sowohl die Absicht als auch die Fähigkeit des Kunden zur Zahlung des entsprechenden Betrags berücksichtigt werden. Dies gilt insb. beim Abschluss von Neuverträgen. Allerdings sind auch bestehende Verträge neu zu beurteilen, wenn Fakten und Umstände (Corona-Pandemie) zu einer signifikanten Verschlechterung der Fähigkeit von Kunden zur Zahlung der vereinbarten Gegenleistung geführt haben können (IFRS 15.13 ff.). Eine Umsatzerfassung scheidet demnach aus, wenn ein Kunde nicht (mehr) in der Lage ist, die Gegenleistung zu erbringen.
Art, Zeitpunkt und Höhe einer vom Kunden zugesagten Gegenleistung wirken sich auf die Schätzung des Transaktionspreises aus. Bei der Bestimmung des Transaktionspreises ist u.a. den Auswirkungen variabler Gegenleistungen (z.B. Preisnachlässe, Rabatte, Skonti, Boni, Leistungsprämien, Strafzahlungen, Rückgaberechte) Rechnung zu tragen (IFRS 15.48). Zu den variablen Gegenleistungen zählen auch Gegenleistungen, bei denen der Anspruch vom Eintritt oder Nichteintritt eines künftigen Ereignisses abhängig ist (z.B. Einhalten bestimmter (Liefer-)Fristen oder Erreichen festgelegter Absatzziele). Die Höhe der variablen Gegenleistung muss zu Vertragsbeginn geschätzt werden. Eine Erlösvereinnahmung darf dann nur in dem Umfang erfolgen, in dem es hochwahrscheinlich (highly probable) ist, dass später keine signifikante Stornierung der erfassten kumulierten Erlöse erforderlich ist (IFRS 15.56). Diese Schätzungen sind am Ende einer jeden Berichtsperiode zu aktualisieren, um ein getreues Bild der Umstände am Ende der Berichtsperiode und der während dieser Periode eingetretenen Veränderungen zu vermitteln (IFRS 15.59).
Ändert sich der Transaktionspreis eines laufenden Vertrags (z.B. aufgrund des Eintritts unsicherer Ereignisse oder anderweitig geänderter Umstände) und damit die Höhe der Gegenleistung, sind diese Änderungen des Transaktionspreises den vertraglichen Leistungsverpflichtungen auf der gleichen Basis zuzuordnen wie bei Vertragsbeginn. Die einer erfüllten Leistungsverpflichtung zugeordneten Beträge sind in der Periode, in der sich der Transaktionspreis ändert, als Erlöse bzw. Erlösminderung zu erfassen (IFRS 15.87 ff.).
Wertminderung von Vermögenswerten nach IAS 36
Für alle im Anwendungsbereich von IAS 36 liegenden Vermögenswerte (insb. immaterielle Vermögenswerte (IAS 38), Geschäfts- oder Firmenwerte (IFRS 3), Sachanlagen (IAS 16) sowie als Finanzinvestition gehaltene Immobilien, die zu Anschaffungskosten bewertet werden (IAS 40)) hat der Bilanzierende zu jedem Abschlussstichtag einzuschätzen, ob ein Anhaltspunkt (triggering event) für eine Wertminderung (impairment loss) vorliegt. Derartige Anhaltspunkte können sich sowohl aus externen als auch internen Informationen ergeben. Dazu zählen nach IAS 36.12 ff. u.a.
- | Während der Periode eingetretene signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen im technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld, in welchem das Unternehmen tätig ist. |
- | Der Buchwert des Nettovermögens des Unternehmens übersteigt seine Marktkapitalisierung. |
- | Während der Periode haben sich signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen bei der Nutzung eines Vermögenswerts ergeben (z.B. Stilllegung des Vermögenswerts, Planungen für die Einstellung oder Restrukturierung des Bereichs, zu dem ein Vermögenswert gehört, Planungen für den Abgang eines Vermögenswerts vor dem ursprünglich erwarteten Zeitpunkt). |
- | Das interne Berichtswesen liefert substanzielle Hinweise dafür, dass die wirtschaftliche Ertragskraft eines Vermögenswerts schlechter ist oder sein wird als erwartet, u.a. weil
|
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist zu erwarten, dass bei der Mehrzahl der Unternehmen zumindest Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorliegen. Übersteigt bspw. der Buchwert des Nettovermögens eines Unternehmens dessen Marktkapitalisierung, ist grundsätzlich eine Werthaltigkeitsprüfung für alle zahlungsmittelgenerierenden Einheiten (cash generating units, CGUs) erforderlich. Ausnahmen gelten jedoch in Anlehnung an die Voraussetzungen gemäß IAS 36.15 bzw. IAS 36.99 u.a. für den Fall, dass der erzielbare Betrag bestimmter CGUs in früheren Berechnungen erheblich über dem Buchwert lag und zwischenzeitlich keine Ereignisse eingetreten sind, die diese Differenz beseitigt haben könnten. Dies ist für den Einzelfall zu beurteilen. Eine pauschale Beschränkung der Werthaltigkeitsprüfung auf bestimmte CGUs (z.B. solche mit Geschäfts- oder Firmenwert) ist unzulässig (vgl. IDW RS HFA 40, Tz. 11).
Liegt eines der o.g. triggering events vor, ist der erzielbare Betrag (recoverable amount) zu ermitteln. Dieser ist der höhere Betrag aus dem Vergleich zwischen dem Fair Value1 abzgl. Abgangskosten (fair value less costs of disposal) und dem Nutzungswert (value in use) (IAS 36.6, .18).
Die Prognose der Zahlungsströme für die Ermittlung des Nutzungswerts basiert auf vertretbaren Annahmen des Managements, wobei ein größeres Gewicht auf externe Hinweise zu legen ist. Basis für die Schätzung der Zahlungsströme sind die aktuellen genehmigten Finanzpläne. Anpassungen sind ggf. notwendig, da für die Bestimmung des Nutzungswerts Zahlungsströme aus künftigen Restrukturierungen, für die keine Verpflichtung besteht, und aus künftigen Erweiterungsinvestitionen nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese Finanzpläne sind grundsätzlich für einen Prognosezeitraum von maximal fünf Jahren heranzuziehen. Die Prognose der Zahlungsströme ist zudem anzupassen, um spätere Ereignisse und Entwicklungen zu berücksichtigen, die sich in den aktuellen vom Management genehmigten Finanzplänen noch nicht niedergeschlagen haben. Darüber hinaus sind auch bestimmte Ereignisse zu berücksichtigen, die erst nach dem Abschlussstichtag im Aufhellungszeitraum eintreten, aber substanzielle Hinweise zu Gegebenheiten und Verhältnissen liefern, die bereits am Abschlussstichtag vorlagen (vgl. IDW RS HFA 40, Tz. 18 ff.). Bei der Fortschreibung von Trendentwicklungen aus dem Detailplanungszeitraum, die i.d.R. durch Extrapolation der Zahlungsströme aus dem (letzten Jahr des) Detailplanungszeitraum(s) (ewige Rente)) erfolgt, ist die verwendete Wachstumsrate für die Folgejahre ggf. anzupassen, um den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angemessen Rechnung zu tragen. Zur Berücksichtigung von öffentlichen Stützungsmaßnahmen bei der Prognose der Zahlungsströme vgl. Abschn. 2.
Auch für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes können sich krisenbedingte Anpassungen ergeben. Der Kapitalisierungszinssatz ist ein Vorsteuer-Zinssatz, der die gegenwärtigen Markteinschätzungen des Zeitwerts des Geldes und die spezifischen Risiken des Bewertungsobjekts widerspiegelt, für die die erwarteten künftigen Zahlungsströme nicht angepasst wurden (IAS 36.55, .A15 f.). Er basiert i.d.R. auf den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) und wird aus der Kapitalstruktur einer repräsentativen Peer Group abgeleitet. Die verwendete Peer Group ist generell zu jedem Bewertungsstichtag zu überprüfen (vgl. IDW RS HFA 40, Tz. 47 ff.).
Die Ermittlung des erzielbaren Betrags wird derzeit eine erhebliche Herausforderung für die Unternehmen und ihre Prüfer darstellen, da sowohl Ausmaß als auch Folgen der Corona-Pandemie schwer prognostizierbar sind. Umso mehr empfiehlt es sich, die Annahmen und Schätzungen des Managements umfassend im Anhang zu erläutern und insb. bei der Darstellung von Sensitivitätsanalysen auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie einzugehen (IAS 36.132, .134, IAS 1.125 ff.).
Fair-Value-Bewertungen
Die Ermittlung des Fair Value nach IFRS 13 ist u.a. erforderlich für eine Reihe von Bilanzposten (z.B. Finanzinstrumente, als Finanzinvestition gehaltene Immobilien bei einer Bewertung zum Fair Value), aber auch im Rahmen der Werthaltigkeitsprüfung nach IAS 36, Bewertungen nach IFRS 5 sowie für diverse Anhangangaben. Der Fair Value ist der Preis, der bei Veräußerung eines Vermögenswerts oder bei Übertragung einer Verbindlichkeit im Rahmen einer gewöhnlichen Transaktion (orderly transaction) zwischen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag erhalten bzw. gezahlt würde (vgl. IFRS 13.9).
Bei Auseinanderfallen des Bewertungsstichtags und des Zeitpunkts der Durchführung der Fair-Value-Ermittlung sind nur preisrelevante Informationen zum Bewertungsstichtag zu berücksichtigen. Werden Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten im Abschluss zum Fair Value bewertet, fließen berücksichtigungspflichtige Ereignisse nach dem Abschlussstichtag i.S. von IAS 10.3, .8 f. in die Fair-Value-Ermittlung ein (vgl. Hinweis vom 04.03.2020, S. 2, sowie IDW RS HFA 47, Tz. 3). Das Sinken des Fair Value von Finanzinstrumenten zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag, an dem der Abschluss zur Veröffentlichung genehmigt wird, ist kein berücksichtigungspflichtiges Ereignis, da dies i.d.R. nicht mit der Beschaffenheit der Finanzinstrumente am Abschlussstichtag zusammenhängt, sondern Umstände widerspiegelt, die nachträglich eingetreten sind (IAS 10.11).
Aufgrund der Orientierung an repräsentativen Marktteilnehmern ist bei der Fair-Value-Bewertung von unternehmensindividuellen Annahmen zu abstrahieren (IFRS 13.2, .22 f.). Darüber hinaus stellt der Standard auf eine gewöhnliche Transaktion ab (IFRS 13, Appendix A; IFRS 13.B43 f.). Tatsächlich erzielbare Preise, die im Rahmen einer erzwungenen Veräußerung oder Übertragung (Liquidation, Notverkauf o.Ä.) erzielt werden, können vom Fair Value abweichen. Gegebenenfalls ist eine Gewichtung der Informationen und Belege (evidence) i.S. von IFRS 13.B44(a) vorzunehmen.
Der Fair Value von Verbindlichkeiten muss das Risiko der Nichterfüllung berücksichtigen (nonperformance risk; IFRS 13.42; IFRS 13, Appendix A). Dieses umfasst das Kreditausfallrisiko des Bilanzierenden sowie alle anderen Risiken, dass der Bilanzierende seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Der Bilanzierende darf nur solche Bewertungsverfahren verwenden, die angesichts der Umstände des Einzelfalls angemessen sind und für die ausreichende Daten vorliegen. Dabei müssen möglichst viele beobachtbare Inputfaktoren und möglichst wenige nicht beobachtbare Inputfaktoren verwendet werden (IFRS 13.61, .67). Innerhalb der Bewertungsverfahren stehen jeweils mehrere Bewertungsmethoden zur Verfügung. Die Auswahl geeigneter Bewertungsverfahren und -methoden wird beeinflusst von der Verfügbarkeit relevanter Inputfaktoren und ihrer relativen Subjektivität (IFRS 13.74 i.V.m. .61, .67). Das IASB verzichtet explizit auf die Vorgabe einer Rangfolge der Bewertungsverfahren (vgl. IFRS 13.74, .BC142). Eine einmal angewandte Bewertungsmethode muss grundsätzlich beibehalten werden (IFRS 13.65). Angesichts der aktuellen Situation ist zu prüfen, ob eine andere Bewertungsmethode zu verlässlicheren und relevanteren Informationen führt. In diesem Fall ist eine Änderung zulässig, die dann als Änderung einer rechnungslegungsbezogenen Schätzung (change in an accounting estimate) i.S. von IAS 8 zu bilanzieren ist (IFRS 13.66 i.V.m. IAS 8.5, .32 ff.).
IFRS 13 postuliert eine dreistufige Fair-Value-Hierarchie, um Konsistenz und Vergleichbarkeit im Rahmen von Bewertung und Angaben im Anhang sicherzustellen. Die Einordnung richtet sich nach der Ebene des am niedrigsten eingestuften signifikanten Inputfaktors (IFRS 13.73). Insbesondere bei der Verwendung von Level 1-Inputfaktoren (d.h. nicht angepassten quotierten Preisen auf aktiven Märkten) wird sich die gestiegene Volatilität und der Preisverfall an den Kapitalmärkten infolge der Corona-Pandemie direkt auf den Fair Value auswirken. Auch bei der indirekten Ermittlung des Fair Value unter Verwendung von Bewertungsmodellen und den dafür erforderlichen Parametern (z.B. Credit Spreads, risikoloser Zinssatz) werden sich die Folgen der Corona-Pandemie zeigen. Level 3-Inputfaktoren beruhen zwar nicht auf beobachtbaren Marktdaten, dürfen aber auch nicht im Widerspruch zu den Annahmen der Marktteilnehmer stehen (IFRS 13.89).
Bei den Angaben im Anhang sind bspw. neben Angabe der Stufe, in welche die Einordnung der Bewertung erfolgt, ggf. auch Umgruppierungen und deren Gründe anzugeben. Bei wiederkehrenden, in die Stufe 3 der Hierarchie eingeordneten Fair-Value-Ermittlungen wird u.a. eine ausführliche Beschreibung der Sensibilität der Bemessung des Fair Value gegenüber Veränderungen bei nicht beobachtbaren Inputfaktoren verlangt (IFRS 13.93). Darin sollten sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie angemessen und unternehmensindividuell widerspiegeln.
Finanzinstrumente
Sofern Finanzinstrumente zum Fair Value bewertet werden, gelten die Ausführungen zur Ermittlung des Fair Value nach IFRS 13 im vorhergehenden Abschnitt.
Für finanzielle Vermögenswerte, die entweder zu fortgeführten Anschaffungskosten unter Anwendung der Effektivzinsmethode oder zum Fair Value mit Erfassung der Wertänderungen im sonstigen Ergebnis (OCI) bewertet werden (z.B. Kredite, Schuldverschreibungen, Bankguthaben sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen), aber auch im Fall von Leasingforderungen, aktiven Vertragsposten i.S. von IFRS 15 sowie Kreditzusagen und Finanzgarantien, die nicht erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden, sind Wertberichtigungen für erwartete Kreditverluste zu erfassen (vgl. IFRS 9.5.5.1; IDW RS HFA 48, Tz. 254 ff.).
Der Bilanzierende muss für alle Finanzinstrumente, die bislang der Stufe 1 zugeordnet sind - mit der Konsequenz der Ermittlung der Wertminderung in Höhe der erwarteten 12-Monats- Kreditverluste - am Abschlussstichtag überprüfen, ob sich das Kreditausfallrisiko signifikant gegenüber dem erstmaligen Ansatz erhöht hat. Hat sich das Kreditausfallrisiko signifikant gegenüber dem erstmaligen Ansatz erhöht, muss die Wertminderung für das betroffene Finanzinstrument nunmehr in Höhe der über die (Rest-)Laufzeit erwarteten Kreditverluste bemessen werden (Stufe 2, vgl. IFRS 9.5.5.3).
Bei der Bemessung der erwarteten Kreditverluste aus einem Finanzinstrument muss ein unverzerrter und wahrscheinlichkeitsgewichteter Betrag durch Evaluierung einer Bandbreite möglicher Ergebnisse ermittelt werden. Dabei sind der Zeitwert des Geldes sowie angemessene und belastbare Informationen über vergangene Ereignisse, gegenwärtige Bedingungen und Prognosen künftiger wirtschaftlicher Bedingungen, sofern diese Informationen zum Abschlussstichtag ohne unangemessene Kosten und Dauer verfügbar sind, zu berücksichtigen (vgl. IFRS 9.5.5.17). Die verwendeten Informationen müssen schuldnerspezifische Faktoren, allgemeine wirtschaftliche Bedingungen und eine Einschätzung sowohl der aktuellen Bedingungen als auch der prognostizierten Entwicklung der Bedingungen zum Abschlussstichtag umfassen. Die Analyse des Kreditausfallrisikos ist eine ganzheitliche Analyse unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren. Die Relevanz eines einzelnen Faktors und dessen Gewichtung im Vergleich zu anderen Faktoren hängen von der Art des Produkts, den Eigenschaften des Finanzinstruments und des Schuldners sowie der geografischen Region ab (IFRS 9.B5.5.16). Makroökonomische Faktoren (Konjunktur, geldpolitische Rahmenbedingungen, Entwicklung der Aktienmärkte usw.) haben i.d.R. einen indirekten Einfluss auf den Wert eines einzelnen finanziellen Vermögenswerts. In Abhängigkeit von den spezifischen Charakteristika des betrachteten Finanzinstruments und des Schuldners bedarf es einer sachgerechten Auswahl und Gewichtung der relevanten Faktoren (vgl. IDW RS HFA 48, Tz. 309, 311). Bei der Ableitung von Szenarien zur Analyse des Kreditausfallrisikos hat der Bilanzierende Annahmen und Informationen zu verwenden, die konsistent sind mit den Annahmen und Informationen für Zwecke der Bemessung der erwarteten Kreditverluste. Die Methodik und verwendeten Annahmen sind regelmäßig zu überprüfen, um Abweichungen zwischen den Schätzungen und den tatsächlichen Kreditverlusten zu verringern IFRS 9.B5.5.52, IDW RS HFA 48, Tz. 313, 316).
Liegt neben einer signifikanten Erhöhung des Kreditausfallrisikos am Abschlussstichtag zusätzlich ein objektiver Hinweis auf eine Wertminderung vor, dann ist für das Finanzinstrument neben der Ermittlung der erwarteten Kreditverluste über die (Rest-)Laufzeit auch die Zinserfassung in den darauffolgenden Perioden anzupassen, d.h. der Zinsertrag ist künftig auf Basis des Nettobuchwerts zu berechnen, mithin ist die bislang erfasste Wertminderung/Risikovorsorge vom Buchwert abzuziehen (Stufe 3).
Werden aufgrund der Corona-Pandemie nachträglich vertragliche Anpassungen bspw. der Laufzeit, des Zinssatzes, der Währung oder der sonstigen Vertragsmodalitäten vereinbart, die sich auf die vertraglichen Zahlungen auswirken, liegen Modifikationen der vertraglichen Zahlungen i.S. von IFRS 9 vor. Diese können zur Ausbuchung des vorhandenen finanziellen Vermögenswerts und anschließender Aktivierung des geänderten finanziellen Vermögenswerts führen (IFRS 9.B5.5.25 ff.). Wird zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Modifikation der vertraglichen Zahlungen den Abgang eines finanziellen Vermögenswerts verursacht, nach IAS 8.11(a) auf die Regelungen zur substanziellen Modifikation der Vertragsbedingungen einer finanziellen Verbindlichkeit gemäß IFRS 9.3.3.2 zurückgegriffen, ist grundsätzlich eine Gesamtbeurteilung aller qualitativen und quantitativen Faktoren notwendig (zu Letzteren vgl. IFRS 9.B3.3.6). Qualitative Indikatoren für eine substanzielle Modifikation der vertraglichen Zahlungen sind u.a. Schuldnerwechsel, Währungsänderungen oder vertragliche Änderungen, die zu einer Verletzung der Zahlungsstrombedingung i.S. von IFRS 9.4.1.1(b) führen (z.B. die Einräumung von Eigenkapitalwandlungsrechten). Einzelne Indikatoren führen für sich genommen nicht zwingend zum Abgang. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalls im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung zu würdigen. Die Beurteilung auf Basis qualitativer Faktoren erfordert die Ausübung von Ermessen (vgl. IDW RS HFA 48, Tz. A4 ff. und Tz. A8 ff.).
Auch bei finanziellen Verbindlichkeiten können die Regelungen zu Modifikationen einschlägig werden (IFRS 9.3.3.2 ff.). Darüber hinaus kann es vorkommen, dass es dem bilanzierenden Unternehmen u.U. nicht gelingt, die Zins- und/oder Tilgungszahlungen vertragsgemäß zu leisten oder vorgesehene Kreditvereinbarungen (Covenants) einzuhalten. Sofern der Kreditgeber die finanzielle Verbindlichkeit sofort fällig stellen kann, muss ggf. eine langfristig finanzielle Verbindlichkeit nunmehr als kurzfristig klassifiziert werden (IAS 1.69 ff.).
Beim Hedge Accounting (insb. Cash Flow Hedges) ist zu beurteilen, ob der Eintritt von Transaktionen infolge der Corona-Pandemie weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann Ist der Eintritt einer erwarteten Transaktion nicht mehr hochwahrscheinlich, dann ist die Sicherungsbeziehung prospektiv zu beenden. Alle weiteren Änderungen des Fair Value des Sicherungsinstruments sind dann erfolgswirksam im Periodenergebnis zu erfassen. Alle bis dahin in der Cash Flow Hedge-Rücklage erfassten Beträge verbleiben dort, bis die Transaktion eintritt (IFRS 9.6.5.6 f. i.V.m. IFRS 9.6.5.12). Wird hingegen der Eintritt (eines Teils) einer Transaktion nicht mehr erwartet, ist der Cash Flow Hedge (in diesem Umfang) aufzulösen und die Cash Flow Hedge-Rücklage entsprechend in das Periodenergebnis umzugliedern (IFRS 9.6.5.6, IFRS 9.6.5.12(b), IFRS 9.B6.5.26, IFRS 9.B6.5.27(b)). Es darf grundsätzlich (auch nicht ersatzweise) auf ein entsprechend höheres Transaktionsvolumen in einem späteren Zeitraum verwiesen werden, sofern dies nicht Teil der ursprünglich geplanten und hinreichend identifizierten erwarteten Transaktion war. Etwas anderes kann jedoch im Einzelfall gelten, wenn die ursprüngliche Transaktion aufgrund eines unvorhersehbaren Ereignisses zeitlich nicht wie geplant eintritt, allerdings in einem vertretbaren Zeitraum und mit hinreichender Sicherheit früher oder später durchgeführt wird (vgl. IDW RS HFA 48, Tz. 344 ff.).
Die Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 dürfte gegenwärtig zu den größten Herausforderungen für die Unternehmen und Institute zählen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen sowohl den Bilanzierenden als auch ihren Vertragspartnern in einem noch nie dagewesenen Ausmaß eine Entlastung ihrer wirtschaftlichen Lage versprechen. Das IDW befasst sich derzeit intensiv mit dieser Thematik und wird hierzu zeitnah eine separate Verlautbarung veröffentlichen.
Rückstellungen
Eine Rückstellung muss gebildet werden, wenn aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwärtige Verpflichtung (rechtlich oder faktisch) entstanden, der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung wahrscheinlich (probable) und eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist (IAS 37.14). Der zu passivierende Betrag stellt die bestmögliche Schätzung der Ausgabe dar, die zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung erforderlich ist. Die Schätzungen von Ergebnis und finanzieller Auswirkung hängen von der Bewertung (judgement) des Managements ab. Die zugrunde zu legenden substanziellen Hinweise umfassen auch alle nach dem Abschlussstichtag entstandenen substanziellen Hinweise (IAS 37.36 ff.).
Für künftige betriebliche Verluste (z.B. aufgrund der vorübergehenden Einstellung des Geschäftsbetriebs) dürfen keine Rückstellungen angesetzt werden (IAS 37.63). Die Erwartung künftiger betrieblicher Verluste ist jedoch ein Anzeichen für eine mögliche Wertminderung bestimmter Vermögenswerte (IAS 37.65 i.V.m. IAS 36.14).
Im Falle einer Versicherung, die ggf. auch für die Belastungen aus der Corona-Pandemie ganz oder teilweise aufkommt, bspw. für Kosten einer Betriebsunterbrechung und/oder -stilllegung, ist die Erfassung eines entsprechenden Anspruchs zu prüfen. Ob und in welcher Höhe der entstandene (und ggf. noch entstehende) Schaden von der Versicherung übernommen wird, dürfte insb. für Abschlüsse zum 31.03.2020 noch nicht absehbar sein. Solche Eventualforderungen dürfen nicht aktiviert werden (IAS 37.10, .31 ff.). Der Ansatz eines Vermögenswerts (Forderung) und die korrespondierende Erfassung eines Ertrags dürfen erst vorgenommen werden, wenn der Zufluss des wirtschaftlichen Nutzens so gut wie sicher (virtually certain) geworden ist (IAS 37.35). Wenn der Zufluss des wirtschaftlichen Nutzens zumindest wahrscheinlich ist, muss eine Anhangangabe erfolgen (IAS 37.89).
Zieht das Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie den Verkauf oder die Beendigung eines Geschäftszweigs, die Stilllegung von Standorten oder gar eine grundsätzliche Umorganisation mit wesentlichen Auswirkungen auf den Charakter und Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Erwägung, darf eine Rückstellung für Restrukturierungskosten nur angesetzt werden, wenn die allgemeinen Ansatzkriterien für Rückstellungen nach IAS 37.14 erfüllt sind. Eine faktische Verpflichtung zur Restrukturierung entsteht nur, wenn ein Unternehmen einen detaillierten, formalen Restrukturierungsplan vorweisen kann und bei den Betroffenen eine gerechtfertigte Erwartung geweckt wurde, dass die Restrukturierungsmaßnahmen durch den Beginn der Umsetzung des Plans oder die Ankündigung seiner wesentlichen Bestandteile den Betroffenen gegenüber durchgeführt wird (IAS 37.70 ff.). Allein durch einen Restrukturierungsbeschluss des Managements vor dem Abschlussstichtag entsteht noch keine faktische Verpflichtung. Wenn ein Unternehmen mit der Umsetzung eines Restrukturierungsplans erst nach dem Abschlussstichtag beginnt oder den Betroffenen die Hauptpunkte erst nach dem Abschlussstichtag ankündigt, scheidet der Ansatz einer Rückstellung grundsätzlich aus; stattdessen ist eine Angabe gemäß IAS 10 erforderlich, sofern die Restrukturierung wesentlich ist und unter normalen Umständen davon auszugehen ist, dass die unterlassene Angabe die Entscheidungen von den Abschlussadressaten beeinflusst hätte (IAS 37.75). Ergeben sich aus einer Restrukturierungsmaßnahme Auswirkungen auf die Mitarbeiter (z.B. aufgrund von Umschulung, Versetzung oder Abfindung), sind die Regelungen des IAS 19 einschlägig.
Im Fall von belastenden Verträgen ist der Verpflichtungsüberschuss als Rückstellung zu erfassen. Belastende Verträge entstehen, wenn die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen (IAS 37.66 ff.). Die Unternehmen sollten prüfen, ob infolge der Corona-Pandemie Verträge belastend geworden sind, weil z.B. Liefer- und Leistungsversprechen nicht mehr erfüllt werden können.
Vorräte
In die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten sind alle Kosten des Erwerbs und der Herstellung sowie sonstige Kosten einzubeziehen, die angefallen sind, um die Vorräte an ihren derzeitigen Ort und in ihren derzeitigen Zustand zu versetzen (IAS 2.10). Anormale Beträge für Materialabfälle, Fertigungslöhne oder andere Produktionskosten dürfen nicht in Anschaffungs- oder Herstellungskosten einbezogen werden. Diese sind in der Periode ihres Anfalls als Aufwand zu erfassen (IAS 2.16(a)).
Auswirkungen der Corona-Pandemie können sich auch auf die Bewertung des Vorratsvermögens ergeben. Diese erfolgt zum niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten und dem Nettoveräußerungswert (IAS 2.9). Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten werden z.B. unterschritten, wenn die Verkaufspreise von Vorräten zurückgegangen sind oder die geschätzten Kosten der Fertigstellung bzw. die sonstigen bis zum Verkauf anfallenden Kosten gestiegen sind (IAS 2.28). Bei diesen Schätzungen sind Preis- oder Kostenänderungen zu berücksichtigen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Vorgängen nach dem Ende der Berichtsperiode stehen, soweit diese die Verhältnisse aufhellen, die bereits am Ende der Berichtsperiode bestanden haben (IAS 2.30).
Ertragsteuern
Für den Ansatz latenter Steueransprüche aus abzugsfähigen temporären Differenzen oder für den Vortrag noch nicht genutzter steuerlicher Verluste muss es wahrscheinlich sein, dass ein künftiges zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, gegen das die abzugsfähigen temporären Differenzen oder noch nicht genutzten steuerlichen Verluste verwendet werden können (IAS 12.24, .34 ff.). Aufgrund der Corona-Pandemie müssen - neben evtl. Änderungen der Steuersätze - auch die Prognosen hinsichtlich eines künftig zur Verfügung stehenden zu versteuernden Ergebnisses überprüft werden. Diese dürfen bspw. nicht widersprüchlich zu den vom Management getroffenen Annahmen im Rahmen der Werthaltigkeitsprüfung nach IAS 36 sein. Unter Umständen sind dann bestehende latente Steueransprüche aufzulösen.
Geschäftstätigkeit und Unternehmensumfeld
Bei der Feststellung und Beurteilung von Risiken wesentlicher falscher Angaben bzw. Darstellungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus können von dem Abschlussprüfer bspw. folgende Aspekte zu würdigen sein (vgl. IDW PS 261 n.F., Tz. 13; IDW PS 350 n.F., Tz. 32 ff.):
- | Für welche Arten von Geschäftsvorfällen, Abschlussposten, Angaben sowie Aussagen im Abschluss (Vollständigkeit, Bewertung, Ausweis etc.) ist bei dem zu prüfenden Unternehmen das Risiko wesentlicher falscher Angaben potenziell erhöht? |
- | Welche Informationskategorien (z.B. Geschäftsverlauf, Prognosebericht, Chancen- und Risikobericht) oder ggf. Einzelangaben oder Angabegruppen, die von grundlegender Bedeutung für die Lage des Unternehmens insgesamt sind, und welche Aussagearten (Vollständigkeit, Richtigkeit und Darstellung) sind im (Konzern-)Lagebericht potenziell betroffen? |
- | Können das bilanzierende Unternehmen bzw. der Konzern oder wesentliche Konzernteilbereiche z.B. aufgrund von Personalengpässen bestimmte rechnungslegungsrelevante Informationen voraussichtlich nicht zeitgerecht oder nicht in der erforderlichen Qualität generieren? |
- | Haben sich die Rechnungslegungsmethoden des Mandanten verändert, z.B. geänderte Ausübung von Ermessensspielräumen bei dem Ansatz von Rückstellungen? |
Risiken in Bezug auf die Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Die Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung des Abschlussprüfers umfassen auch die Identifikation etwaiger Ereignisse oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können (vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 15 und A5). Die Auswirkungen des Coronavirus können zu solchen Ereignissen oder Gegebenheiten führen. Beispiele hierfür sind:
- | Infolge der aktuellen Geschehnisse ist mit erheblichen Forderungsausfällen zu rechnen und die Möglichkeit des Zugangs zu externen Finanzierungsquellen zur Deckung eines kurzfristigen Finanzierungsbedarfs für das Unternehmen ist aufgrund restriktiver Kreditvergabe durch Kreditinstitute und/oder ungünstiger Marktbedingungen für die Emittierung von Eigenkapitalinstrumenten derzeit stark eingeschränkt (als Gegenmaßnahme kommt bspw. die Inanspruchnahme von staatlichen Liquiditätshilfen oder Zuschüssen in Betracht). |
- | Die Analyse aktueller finanzwirtschaftlicher Informationen weist auf ungünstige Kennzahlenentwicklungen hin, die möglicherweise zum Bruch sog. "Covenant"-Klauseln in Kreditverträgen führen, wodurch eine vorzeitige Rückzahlungsverpflichtung erheblicher Darlehensbeträge ausgelöst würde. Entsprechendes kann bei voraussichtlicher Überschreitung von Fristen der Fall sein, innerhalb derer den Darlehensgebern Finanzinformationen zur Verfügung zu stellen sind. Etwaige vertragliche und/oder gesetzliche Regelungen zu einem Leistungsverweigerungsrecht können die entstehenden aufgeworfenen Zweifel an der Fortführungsfähigkeit u.U. mindern. |
- | Das Unternehmen hat die Produktionstätigkeit aufgrund von Personal- oder Lieferengpässen von Zulieferern oder infolge des Einbruchs der wesentlichen Absatzmärkte vorübergehend eingestellt. |
- | Wegen gesunkener Absatzpreise von Vorräten und hoher Lagerbestände, außerplanmäßiger Abschreibungen von Sachanlagen bzw. immateriellen Vermögensgegenständen, Forderungsausfällen oder Wertminderungen von Finanzanlagen kann eine bilanzielle Überschuldung des Unternehmens bestehen. |
Anpassung von Prüfungshandlungen
Als Reaktion auf die beurteilten Risiken wesentlicher falscher Angaben (einschließlich von Risiken wesentlicher falscher Angaben aufgrund von Verstößen) im Zusammenhang mit den Folgen der Ausbreitung des Coronavirus können z.B. in folgenden Situationen die Prüfungshandlungen anzupassen sein (vgl. IDW PS 261 n.F., Tz. 80 ff.; IDW PS 350 n.F., Tz. 45 ff.):
- | Stellt die Bewertung von auf Lager befindlichen Erzeugnissen in Abschlüssen für nach dem 31.12.2019 endende Geschäftsjahre aufgrund von Produktions- oder Absatzschwierigkeiten ein erhöhtes Risiko wesentlicher falscher Angaben dar, werden die weiteren Prüfungshandlungen in besonderem Maße auf das Prüfungsziel "Bewertung der Erzeugnisse" zu richten sein, indem etwa Informationen über offene Bestellungen sowie Preise bei Angeboten und/oder über öffentlich zugängliche Marktpreise eingeholt werden. Analytische Prüfungshandlungen, die auf einer rein vergangenheitsorientierten Analyse bspw. von Umschlagshäufigkeiten oder Lagerreichweiten beruhen, können dagegen in der derzeitigen Situation von geringerer Bedeutung sein. |
- | Liegt in Abschlüssen für nach dem 31.12.2019 endende Geschäftsjahre ein erhöhtes Risiko wesentlicher falscher Angaben aufgrund von zielgerichteter und einseitiger Einflussnahme auf die Bilanzierung geschätzter Werte vor, kann es erforderlich sein, dass der Abschlussprüfer für dieses Risiko Prüfungshandlungen festlegen und durchführen muss, die bspw. auch die Vornahme einer unabhängigen Schätzung des Abschlussprüfers umfassen können, in Abhängigkeit von der Komplexität der Ermittlung der geschätzten Werte ggf. durch die Einbeziehung von Sachverständigen des Abschlussprüfers. Anstatt sich auf die geprüften Annahmen des Managements zu stützen, kann der Abschlussprüfer dabei für einen Vergleich mit der Wertermittlung des Managements eigenständige Annahmen treffen (vgl. IDW PS 314 n.F., Tz. 61 ff.). |
- | Wenn die Prognose der Absatz- und Preisentwicklung im (Konzern-)Lagebericht bislang auf wenigen begründeten Annahmen in Einklang mit den allgemeinen Erwartungen zur konjunkturellen Entwicklung und zur erwarteten Inflationsrate beruhte, können die Komplexität der prognostischen Angaben und der Grad der Prognoseunsicherheit durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie erheblich ansteigen. In diesem Fall wird der Abschlussprüfer den Umfang der Auseinandersetzung mit diesen Angaben erhöhen (insb. bei der Erlangung eines Verständnisses für die zugrunde liegenden Annahmen und für die Beurteilung der Auswirkungen der Prognoseunsicherheit durch die gesetzlichen Vertreter; vgl. IDW PS 350 n.F., Tz. 41) und ggf. feststellen, ob der Lagebericht alternative Darstellungen und ihre Auswirkungen enthält, um die Schwankungsbreite der vom Unternehmen erwarteten Entwicklungen ausreichend darzustellen und zu erläutern (vgl. IDW PS 350 n.F., Tz. 66). Zu den Anforderungen an die Lageberichterstattung vgl. die Ausführungen im Hinweis vom 04.03.2020. |
Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Haben die Auswirkungen des Coronavirus zu Ereignissen oder Gegebenheiten geführt, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, sind zusätzliche Prüfungshandlungen erforderlich, um die von den gesetzlichen Vertretern vorgenommene Einschätzung der Fähigkeit zur Unternehmensfortführung bzw. das Vorliegen eines bestandsgefährdenden Risikos und der Angemessenheit diesbezüglicher Angaben im Abschluss und Lagebericht zu beurteilen (vgl. im Einzelnen IDW PS 270 n.F., Tz. 21 ff. und A18 ff.). In Bezug auf die Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Fähigkeit zur Unternehmensfortführung können bspw. folgende Prüfungshandlungen von besonderer Bedeutung sein:
- | Aufforderung der gesetzlichen Vertreter - soweit noch nicht erfolgt -, eine entsprechende Einschätzung unter Berücksichtigung aller auch nach dem Abschlussstichtag eingetretener Entwicklungen wie bspw. weiterer Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit und damit zusammenhängender neuer Lieferengpässe oder Absatzprobleme, aber auch konkretisierter und belastbarer Aussagen der Bundesregierung bzw. der Landesregierungen zur Einräumung von Stützungsmaßnahmen (z.B. Übernahme von Lohnkosten und Sozialabgaben von der Bundesagentur für Arbeit, staatliche Garantien und Liquiditätshilfen in Form des erleichterten Zugangs zu Krediten und Bürgschaften bei der KfW-Bank, Aussetzung der Insolvenzantragspflicht), vorzunehmen (vgl. auch Abschn. 2.); entsprechendes gilt bei wesentlichen Auslandsaktivitäten für etwaige Stützungsmaßnahmen in anderen Staaten, |
- | Beurteilung der Pläne der gesetzlichen Vertreter zum Umgang mit den aufgetretenen Engpässen, Beschränkungen und Absatzproblemen, auch unter Berücksichtigung etwaiger bestehender vertraglicher und/oder gesetzlicher Leistungsverweigerungsrechte, |
- | Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine beabsichtigte Inanspruchnahme von staatlichen Hilfsmaßnahmen erfüllt sind (vgl. das Merkblatt KfW-Unternehmerkredit Sonderprogramm 2020 037/047; zur Auslegung einzelner Anforderungen veröffentlicht das IDW ein gesondertes Papier), |
- | Befragung der Rechtsberater des Unternehmens zum Bestehen und zur Einschlägigkeit sog. "Material Adverse Effect"- bzw. "Force Majeure"-Klauseln in bestehenden Verträgen, die das Unternehmen oder den Vertragspartner u.U. aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie temporär oder vollständig von ihren Leistungspflichten befreien könnten, |
- | Durchsicht von Kreditgewährungsklauseln und Darlehensverträgen und Feststellung, ob hiergegen bereits verstoßen wurde, |
- | Beurteilung, ob die Möglichkeit zur Zahlungsverweigerung aufgrund gesetzlicher und/oder vertraglicher Regelungen besteht, |
- | Einholung von Bestätigungen des Vorhandenseins, der Rechtsgültigkeit und der Durchsetzbarkeit von Verträgen mit nahestehenden Personen und Dritten über die Bereitstellung oder Aufrechterhaltung finanzieller Unterstützung sowie Beurteilung deren finanzieller Möglichkeiten, erforderliche Mittel zur Verfügung zu stellen. |
Eingeschränkte Möglichkeit des Unternehmens zur Generierung von rechnungslegungs- und prüfungsrelevanten Informationen
Aufgrund von Zugangsbeschränkungen zu Betriebsgeländen oder Personalengpässen bspw. im Rechnungswesen des Unternehmens bzw. Konzerns oder wesentlichen Konzernteilbereichen kann die Situation eintreten, dass der Abschlussprüfer daran gehindert ist, bestimmte Prüfungsnachweise zu erlangen. Dies kann bei Abschlüssen für nach dem 31.12.2019 endende Geschäftsjahre bspw. die Inventurprüfung betreffen, wenn der Zugang zum betreffenden Lager für Dritte einschließlich des Wirtschaftsprüfers gesperrt ist. In diesem Fall muss zunächst versucht werden, durch alternative Prüfungshandlungen (bspw. Nutzung unterjährig bereits erfolgter Zählungen, Durchführung späterer Kontrollzählungen, Nachweis des späteren Verkaufs bestimmter Vorräte) ausreichende geeignete Prüfungsnachweise für das Vorhandensein und die Beschaffenheit der Vorräte zum Stichtag zu erlangen. Ist dies nicht möglich, kommt eine Modifizierung des Prüfungsurteils im Bestätigungsvermerk aufgrund eines Prüfungshemmnisses in Betracht (vgl. IDW PS 301, Tz. 23; IDW PS 405, Tz. 15 ff.).
Der Abschlussprüfer ist verpflichtet, alle angemessenen Möglichkeiten zur Klärung von Sachverhalten auszuschöpfen (§ 322 Abs. 5 Satz 1 HGB). Ist dies in der aktuellen Pandemie-Situation nicht möglich, kann die Unterbrechung der Prüfung angeraten sein. Wird die Prüfung fortgesetzt, sind alle rechtlich zulässigen und wirtschaftlich vertretbaren Versuche zu unternehmen, die erforderlichen Prüfungsnachweise zu generieren Wenn das Unternehmen die erforderlichen Aufklärungen und Nachweise nicht zur Verfügung stellt, hat der Abschlussprüfer zu beurteilen, ob ein Prüfungshemmnis vorliegt, dem nach allgemeinen Grundsätzen im Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerk Rechnung zu tragen ist.
Allgemeine Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit
Auch wenn die Unmöglichkeit, bestimmte Prüfungshandlungen wie geplant durchzuführen, auf Umstände zurückzuführen ist, die außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen (insb. allgemeine Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit), kann sich hieraus ein Prüfungshemmnis ergeben (vgl. IDW PS 400 n.F., Tz. A12).
Beschränkungen auf Seiten des Abschlussprüfers
Möglicherweise hindern durch die Ausbreitung des Coronavirus verursachte Personalengpässe bei den Prüfungsteams den Abschlussprüfer daran, bestimmte Prüfungshandlungen wie geplant durchzuführen. Bei Konzernabschlussprüfungen kann es sich auch um Einschränkungen auf Seiten von Teilbereichsprüfern handeln; diesen Beschränkungen wird teilweise dadurch begegnet werden können, dass Prüfungsnachweise mittels eines Fernzugriffs auf relevante Systeme des Teilbereichs zentral durch das Konzernprüfungsteam generiert werden.
Der Fall, dass der gesetzliche Abschlussprüfer an dem rechtzeitigen Abschluss der Abschlussprüfung aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie gehindert oder die Durchführung der Abschlussprüfung ihm sogar unmöglich geworden ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen des § 318 Abs. 4 Satz 2 HGB zu beurteilen (nachträglicher Wegfall des Abschlussprüfers). Danach hat das Gericht auf Antrag der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsrats oder eines Gesellschafters den Abschlussprüfer zu ersetzen, wenn der Abschlussprüfer weggefallen oder am rechtzeitigen Abschluss der Prüfung verhindert ist. Eine Verhinderung kommt insb. bei Krankheit des Abschlussprüfers und dessen Prüfungsgehilfen in Betracht. Dies dürfte i.d.R. aber nur bei einem längeren Ausfall der Fall sein. Quarantänemaßnahmen, die den Abschlussprüfer bzw. seine Prüfungsgehilfen an der rechtzeitigen Erfüllung seiner/ihrer Aufgaben hindern, dürften einer Verhinderung wegen Krankheit grundsätzlich gleichstehen. Abhängig von Art und Dauer der Restriktionen, denen der Abschlussprüfer selbst bzw. seine Prüfungsgehilfen unterliegen, sowie dem Digitalisierungsgrad des Prüfungsmandanten, ist denkbar, dass bestimmte Prüfungshandlungen mittels Fernzugriff durchgeführt werden können, wenn der Mandant den Zugang zu seinen Systemen ermöglicht.
Grund für einen Wegfall i.S. des § 318 Abs. 4 Satz 2 HGB ist auch eine Kündigung des Prüfungsauftrags aus wichtigem Grund gemäß § 318 Abs. 6 und 7 HGB. Dazu kann der Abschlussprüfer im Einzelfall berechtigt sein, wenn ihm die Durchführung der Abschlussprüfung unmöglich geworden ist. An die Erfüllung des Merkmals "wichtiger Grund" ist wegen der im öffentlichen Interesse liegenden Funktion des Abschlussprüfers allerdings ein strenger Maßstab anzulegen, weshalb eine Kündigung nur zulässig sein wird, wenn die zur Unmöglichkeit der Durchführung der Abschlussprüfung führenden Einschränkungen - wie bei der Verhinderung des rechtzeitigen Abschlusses - voraussichtlich über einen längeren Zeitraum (nicht nur wenige Wochen) weiterhin vorliegen werden. Ein Prüfungshemmnis liegt in diesem Fall nicht vor.
Je nach Bedeutsamkeit der Coronavirus-Pandemie für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ergeben sich Kommunikationspflichten für den Abschlussprüfer mit den für die Überwachung Verantwortlichen. Dies betrifft u.a. folgende Aspekte:
- | Informationen über die Auswirkungen auf den geplanten Umfang und den geplanten zeitlichen Ablauf der Abschlussprüfung; dabei ist auch auf die im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus identifizierten bedeutsamen Risiken einzugehen (vgl. IDW PS 470 n.F., Tz. 20 und A16 ff.), |
- | Berichterstattung über etwaige bedeutsame während der Prüfung aufgetretene Probleme bei der Erlangung von Prüfungsnachweisen (vgl. IDW PS 470 n.F., Tz. 21b und A26), |
- | Erörterung der Coronavirus-Pandemie als wesentliche Quelle von Schätzunsicherheiten, wenn es sich dabei um einen bedeutsamen qualitativen Aspekt der Rechnungslegungspraxis des betreffenden Unternehmens handelt (vgl. IDW PS 470 n.F., Tz. 21a), |
- | Austausch über etwaige infolge der Ausbreitung des Coronavirus festgestellte Ereignisse oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können (vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 34), |
- | sofern die Ausbreitung des Coronavirus als Sachverhalt anzusehen ist, der aus Sicht des Abschlussprüfers eines Unternehmens von öffentlichem Interessen i.S. des § 319a Abs. 1 Satz 1 HGB (sog. PIE) als besonders wichtiger Prüfungssachverhalt (Key Audit Matter) zu behandeln ist, ist dieser Sachverhalt mit den für die Überwachung Verantwortlichen zu erörtern (vgl. IDW PS 401, Tz. 20). |
Berichterstattung im Prüfungsbericht
Die dargestellten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Rechnungslegung des Unternehmens einschließlich der Lageberichterstattung sowie auf den Prüfungsprozess können sich auch im Prüfungsbericht widerspiegeln. Dies betrifft u.a. folgende Aspekte (vgl. IDW PS 450 n.F., Tz. 26 ff.):
- | In der Stellungnahme zur Lagebeurteilung der gesetzlichen Vertreter werden die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens durch den Abschlussprüfer hervorzuheben sein, wobei gerade in der aktuellen Situation insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestands und der künftigen Entwicklung des Unternehmens einzugehen ist (§ 321 Abs. 1 Satz 2 HGB). |
- | Folgen aus der Coronavirus-Pandemie entwicklungsbeeinträchtigende oder bestandsgefährdende Tatsachen, sind diese Tatsachen zu schildern und es sind die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen aufzuzeigen (§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB). Bei der Prüfung von PIE ist gemäß Artikel 11 Abs. 2 Buchst. i EU-Abschlussprüferverordnung im Prüfungsbericht über die Maßnahmen zu berichten, die bei der Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit berücksichtigt wurden (z.B. Rangrücktrittsvereinbarungen von Gesellschaftern, Hilfszusagen der öffentlichen Hand o.Ä.) (vgl. IDW PS 450 n.F., Tz. P35/1). |
- | Zum Inhalt der Berichterstattung gehören auch etwaige bedeutsame während der Prüfung aufgetretene Probleme, z.B. bei der Erlangung von Prüfungsnachweisen. |
- | Erläuterungen zur Ausübung von Ermessensspielräumen sind im Abschnitt "Bewertungsgrundlagen" insb. bei Vorliegen erheblicher Spielräume (z.B. aufgrund von Bandbreiten für Schätzungen) sowie dann erforderlich, wenn festzustellen ist, dass die einzelnen Bilanzierungsentscheidungen zwar innerhalb der zulässigen Bandbreite, aber zielgerichtet und einseitig zur Beeinflussung der Gesamtaussage des Abschlusses getroffen worden sind (z.B. jede Form einer einseitigen Ergebnisbeeinflussung) (vgl. IDW PS 450 n.F., Tz. 78 ff.). So sind bspw. Maßnahmen zur gezielten Erhöhung des Jahresergebnisses bei aufgrund der Coronavirus-Pandemie angespannter Unternehmenslage berichtspflichtig. Handelt es sich um eine Änderung in der Nutzung von Ermessensspielräumen, ist hierüber entsprechend im Abschnitt "Änderung von Bewertungsgrundlagen" zu berichten. |
Modifizierung des Prüfungsurteils im Bestätigungsvermerk aufgrund von Einwendungen
Eine Modifizierung des Prüfungsurteils im Bestätigungsvermerk kann erforderlich sein, wenn der Abschluss falsche Darstellungen enthält, die einzeln oder kumuliert wesentlich sind, bzw. der Lagebericht nicht in allen wesentlichen Belangen den maßgebenden Rechnungslegungsgrundsätzen entspricht. Dies gilt auch, wenn die Beurteilung der Plausibilität von Annahmen, die zukunftsgerichteten Finanzinformationen zugrunde liegen, zu Einwendungen geführt hat, die wesentliche Auswirkungen auf den Abschluss bzw. Lagebericht haben. Das Gleiche gilt, wenn ein bestandsgefährdendes Risiko vorliegt und dieses im Abschluss und Lagebericht nicht angemessen angegeben ist (vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 31). Wenn der Abschluss unter Anwendung der Going Concern-Prämisse aufgestellt wurde, obwohl die Fortführungsannahme nach der Beurteilung des Abschlussprüfers nicht mehr aufrechterhalten werden kann, hat der Abschlussprüfer sein Prüfungsurteil in Übereinstimmung mit IDW PS 405 zu versagen (vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 28; vgl. auch den Hinweis vom 04.03.2020).
Modifizierung des Bestätigungsvermerks aufgrund eines Prüfungshemmnisses
Die Modifizierung des Bestätigungsvermerks aufgrund eines Prüfungshemmnisses kommt in Betracht, wenn der Abschlussprüfer nicht in der Lage ist, ausreichende geeignete Prüfungsnachweise zu den Finanzinformationen des geprüften Unternehmens zu erlangen. Die den zukunftsgerichteten Finanzinformationen (z.B. geschätzte Zeitwerte in Abschlüssen für nach dem 31.12.2019 endende Geschäftsjahre, Fortführungsannahme, Prognose im Lagebericht etc.) aufgrund der dynamischen Entwicklung der Coronavirus-Pandemie innenwohnende erhebliche Unsicherheit allein muss jedoch nicht das Vorliegen eines Prüfungshemmnisses begründen. Ein Prüfungshemmnis in Bezug auf die Beurteilung einer zukunftsgerichteten Finanzinformation liegt vor, wenn der Abschlussprüfer keine ausreichenden geeigneten Prüfungsnachweise für Zwecke der Beurteilung erlangt, ob die zugrunde liegenden Annahmen der gesetzlichen Vertreter plausibel, d.h. nachvollziehbar, konsistent und frei von Widersprüchen sind. Die Beurteilung der Nachvollziehbarkeit der zugrunde liegenden Annahmen wird sich in der derzeitigen Pandemie-Situation bspw. auf folgende Aspekte beziehen:
- | Sind die Annahmen aktuell, z.B. in Bezug auf die für die Prognose der Absatzentwicklung ggf. relevanten allgemeinen Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit? |
- | Liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme etwaiger in der Liquiditätsprognose berücksichtigter staatlicher Liquiditätshilfen vor? |
- | Handeln die gesetzlichen Vertreter dementsprechend (z.B. tatsächliche Beantragung staatlicher Liquiditätshilfen)? |
Aufnahme eines Hinweises auf Bestandsgefährdung in den Bestätigungsvermerk
Besteht eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit und ist diese im Abschluss und ggf. Lagebericht angemessen angegeben, hat der Bestätigungsvermerk in einem gesonderten Abschnitt mit der Überschrift "Wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit" einen Hinweis auf die Bestandsgefährdung unter Bezugnahme auf die Angaben im Abschluss und ggf. Lagebericht zu enthalten (§ 322 Abs. 2 Satz 3 und 4 HGB; vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 29). Der Hinweis setzt voraus, dass ein Fortführungsrisiko besteht, dessen Eintritt zwar nach den zum Datum des Bestätigungsvermerks vorliegenden Erkenntnissen (z.B. Stand der Ausbreitung des Coronavirus, beschlossene staatliche Maßnahmen mit Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit) und Tatsachen (z.B. tatsächliche Beantragung von staatlichen Hilfsmaßnahmen durch das Unternehmen) nicht so wahrscheinlich ist, dass eine Abkehr von der Fortführungsannahme zu erfolgen hat, aufgrund deren möglichen Auswirkungen und der nicht nur latenten Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch eine angemessene Information der Abschlussadressaten erforderlich ist (vgl. IDW PS 270 n.F., Tz. 23).
Weitere Hinweise
Aufgrund der durch die Pandemie geänderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird insb. die Ermittlung von geschätzten Werten (vor allem für nach dem 31.12.2019 endende Geschäftsjahre) und die Darstellung der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens im Lagebericht vielfach einer außergewöhnlich hohen Unsicherheit unterliegen. Wird dieser Umstand im Abschluss bzw. Lagebericht des Unternehmens angemessen dargestellt, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, dass hierauf im Bestätigungsvermerk im Rahmen eines "Hinweises zur Hervorhebung eines Sachverhalts" aufmerksam gemacht wird (gesonderter Abschnitt mit geeigneter Überschrift; vgl. im Einzelnen IDW PS 406, Tz. 10 f., A8). Zu berücksichtigen ist indes, dass ein solcher Hinweis häufig eher allgemeiner Natur sein wird, zumal er weder eine Modifizierung des Bestätigungsvermerks (bspw. infolge von Einwendungen gegen die Nachvollziehbarkeit von getroffenen Annahmen), noch einen ggf. erforderlichen Hinweis auf Bestandsgefährdung und auch keine ggf. erforderliche Berichterstattung über die Beurteilung der Auswirkungen der Pandemie als besonders wichtigen Prüfungssachverhalt (Key Audit Matter) ersetzen darf. Ein solcher Hinweis erscheint daher in aller Regel nicht das geeignete Mittel zu sein, um den derzeit bestehenden Unsicherheiten angemessen Rechnung zu tragen.
Auslieferung der Berichterstattung
Die Abschlussprüfung muss spätestens im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Feststellung bzw. Billigung des Abschlusses beendet sein (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG (analog für GmbH)). Die Beendigung der Abschlussprüfung setzt die Unterzeichnung des Prüfungsberichts (§ 321 Abs. 5 Satz 1 HGB) und die Vorlage beim Feststellungsorgan (z.B. Aufsichtsrat oder Gesellschafterversammlung) voraus. Die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz erleichtert in der derzeitigen Pandemie-Situation die Erfüllung der Vorlagepflichten. Die Vorlagepflicht des Abschlussprüfers kann allerdings auch mit der Zuleitung zumindest eines eigenhändig unterschriebenen Berichtsexemplars an den Vorsitzenden (in dessen Abwesenheit: dessen Stellvertreter oder ein ggf. ein einfaches Organmitglied) des Feststellungsorgans erfüllt werden. Die übrigen Organmitglieder können von dem Vorsitzenden in diesem Fall Berichtskopien in elektronischer Form (z.B. als Datei im PDF-Format) erhalten, sodass auf die häufig übliche handschriftliche Unterzeichnung weiterer Exemplare verzichtet werden kann.
Wenn die qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz nicht in Betracht kommt und auch die Auslieferung des einen eigenhändig unterschriebenen Berichtsexemplars aufgrund aktueller Beschränkungen nicht zeitgerecht erfolgen kann, wird im Ausnahmefall u.U. lediglich die Vorlage einer Berichtskopie in elektronischer Form (z.B. als Datei im PDF-Format) erfolgen können. Es bestehen in diesem Fall Rechtsunsicherheiten, ob dies für die Wahrung des Zugangs ausreicht und damit eine wirksame Feststellung des Abschlusses erfolgen kann. Der Abschlussprüfer könnte in dieser Situation im Rahmen der Aufsichtsratssitzung bzw. Gesellschafterversammlung (bspw. in Form einer Videokonferenz), in der die Feststellung erfolgen soll, erklären, dass die Berichtskopie dem unterschriebenen Original entspricht.
Pflichten nach der Erteilung des Bestätigungsvermerks
Nach dem Datum der Erteilung des Bestätigungsvermerks ist der Abschlussprüfer grundsätzlich nicht verpflichtet, zu dem geprüften Jahresabschluss und ggf. Lagebericht weitere Prüfungshandlungen vorzunehmen (vgl. IDW PS 203, Tz. 18 ff.). Die weiteren Entwicklungen des Pandemie-Geschehens nach dem Datum der Erteilung des Bestätigungsvermerks führen, auch wenn es sich um wertaufhellende Tatsachen handelt, nicht dazu, dass der Abschluss und/oder Lagebericht im Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks als unzutreffend zu beurteilen gewesen wäre. Daher liegt darin auch kein Grund zum Widerruf des Bestätigungsvermerks. Es erscheint sachgerecht, dass der Abschlussprüfer, wenn ihm bis zur Feststellung bzw. Billigung des Abschlusses Umstände bekannt werden, die von ganz erheblicher Bedeutung für das geprüfte Unternehmen sind, mit den für die Aufstellung und Feststellung bzw. Billigung verantwortlichen Unternehmensorgane die Notwendigkeit einer Änderung des Abschlusses erörtert. Entscheiden die Unternehmensorgane, den Abschluss und/oder Lagebericht zu ändern, ist dieser im Wege der Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 Satz 1 HGB zu prüfen, soweit es die Änderungen erfordern.
Für Hinweise zur Fair-Value-Ermittlung nach IFRS 13 siehe den nachfolgenden Unterabschnitt.