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Änderung betr Insidergeschäfte und Marktmanipulation - BGBl

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert werden

BGBl I 2016/76, ausgegeben am 1. 8. 2016

Zur nahezu unverändert übernommenen RV 1186 BlgNR 25. GP siehe LN Rechtsnews 21821 vom 17. 6. 2016.

Umsetzung von EU-Recht

Mit der vorliegenden Novelle wird die RL 2014/57/EU [über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie; auch „MAD“)] umgesetzt und werden flankierende Regelungen zur VO (EU) 596/2014 [über Marktmissbrauch und zur Aufhebung der RL 2003/6/EG und der RL 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG (Marktmissbrauchsverordnung; auch „MAR“)] geschaffen. Zusätzlich wird die DurchführungsRL (EU) 2015/2392 zur VO (EU) 596/2014 hinsichtlich der Meldung tatsächlicher oder möglicher Verstöße gegen diese Verordnung umgesetzt.

Anm: Während die VO (EU) 596/2014 weitgehend in allen Mitgliedstaaten direkt gilt, müssen ihre verwaltungsrechtlichen Sanktionsbestimmungen und die RL 2014/57/EU national umgesetzt werden.

Wichtigste Neuerungen

Bisher sind Insidergeschäfte ausschließlich gerichtlich (§ 48b BörseG) und Marktmanipulation ausschließlich verwaltungsbehördlich strafbar (§ 48c BörseG). Diese Aufgabenverteilung zwischen Justiz (Strafgerichte und Staatsanwaltschaften) und Verwaltungsbehörden (FMA) kann wegen der Vorgaben der RL 2014/57/EU nicht mehr beibehalten werden; schwerwiegende Fälle von Marktmanipulation sind jedenfalls gerichtlich strafbar zu machen.

Die Novelle gestaltet,

-zwar bestimmte Erscheinungsformen der Marktmanipulation zur Gänze als Verwaltungsübertretungen aus (nämlich die in Art 12 Abs 1 lit c und d VO (EU) 596/2014 bzw Art 5 Abs 2 lit c und d RL 2014/57/EU vorgesehenen Fälle),
-im Übrigen ist aber eine gerichtliche Strafbarkeit vorgesehen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten sind (§ 48n BörseG).
-Diese Lösung wird auch auf den Bereich des Insiderhandels übertragen (§ 48m BörseG).

Für die Abgrenzung zwischen gerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit wird

-für jene Fälle, denen Transaktionen zugrunde liegen, eine Abgrenzung nach der Höhe der Transaktion (1 Mio Euro) vorgesehen;
-in den übrigen Fällen eine Abgrenzung nach der Höhe der Kursveränderung (mindestens 35 %) und - kumulativ - eines bestimmten Gesamtumsatzes (mindestens 10 Mio Euro) innerhalb von 5 Handelstagen.

Diese Kriterien sollen eine klare Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen Staatsanwaltschaft bzw Gericht und FMA schon bei Beginn eines Verfahrens gewährleisten. Damit wird eine bewusste Abkehr von jenem Kriterium gewählt, das nicht nur im gesamten Vermögensstrafrecht, sondern auch im bisherigen Insidertatbestand höhere Strafdrohungen auslöst, nämlich dem erlangten Vermögensvorteil.

Im Einklang mit dem Grundsatz ne bis in idem (Verbot der Doppelverfolgung und -bestrafung, Art 4 7. ZPMRK; Art 50 GRC) und Art 30 Abs 3 vorletzter Unterabsatz der VO (EU) 596/2014 sind nach § 22 Abs 1 VStG bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der gerichtlichen Straftatbestände in den §§ 48m, 48n BörseG keine verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu verhängen.

Der Novelle beschränkt sich weitgehend darauf, die in der RL 2014/57/EU vorgeschriebene Höhe der Freiheitsstrafen zu übernehmen; eine etwas höhere Strafdrohung wird nur dort gewählt, wo die in der RL 2014/57/EU vorgesehene Höhe (Freiheitsstrafe von 4 Jahren) dem österreichischen Strafrecht fremd ist: Die Novelle übernimmt die im österreichischen Strafrecht gängige Staffelung von 6 Monaten bis 5 Jahre (§ 48m Abs 1, 2, 5 und 6 BörseG; § 48n Abs 1 und 2 BörseG).

Der Verpflichtung nach Art 7 und 8 RL 2014/57/EU, eine Strafbarkeit juristischer Personen vorzusehen, wird durch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) nachgekommen, das auf sämtliche Handlungen anzuwenden ist, die mit gerichtlicher Strafe bedroht sind (§ 1 Abs 1 VbVG), also auch auf die §§ 48m und 48n BörseG.

Die Regelungen über die inländische Gerichtsbarkeit in Art 10 RL 2014/57/EU sind durch die geltenden Bestimmungen in §§ 62, 65 StGB umgesetzt.

Änderung gegenüber der RV

Besonders hervorzuheben ist die Einfügung der Z 8b in § 103 WAG 2007:

Um die Leistungsfähigkeit des Entschädigungssystems weiterhin zu gewährleisten, wird der BMF ermächtigt, im Finanzjahr 2016 an die Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH (AeW) eine Zahlung iHv bis zu 148.400.362,- € zu leisten; dieser Beitrag des Bundes dient ausschließlich dem Zweck, die AeW in die Lage zu versetzen, die Anlegerforderungen zufolge der Insolvenzen der AvW Invest AG (zu 41 S 64/10z des LG Klagenfurt) und der AvW Gruppe AG (zu 41 S 65/10x des LG Klagenfurt) zu befriedigen. Die näheren Voraussetzungen und Bedingungen für die Leistung des Beitrags sind in einer Vereinbarung zwischen dem Bund und der AeW zu regeln, in der insb eine Abtretung der Anlegeransprüche an den Bund und gewisse Kontrollrechte des Bundes und Nachweispflichten der AeW in Bezug auf die Mittelaufbringung und die widmungsgemäße Verwendung des Beitrags des Bundes vorzusehen sind.

In diesem Zusammenhang ist auch eine Entschließung angenommen worden, in der der BMF aufgefordert wird, dem NR bis 30. 9. 2016 eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, mit der - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - sichergestellt ist, dass in Zukunft Wertverluste einer Anlage nicht mehr Anwendungsfälle der Anlegerentschädigung werden und gegebenenfalls Anwendungsfälle der Anlegerentschädigung ohne finanzielle Zuschüsse der öffentlichen Hand von dieser selbst getragen werden können. Die Ausgestaltung des allfälligen Ausbaus des Sicherungskreises der Finanzdienstleistungsbranche (wie im ESAEG, BGBl I 2015/117 vorgesehen) ist dabei ebenfalls zu evaluieren.

Inkrafttreten

Die Neuregelungen sind mit 2. 8. 2016 in Kraft getreten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22092 vom 02.08.2016