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AFRAC veröffentlicht erweiterte Fachinformation zu den Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Unternehmensberichterstattung

Bearbeiter: Kerstin Brandstetter / Bearbeiter: Verena Nitschinger / Bearbeiter: Maria Sumerauer

Abstract

Für Unternehmen mit Abschlussstichtagen bis zum 23. Februar 2022 stellt die Ukraine-Krise ein wertbegründendes Ereignis dar, das sich grundsätzlich nicht im Zahlenwerk des Abschlusses widerspiegelt. Als wesentliches Ereignis nach dem Abschlussstichtag können sich allerdings Berichtspflichten für den Anhang und Lagebericht ergeben. Für Abschlüsse zu Stichtagen nach dem 23. Februar 2022 ist einzelfallbezogen zu beurteilen, ob und wie sich die Ukraine-Krise auf das Zahlenwerk des Abschlusses sowie die Angabepflichten im Anhang und Lagebericht bzw die nichtfinanzielle Berichterstattung auswirkt.

Einleitung

Die Russische Föderation hat am 21. Februar 2022 die in der Ukraine liegenden Regionen Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt. Am 24. Februar 2022 verkündete die Russische Föderation, dass die beiden Regionen sie um Hilfe gebeten hätten, weshalb ein breit angelegter Angriff auf die Ukraine begonnen wurde. Dieser Kriegszustand führt zu wirtschaftlichen Auswirkungen auf lokale und westliche Unternehmen.

Das AFRAC hat zu den damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Unternehmensberichterstattung eine Fachinformation im März 2022 publiziert; eine erweiterte Fachinformation wurde Anfang April 2022 veröffentlicht.

Abschlussstichtage bis zum 23. Februar 2022

Nach Ansicht des AFRAC ist mit dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine ein wertbegründendes Ereignis eingetreten, welches grundsätzlich nicht im Zahlenwerk von Abschlüssen zu Stichtagen bis zum 23. Februar 2022 zu berücksichtigen ist, es sei denn, die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ist dadurch gefährdet.1

Wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ukraine-Krise darauf hindeuten, dass die Going Concern-Annahme nicht mehr angemessen ist, darf der Abschluss nicht unter Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind alle zukunftsbezogenen Informationen, die bis zur Aufstellung des Abschlusses verfügbar sind, miteinzubeziehen.2

Betroffene Unternehmen müssen beurteilen, ob sie sich in einer akuten Krise3 befinden und ggf eine Krisenanalyse durchführen. Bei dieser Analyse sind neben den unmittelbaren Auswirkungen der Kriegseinwirkungen auch langfristige, globale Auswirkungen zu berücksichtigen. Folgende Umstände können bspw relevant sein:4

-Wesentliche Beschaffungs-/Absatzmärkte in den betroffenen Regionen;
-Festlegung freiwilliger Maßnahmen gegen Russland;
-Reduktion von Investitionen sowie Änderungen des Verbraucherverhaltens innerhalb der jeweiligen Branche;
-Wesentliche Vermögenswerte sind in der Ukraine, in Russland oder in Belarus veranlagt;
-Bestand wesentlicher Forderungen ggü betroffenen Geschäftspartnern;
-Wesentliche Darlehensverbindlichkeiten, die fällig gestellt werden;
-Wesentliche Abhängigkeit von Finanzierungen durch russische, belarussische oder ukrainische Gesellschaften; und
-Planungsunsicherheiten in Bezug auf indirekte makroökonomische Folgen der Ukraine-Krise.

Für die im Kontext der Ukraine-Krise erforderlichen Angaben in Anhang und Lagebericht wird auf die Kapitel 2.2. und 2.3. der AFRAC-Fachinformation verwiesen.

Abschlussstichtage nach dem 23. Februar 2022

Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Ukraine-Krise im Zahlenwerk eines Abschlusses ist iSd Stichtagsprinzips in Abschlüssen zu Stichtagen nach dem 23. Februar 2022 geboten.5 Dadurch können sich verschiedene Themenstellungen ergeben. Insbesondere kann eine neuerliche Überprüfung der Fortführungsfähigkeit erforderlich sein sowie die Möglichkeit oder Notwendigkeit zur Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes für Ansatz und Bewertung bestehen.6

Die aktuelle Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen können sich zudem vielfach auf die Bilanz von betroffenen Unternehmen auswirken. Für Aktiva und Passiva gilt bspw Folgendes:7

-Die aktuelle Ukraine-Krise wird idR dazu führen, dass die Prüfung von außerplanmäßigen Abschreibungen bzw die Durchführung von Wertminderungstests nach IFRS erforderlich ist. Dies betrifft insb Firmenwerte und anderes immaterielles Vermögen, Sach- sowie ggf Finanzanlagevermögen.
-Bei Finanzanlage- und -umlaufvermögen, welches zu beizulegenden Zeitwerten bewertet wird, sind die Auswirkungen der Ukraine-Krise bei der Wertermittlung zu berücksichtigen.
-Die Ukraine-Krise kann sich auf die Bewertung der Vorräte auswirken. Abschreibungen, bspw aufgrund erhöhter Kosten zur Fertigstellung der Erzeugnisse, können erforderlich sein. Zudem können durch Verzögerungen bzw Unterbrechungen in den Lieferketten nicht aktivierungsfähige Leerkosten entstehen.
-Bei der Bewertung von Forderungen ist durch die verhängten Sanktionen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Krisenregionen mit erhöhten Ausfallsrisiken zu rechnen.
-Änderungen der Zugriffsmöglichkeiten auf Konten in den betroffenen Regionen können Auswirkungen auf den Ausweis der liquiden Mittel haben.
-Auswirkungen können sich auf die Umsatzerlöse dem Grunde und der Höhe nach ergeben, wenn sich die erwartete Gegenleistung des Kunden oder die erwarteten Kosten der Vertragserfüllung ändern.
-In Bezug auf aktive latente Steuern muss, insb wenn diese aufgrund von Verlustvorträgen gebildet wurden, beurteilt werden, ob zukünftig ein ausreichendes zu versteuerndes Ergebnis vorliegen wird.
-Schwebende Absatz- und Beschaffungsgeschäfte mit Bezug zu den betroffenen Regionen können die Bildung von Rückstellungen erfordern. Denkbar wären dabei Rückstellungen für drohende Verluste oder für belastende Verträge, bspw infolge steigender Rohstoffpreise oder gar Exportstopps für gewisse Produkte, sowie für Vertragsstrafen. Rückstellungen können ebenso für geplante Umstrukturierungen erforderlich sein, etwa wenn Unternehmen aus Anlass der aktuellen Situation entscheiden, mittel- bis langfristig ihre Niederlassungen in diesen Ländern aufzugeben.
-Verluste oder Vermögensschmälerungen, die ein Unternehmen durch die Ukraine-Krise erleidet, können zum Bruch von Kreditbedingungen (Covenants) führen. Dies führt im Regelfall zu einer vorzeitigen Rückzahlungsverpflichtung, wodurch sich deren Fristigkeit ändert.
-Eventualverbindlichkeiten können schlagend werden. Diese sind sodann in der Bilanz anzusetzen.
-Aufgrund des starken Absturzes des russischen (RUB) und belarussischen (BYN) Rubels sowie der ukrainischen Währung (UAH) ist mit der vermehrten Realisation von Fremdwährungsverlusten zu rechnen.8

Konzernabschlüsse

Zusätzlich zu den bereits genannten Auswirkungen haben Unternehmen im Konzerngeflecht die spezifischen Auswirkungen der Ukraine-Krise auf den noch nicht aufgestellten Konzernabschluss zu beachten:

-Befreiende Konzernabschlüsse:
Mutterunternehmen eines Teilkonzerns, die in einen übergeordneten Konzernabschluss einbezogen werden, sind gem § 245 Abs 1 UGB von der Pflicht zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses befreit. Wenn die ausländische Konzernmutter bedingt durch die Ukraine-Krise und ihre Folgen keinen befreienden Konzernabschluss aufstellt, hat das österreichische Mutterunternehmen zu prüfen, ob ein Teilkonzernabschluss aufzustellen, zu prüfen und offenzulegen ist.9
-Verzicht auf die Einbeziehung in den Konzernabschluss:
Österreichische Mutterunternehmen müssen Tochterunternehmen ausnahmsweise nicht mittels Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbeziehen, wenn die erforderlichen Informationen nur mit unverhältnismäßigen Verzögerungen oder hohen Kosten erhalten werden können. Bei der Auslegung des Begriffs „unverhältnismäßig“ ist auf das Ausmaß der zeitlichen Verzögerung sowie die Folgen dieser Verzögerung Bedacht zu nehmen. Bei einer wesentlichen Auswirkung eines Einbeziehungsverzichts ist ein besonders hoher Maßstab anzusetzen.10
-Verlust von Kontroll- und Zugriffsrechten:
In Folge der Ukraine-Krise können die Kontroll- oder Zugriffsrechte auf ein Tochterunternehmen eingeschränkt oder aufgehoben werden. In diesen Fällen müssen österreichische Mutterunternehmen nach ihren individuellen Umständen beurteilen, ob das betroffene Unternehmen weiterhin ein Tochterunternehmen iSv § 189a Z 7 UGB ist. Insbesondere Eingriffe in Geschäftsführungsentscheidungen sowie Einschränkungen durch Regulatoren sind dabei zu berücksichtigen. Unsicherheiten aufgrund von Devisenbeschränkungen darüber, wann auf Gewinne ausländischer Tochterunternehmen zugegriffen werden kann, oder die Einstellung des Geschäftsbetriebs eines Tochterunternehmens führen für sich betrachtet noch zu keinem Beherrschungsverlust.11

Conclusio

Die Ukraine-Krise stellt ein wertbegründendes Ereignis für Unternehmen mit Abschlussstichtagen bis zum 23. Februar 2022 dar und ist demnach nicht im Zahlenwerk des Abschlusses zu berücksichtigen. Allerdings können sich Berichtspflichten im Anhang bzw Lagebericht ergeben, da über wesentliche, wertbegründende Ereignisse und ihre finanziellen Auswirkungen bzw über die voraussichtliche Entwicklung und die wesentlichen Risiken zu berichten ist. Im Sinne des Stichtagsprinzips ist die Berücksichtigung der Ukraine-Krise in Abschlüssen zum Stichtag 24. Februar 2022 oder später geboten. Dabei können sich eine Vielzahl an Auswirkungen für den Jahres- und Konzernabschluss ergeben.

Weitergehende Informationen zu den Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Unternehmensberichterstattung sind in der AFRAC-Fachinformation zu finden.

1

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 9 f.


2

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 11.


3

Eine akute Krise liegt vor, wenn die konkrete Gefahr der Zahlungsunfähigkeit besteht und die Reaktionszeit zur Abwendung einer drohenden Insolvenz knapp ist; vgl KFS/BW 5 Rz 4.


4

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 13.


5

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 28.


6

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 30.


7

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 31.


8

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 33.


9

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 38.


10

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 35.


11

Vgl AFRAC-Fachinformation: Ukraine-Krise (April 2022) Rz 37.


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32422 vom 21.04.2022