Fachliteratur

Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht. Herausgegeben von Benjamin Kneihs und Georg Lienbacher. Redaktion: Matthias Lukan und Rebekka Redwitz. Verlag Österreich, Wien. Loseblatt-Ausgabe. 19. Lieferung, 2017, 710 Seiten, € 274,-.

Bearbeiter: Peter Pernthaler

Die 19. Lieferung enthält Austauschseiten zur Titelei mit ihren Verzeichnissen und zum Sachverzeichnis. Neu bearbeitet werden zehn Artikel des B-VG und drei Artikel der EMRK, die in der Folge näher besprochen werden.

Art 11 Abs 2 B-VG (Kommentierung: Matthias Lukan) regelt die Bedarfskompetenz des Bundes, einheitliche Verfahrensgesetze für die Verwaltung zu erlassen. Während der Kompetenztatbestand bei seiner Erlassung (1920) und seinem Inkrafttreten (1925) noch als ausschließliche Bundeskompetenz formuliert war (Rz 2 f), wurde seine heutige Fassung als Bedarfskompetenz durch die Zweite Bundes-Verfassungsnovelle 1929 geschaffen (Rz 4). Ist schon dieser Kompetenztypus als "konkurrierende Zuständigkeit" für das B-VG ungewöhnlich, so brachte die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974 eine weitere Komplikation der Kompetenzsituation durch eine begrenzte "Abweichungskompetenz" in Materiengesetzen des Bundes und der Länder als weitere konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit beider Gebietskörperschaften. Derartige Ausnahmen von der Grundstruktur des B-VG der klaren und "exklusiven" Kompetenztrennung funktionieren nur, wenn die Verfassung gleichzeitig Regeln festlegt, wie diese Konkurrenzen im Konfliktfall zu lösen sind. Die erste dieser Regeln ist die (unüberprüfbare) Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, den "Bedarf" an einheitlichen Vorschriften in den Bereichen des Art 11 Abs 2 B-VG als vorhanden zu erachten (Rz 8-12) und diese damit aus der (geteilten) Adhäsionskompetenz der Materiengesetzgeber (Rz 6) herauszuheben. Die zweite Konfliktlösungsregel ist die (überprüfbare) "Erforderlichkeit" der Sonderregelung im Materiengesetz, die - jedenfalls im Bereich der Landesgesetzgebung - vom VfGH restriktiv ausgelegt wird. An sich ist auch der Bundesgesetzgeber als Materiengesetzgeber der strengen Erforderlichkeitskontrolle unterworfen ("Gleichstellungsprinzip"), gleichzeitig blieb aber die Ungebundenheit der Bedarfskompetenz des Bundes erhalten, woraus die Kommentierung die Ermächtigung zur Begrenzung der Einheitlichkeit mit überzeugenden Argumenten gegen die sorgfältig dokumentierte Lehre ableitet (Rz 14-20). Auch die Qualifikation des Verhältnisses von einheitlichen und abweichenden Regelungen als (wechselseitige) Derogation und nicht als "Suspension" begründet und differenziert die Kommentierung richtig (Rz 29-38). Auch nach dem Studium der ausführlichen und tiefgründigen Erläuterungen der Kompetenzbegriffe des Art 11 Abs 2 B-VG im VII. Abschnitt der Kommentierung (Rz 39-77) ist der Rezensent nicht davon überzeugt, dass das Abstellen der Versteinerungstheorie auf das Jahr 1920 (Rz 45) statt wie gewohnt auf das Jahr 1925 (Inkrafttreten) einen wesentlichen Zugewinn an auslegungsrelevantem "historischen Rechtsbestand" gebracht hat. Das deshalb, weil noch die Kodifikation der Verwaltungsverfahrensgesetze im Jahr 1925 - die man sinnvollerweise nicht völlig aus der Interpretation der gleichzeitig neu erlassenen Kompetenztatbestände (Rz 3) ausklammern kann - im Wesentlichen auf der rechtlichen Begriffsbildung durch die Judikatur des VwGH als rechtsschöpferische Gerichtspraxis beruhte und diese Judikatur weit vor das Jahr 1920 zurückreichte.

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Artikel-Nr.
ZfV 2018/17

07.08.2018
Heft 2/2018