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Abberufung von Stiftungsvorständen – Unterbrechung des Verfahrens?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AußStrG: § 25, § 44

PSG: § 27

Ist eine Vorfrage des anhängigen Außerstreitverfahrens Gegenstand eines anderen Verfahrens müssen die Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Verfahrens gem § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG kumulativ vorliegen („erheblicher“ Verfahrensaufwand zur Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren; keine „unzumutbare Verzögerung“ durch die Unterbrechung). Das Gesetz bevorzugt die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren; kann die Vorfrage im Außerstreitverfahren mit normalem Aufwand gelöst werden, darf das Verfahren nicht unterbrochen werden. Das Kriterium der unzumutbaren Verfahrensverzögerung wird weiters regelmäßig gegen die Unterbrechung von Rechtsfürsorgeverfahren sprechen.

Ob das Gericht das Verfahren außer Streitsachen unterbricht oder nicht, ist fakultativ; aufgrund der präzisen gesetzlichen Voraussetzungen bleibt bei der Ermessensausübung allerdings nicht viel Spielraum. Auch wenn Zweck des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG grundsätzlich die Vermeidung widersprechender Ergebnisse ist, hat im Zweifel der Außerstreitrichter die Vorfrage im anhängigen Verfahren selbst zu beurteilen.

Bei der gerichtlichen Bestellung oder Abberufung von Stiftungsorganen handelt es sich um ein Rechtsfürsorgeverfahren (vgl § 27 Abs 2 PSG, wonach die Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen zu erfolgen hat, wenn einer der gesetzlichen Abberufungsgründe vorliegt). Dies und das „Kontrolldefizit“ bei Privatstiftungen sprechen für ein besonders enges Verständnis der Voraussetzungen für eine Unterbrechung eines Verfahrens auf Abberufung von Stiftungsvorständen. Es müssen ganz besonders gewichtige Gründe vorliegen, die eine Unterbrechung des Verfahrens rechtfertigen. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung wirkt sofort, ohne dass der Ausspruch einer vorläufigen Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit iSd § 44 AußStrG erforderlich wäre. Damit ist aber im weitergeführten Abberufungsverfahren ein wesentlich rascherer und effektiverer Rechtsschutz zu erreichen, als ein solcher bei Unterbrechung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Zivilprozesses gegeben wäre.

OGH 28. 6. 2018, 6 Ob 72/18h

Entscheidung

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Antragstellerin bereits am 11. 5. 2017 den Abberufungsantrag eingebracht und erst danach am 1. 6. 2017 den Zivilprozess gerichtsanhängig gemacht hat. Das Gesetz normiert keinen Grundsatz des Vorrangs des Zivilprozesses vor dem Außerstreitverfahren, weshalb Tunlichkeit und Zweckmäßigkeit der Unterbrechung des früher eingeleiteten Verfahrens schwer zu begründen sind; eine verfahrensökonomische Verbesserung der Situation wird durch die von den Vorinstanzen beschlossene Unterbrechung jedenfalls nicht erreicht.

Auch die Überlegungen, wonach das streitige Verfahren für die Behandlung „kontradiktorischer Verfahren zweifellos besser geeignet“ sei und ein umfangreiches Beweisverfahren „naturgemäß“ in das streitige Verfahren gehöre, sind seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 mit 1. 1. 2005 überholt (ausführlich Rechberger in Rechberger, AußStrG² Einl Punkt 2). Der Gesetzgeber hat zahlreiche Materien, die sich durch ein kontradiktorisches Verfahren und umfangreiches Beweisverfahren auszeichnen, bewusst in das Außerstreitverfahren verwiesen, so beispielsweise das Verfahren über das Erbrecht („Erbrechtsstreit“, §§ 161 ff AußStrG) oder zahlreiche Entscheidungen im Bereich des Wohnrechts (§ 37 MRG, § 52 WEG). Es unterliegt keinerlei Zweifel, dass das AußStrG heute ein vollwertiges, eigenständiges zivilgerichtliches Erkenntnisverfahren normiert (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG Einl Rz 6).

Von ganz besonderer Bedeutung erscheint im vorliegenden Verfahren aber schließlich, dass im Zivilprozess bislang noch nicht einmal eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt wurde, obwohl bereits in der ersten Julihälfte 2017 die Klagebeantwortungen vorlagen und die Antragstellerin am 17. 1. 2018 ein „höfliches Ersuchen“ an den Streitrichter richtete, eine solche auszuschreiben. Seit Gerichtsanhängigkeit des Zivilprozesses am 1. 6. 2017 sind somit bislang rund 13 Monate vergangen, ohne dass irgendeine richterliche Tätigkeit erkennbar wäre. Allein dieser Umstand macht eine Unterbrechung des Abberufungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Zivilprozesses für die Antragstellerin unzumutbar (vgl auch 1 Ob 233/12i, Rechtsnews 14863, Zak 2013/190, wonach sogar die Fortsetzung eines unterbrochenen Außerstreitverfahrens nach § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG zu erfolgen hat, wenn sich das präjudizielle Verfahren in einer Weise entwickelt, dass ein weiteres Zuwarten im unterbrochenen Verfahren für eine Partei mit einer unzumutbaren Verzögerung verbunden wäre; RIS-Justiz RS0128680).

Damit war dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge zu geben und der Unterbrechungsantrag der Antragsgegner abzuweisen, ohne dass auf die Frage näher einzugehen gewesen wäre, ob das Zivilverfahren überhaupt präjudiziell ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25988 vom 06.09.2018