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Abschöpfungsverfahren – Veruntreuungen durch Treuhänder

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KO/IO idF vor BGBl I 2017/122 : § 199, § 213

KO/IO: § 214

1. Nach § 199 KO/IO idF vor BGBl I 2017/122 hat der Schuldner dem Antrag auf Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung die Erklärung beizufügen, dass er den pfändbaren Teil seiner Forderungen für die Zeit von sieben (nunmehr fünf) Jahren an den vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt, der dann jeweils am Ende des Kalenderjahres die bei ihm eingelangten Gelder an die Gläubiger zu verteilen hat. Die Bestellung eines Treuhänders ist zwingend.

Eine Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 Z 2 KO/IO idF vor BGBl I 2017/122 ist nur dann zulässig, wenn die Gläubiger den Mindestbetrag von 10 % der Forderungen auch tatsächlich erhalten haben. Erfolgte eine geringere Auszahlung aufgrund von Veruntreuungen durch den Treuhänder, ist diese Minderzahlung nicht zu Lasten der Gläubiger zu berücksichtigen, kann jedoch über Antrag des Schuldners bei einer Entscheidung nach § 213 Abs 2 KO (IO) idF vor BGBl I 2017/122 in die Billigkeitserwägungen einbezogen werden.

2. Wird nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens vom Gericht ausgesprochen, dass der Schuldner von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit ist, wirkt diese Restschuldbefreiung gegen alle Konkursgläubiger (§ 214 Abs 1 KO/IO). Auch wenn dadurch keine Streitgenossenschaft unter den Gläubigern begründet wird, kommt es damit durch das Rechtsmittel eines Gläubigers notwendigerweise zu einer für und gegen alle Gläubiger wirkenden Entscheidung. Daher können in diesem besonderen Fall auch Gläubiger, die keinen Rekurs erhoben haben, durch die Rechtsmittelentscheidung beschwert und zum Revisionsrekurs berechtigt sein.

OGH 25. 10. 2017, 8 Ob 1/17f

Hinweis:

Das Abschöpfungsverfahren wurde vor dem 30. 6. 2010 eröffnet. Abgesehen von den Ausnahmen nach § 273 Abs 8 IO gelangen daher gem § 273 Abs 1 IO die Bestimmungen der Konkursordnung zur Anwendung. Die relevante Bestimmung des § 213 KO wurde zwar im Wesentlichen unverändert in die IO übernommen, aber durch das IRÄG 2017, BGBl I 2017/122, grundlegend geändert. Eine Restschuldbefreiung ist nun unabhängig vom Erreichen einer bestimmten Mindestquote nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung vorgesehen.

Entscheidung

Nach der jüngeren Rsp wird bei der mehrhändigen Treuhand insb iZm Liegenschaftsverkäufen davon ausgegangen, dass der Treuhänder regelmäßig im Interesse aller Beteiligten bestellt wird, weshalb eine Risikoteilung zwischen Verkäufer und Käufer sowie allenfalls auch dem Finanzierer vorzunehmen ist, wenn die Veruntreuung zwischen Erlag beim Treuhänder und Auszahlungsreife erfolgt (P. Bydlinski in KBB5 § 1002 Rz 7 mwN).

Diese Rsp lässt sich jedoch nach Ansicht des OGH aus mehreren Gründen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen:

Die Risikoverteilung wird dort ua damit begründet, dass mangels konkreter Risikovereinbarung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen ist, dass ein Verlust des Treuguts beim Treuhänder von den Treugebern gleichteilig zu tragen ist, wie dies redliche und vernünftige Parteien auch vereinbaren würden. Wenn die Treuhandvereinbarung einen Sicherungszweck habe und die sichere Zug-um-Zug-Abwicklung ersetzen solle, sei die Aufteilung des von der Treuhandschaft ausgehenden Risikos auf beide Treugeber sachgerecht und stehe mit dem Austauschverhältnis der Hauptleistung im Einklang (6 Ob 248/03v).

Auch wenn im Abschöpfungsverfahren der Treuhänder die Interessen sowohl des Schuldners als auch der Gläubiger zu wahren hat und in diesem Sinn daher tatsächlich eine mehrseitige Treuhand vorliegt, dient die Bestellung des Treuhänders nicht der Garantie der wechselseitigen Erfüllung der Verbindlichkeiten, sondern der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Abschöpfungsverfahrens. Durch die Abtretungserklärung des Schuldners repräsentiert der Treuhänder gegenüber Drittschuldnern den Schuldner, diese können mit Mitteilung der Abtretung schuldbefreiend nur noch an ihn leisten. Mit der Leistung an den Treuhänder wird aber noch keine Verpflichtung des Schuldners gegenüber seinen eigenen Gläubigern erfüllt, sondern nur die quotenmäßige Verteilung vorbereitet. Die Gläubiger haben aus dem Grundgeschäft mit dem Schuldner kein Interesse an der Bestellung eines Treuhänders. Auf die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens haben sie keinen Einfluss. Während des Abschöpfungsverfahrens können sie nicht unmittelbar gegen den Schuldner vorgehen, sondern sind auf Zahlungen durch den Treuhänder angewiesen. Allein das Interesse an der quotenmäßigen Befriedigung zumindest eines (10%igen) Teils ihrer Forderungen rechtfertigt es nicht, ihnen das Risiko der Weiterleitung dieser Zahlungen auch nur teilweise aufzuerlegen.

Dem entspricht auch die Intention des Gesetzes, wonach eine Restschuldbefreiung nur dann zu erfolgen hat, wenn den Gläubigern eine bestimmte Mindestquote zugekommen ist, was nur bei tatsächlichem Erhalt der Zahlung als erfüllt angesehen werden kann. Worauf das Nichterreichen der Quote zurückzuführen ist, ist im Rahmen der Prüfung nach § 213 Abs 1 Z 2 KO irrelevant.

Sollte dies zu unbilligen Härten gegenüber dem Schuldner führen – was bei Veruntreuungshandlungen durch den vom Gericht bestellten Treuhänder indiziert sein kann –, kann dem iSd § 213 Abs 2 KO insoweit begegnet werden, als das Gericht auf Antrag des Schuldners nach Billigkeit darüber zu entscheiden hat, ob trotz Nichterreichung der 10%igen Quote eine Restschuldbefreiung erfolgt. Das ermöglicht, im Rahmen einer Gesamtabwägung neben dem Schaden durch die Veruntreuung auch das Gesamtverhalten des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens und die den Gläubigern tatsächlich zugekommenen Beträge zu berücksichtigen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24802 vom 16.01.2018