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AGB eines Ticketservice: Kosten der Versendung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 1063a

KSchG: § 28, § 29

Ein Versendungskauf liegt auch vor, wenn Eintrittskarten – wie hier – im Rahmen eines „Ticketservice“ von einem von Veranstalter verschiedenen Dritten (hier: als Kommissionär) verkauft und (nach Wahl) versendet werden. Auch nach Inkrafttreten des VRUG hat der Käufer dabei die Versendungskosten zu tragen (§ 1063a ABGB).

Auch die Kosten einer elektronischen Zurverfügungstellung einer Ware sind Kosten der Versendung. Ein Aufwand- bzw Kostenersatzanspruch darf dafür bereits vorweg festgelegt werden (was eine Pauschalierung voraussetzt). Auch bei einem solchen pauschalierten Aufwandersatz sind aber nur jene Kosten verrechenbar, die die Versendung selbst betreffen; Ersatz für Kosten, die der Verkäufer auch ohne Versendung hätte, darf dem Käufer auf diesem Weg nicht abverlangt werden. Stützt sich der Verkäufer daher auf enorme EDV-Kosten zur Entwicklung des elektronischen Ticketservice, muss unterschieden werden, inwiefern diese Kosten die eigentliche (elektronische) Zusendung oder aber die Gestaltung des Produkts (Ticket) betrafen. Die Kosten, die mit der Gestaltung der Eintrittskarte einhergehen, sind nicht Kosten der Versendung iSd § 1063a ABGB, mag es auch erforderlich sein, die Eintrittskarte so zu gestalten oder umzugestalten, dass sie der Käufer problemlos zu Hause ausdrucken kann.

Keinesfalls unter § 1063a ABGB fallen auch jene Kosten, die dadurch entstehen, dass bei der Veranstaltung spezielle Barcode-Lesegräte und entsprechendes Personal vom „Verkäufer“ bereitgestellt werden, sodass die Tickets in Echtzeit elektronisch erfasst und im System verifiziert werden können. Diese Kosten gehen der Versendung nach; sie fallen selbst dann an, wenn der Ticketkäufer zur Veranstaltung nicht erscheint.

Übermittelt der Verkäufer die Tickets physisch an eine Abendkasse, so hat der Käufer die Kosten der Versendung zur Abendkasse übernehmen.

Wählt der Käufer hingegen die Abholung am Sitz oder zumindest einer Niederlassung des Verkäufers („Servicecenter“), hat der Verkäufer die Kosten zu tragen, die mit der Bereitstellung der Ware (Ticket) zur Abholung einhergehen. Für die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung darf ein Verkäufer sich nicht vertraglich einen Kostenersatz versprechen lassen, zumal er ansonsten seine Hauptleistungspflicht – Übergabe der Kaufsache am Erfüllungsort – aushöhlen würde.

OGH 25. 4. 2018, 9 Ob 8/18v

Sachverhalt

Die Bekl betreibt ein „Ticketservice“ (Online-Kartenbüro), insb unter der Bezeichnung „o*****“, und verwendet im rechtsgeschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Vertragsformblättern ua folgende fünf Klauseln:

[1.] „Wenn Sie print@home, unser Ticket zum sofortigen Ausdruck, gewählt haben, wird Ihnen eine Servicegebühr von 2,50 € berechnet.“

[2.] „Für mobile tickets wird eine Service-Gebühr von 2,50 € berechnet.“

[3.] „Wenn Sie Hinterlegung an der Abendkassa ausgewählt haben, wird Ihnen eine Servicegebühr von 2,90 € berechnet.“

[4.] „Hinterlegung in einer L*****-Filiale: Die Service Gebühr beträgt 1,90 €.“

[5.] „o*****-Tarif-Hinterlegungsgebühr: Hinterlegung o***** Center € 1,90 (je Auftrag unabhängig von der Anzahl der Tickets).“

Daneben besteht für den Verbraucher die Möglichkeit, das Ticket mittels [6.] Standardversand (um 6,95 €) oder [7.] Expressversand (um 15 €) zu erhalten. Er hat zwischen den sieben Alternativen die freie Wahl.

Nach Ansicht des kl VKI sind die fünf Klauseln überraschend und nachteilig iSd § 864a ABGB sowie gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Zudem sei die Preisgestaltung der Bekl intransparent.

Die Vorinstanzen gaben dem Unterlassungsbegehren statt, der OGH bestätigte die angefochtene Entscheidung nur hinsichtlich der Klausel 5 (Hinterlegung im o***** Center) und verwies die Rechtssache im Übrigen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das ErstG zurück.

Entscheidung

Inhaltskontrolle

Der OGH verneinte Verletzung des § 864a ABGB ebenso wie eine Intransparenz der Preisgestaltung.

Die Bekl tritt zumindest in Hinsicht auf Veranstaltungen in Österreich selbst als Verkäufer der Eintrittskarten gegenüber dem einzelnen Verbraucher als Käufer auf. Zumal den AGB nicht zu entnehmen ist, dass die Bekl den jeweiligen Veranstalter lediglich vertreten würde, ist von einem Kommissionärsmodell auszugehen. Soweit die Vorinstanzen davon ausgehen, die Bekl sei lediglich Vermittler, vermag sich der Senat dem daher nicht anzuschließen.

Hauptleistungspflicht des Verkäufers beim Kaufvertrag ist die Übereignung der Kaufsache. In Hinsicht auf die Klauseln 1 bis 4 liegt hier ein Versendungskauf vor, in Hinsicht auf die Klausel 5 eine Holschuld. Wenn die Bekl für die Versendung der Eintrittskarten eine Gebühr verlangt (Klauseln 1 bis 4), so betrifft dies allein eine Nebenleistung iSd § 879 Abs 3 ABGB. Gleiches gilt, wenn sie für das Bereitstellen der Eintrittskarten in einem ihrer Servicecenter eine Gebühr verlangt (Klausel 5). Nebenleistungen sind durch § 879 Abs 3 ABGB von der Inhaltskontrolle nicht ausgenommen, sodass die Zulässigkeit der fünf Klauseln anhand dieser Bestimmung zu prüfen ist.

Klausel 1 – Ausdruck der Karte und Verifizierung

Die Klausel 1 ermöglicht dem Verbraucher, die Eintrittskarte selbst auszudrucken (und damit über diese sofort verfügen zu können), wofür ihm 2,50 € abverlangt werden.

Die Bekl hat dazu ua vorgebracht, dass sie für diese Möglichkeit einer Zustellung erst eine Software entwickeln habe müssen, was mehrere Hunderttausend Euro gekostet habe. Zusätzlich zur Software-Entwicklung habe Vorsorge getroffen werden müssen und sei auch nach wie vor dafür erforderlich, dass jedes einzelne Ticket mit einem uniquen Barcode versehen und in ein Layout gebracht wird, das auf einem A4-Drucker darstellbar ist, dass Ticket & Barcode elektronisch zugestellt werden können und dass bei der Veranstaltung spezielle Barcode-Lesegräte und entsprechendes Personal von der bekl P bereitgestellt wird, damit das Ticket in Echtzeit elektronisch erfasst und im System verifiziert bzw abgelehnt werden kann.

Der Kl hat dieses Vorbringen nicht substantiiert bestritten, sondern sich auf den rechtlichen Standpunkt gestellt, dass die „Investitionen“ der Bekl in ihren Betrieb per se keine Rechtfertigung für die Überwälzung der Kosten bilden könnten, die im Interesse des Unternehmens stehen.

Dazu weist der OGH darauf hin, dass zwischen den Kosten des Produkts und den Kosten der Versendung des Produkts an den Käufer zu unterscheiden ist. Erstere abzudecken dient der Kaufpreis, nur hinsichtlich letzterer darf der Verkäufer nach § 1063a ABGB einen (wenn gewünscht auch pauschalierten) Aufwandersatz verlangen.

Die Eintrittskarte verbrieft das Recht, an der Veranstaltung als Zuseher teilzunehmen; ihre Übereignung ist Hauptleistungspflicht der Bekl als Verkäuferin. Wie sich die Eintrittskarte gestaltet, ist für den Käufer ohne Relevanz. Sämtliche Kosten, die mit der Gestaltung der Eintrittskarte einhergehen, können daher keine Kosten der Versendung iSd § 1063a ABGB sein, möge es auch erforderlich sein, die Eintrittskarte so zu gestalten oder umzugestalten, dass sie der Käufer problemlos zu Hause ausdrucken kann. Verrechenbar (im Wege eines pauschalierten Aufwandersatzes) sind nur jene Kosten, die die Versendung selbst betreffen. Auf diesem Weg dürfen dem Käufer nicht Ersatz für Kosten abverlangt werden, die der Verkäufer auch ohne Versendung hätte.

Damit ist aber das (pauschale) Vorbringen der Bekl erörterungsbedürftig, sie hätte für die Ermöglichung der Zustellart „print@home“ erst aufwendig eine Software entwickeln müssen, was mehrere Hunderttausend Euro gekostet habe. Im Hinblick auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen wird das ErstG daher nun die Rechtslage mit den Parteien erörtern und ihnen Gelegenheit geben müssen, angesichts der Rechtslage erheblich erscheinendes Vorbringen zu erstatten und entsprechende Beweisanbote zu machen.

Keinesfalls unter § 1063a ABGB fallen jedenfalls jene Kosten, die dadurch entstehen, dass die Bekl spezielle Barcode-Lesegräte und entsprechendes Personal bereitstellt, wodurch bei der Veranstaltung das Ticket elektronisch erfasst und im System verifiziert werden kann. Diese Kosten gehen der Versendung nach; sie fallen selbst dann an, wenn der Ticketkäufer zur Veranstaltung nicht erscheint.

Klausel 2 – E-Ticket

Die Ausführungen zu Klausel 1 gelten sinngemäß für die Möglichkeit, dass dem Käufer gegen einen Betrag von 2,50 € ein elektronisches Ticket zur Verfügung gestellt wird (Klausel 2). Auch in Bezug auf diese Klausel hat die Bekl (erkennbar) vorgetragen, enorme EDV-Kosten gehabt zu haben, ohne dass aber dabei unterschieden worden wäre, inwiefern diese die eigentliche (elektronische) Zusendung oder aber die Gestaltung des Produkts (Ticket) betrafen. Auch in Hinsicht auf diese Klausel erscheint daher die Rechtssache noch nicht spruchreif.

Klausel 3 – Abholung an der Abendkasse

Die Klausel 3 bietet die Möglichkeit, die Karte an der Abendkasse abzuholen, wofür dem Verbraucher 2,90 € abverlangt werden. Die Abendkasse befindet sich am jeweiligen Veranstaltungsort, somit nicht am Sitz der Bekl oder in einer ihrer Niederlassungen. Die Bekl muss daher die Eintrittskarten erst an diesen Ort verbringen, das heißt iSd § 1063a ABGB an einen anderen Ort versenden. Ein „anderer Ort als der Erfüllungsort“ iSd § 1063a ABGB (sowie auch der Bestimmung des § 905 Abs 3 ABGB) ist nämlich jeder vom Gläubiger bestimmte, vom Sitz des Schuldners oder einer seiner Niederlassungen verschiedene Ort, mag es sich dabei auch nicht um den Sitz des Gläubigers handeln. Damit muss nach § 1063a ABGB der Käufer die Kosten der Versendung zur Abendkasse übernehmen.

Die Feststellungen lassen nicht erkennen, ob das Ticket von der Bekl der Abendkasse physisch übermittelt oder erst dort ausgedruckt wird. Im ersteren Fall würde der hierfür verlangte – als pauschalierter Kostenersatz zu betrachtende – Betrag von 2,90 € nicht von vornherein unrealistisch hoch erscheinen, wären doch auch gewisse Kosten verbunden, wenn die Bekl das Ticket an einen Postdienstleister übergibt und diesen mit der Überbringung an die Abendkasse beauftragt. Diesfalls stünde es der Kl frei, unter Beweis zu stellen, dass die von einem Dritten für die Übermittlung an die Abendkasse verlangten Kosten jene erheblich unterschreiten, die sie den Verbrauchern abverlangt.

Sollten hingegen allein Daten an die Abendkasse übermittelt werden und das Ticket sodann an Ort und Stelle hergestellt (ausgedruckt) werden, wäre nicht ersichtlich, welche Versendungskosten die Bekl haben sollte. Namhafte Kosten der Erstellung einer Software hat sie in Hinsicht auf diese Klausel ebenso wenig vorgebracht wie (ins Gewicht fallende) Datentransferkosten.

Klausel 4 – Abholung in Partnerunternehmen

Gleiches wie für die Klausel 3 gilt für die Klausel 4, wonach sich der Verbraucher für eine Abholung der Eintrittskarte in einer L*****-Filiale seiner Wahl entscheiden kann. Auch hier ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, ob die Bekl die Eintrittskarte physisch an die vom Käufer gewählte L*****-Filiale sendet (und damit an einen vom Erfüllungsort verschiedenen Ort) oder ob sie erst dort ausgedruckt wird.

Klausel 5 – Abholung beim Verkäufer

Bereits spruchreif ist allein die Klausel 5, wonach der Verbraucher für die Abholung in einem „o***** Center“ – also am Sitz oder zumindest an einer Niederlassung der Bekl – 1,90 € zahlen muss. Mangels einer anderen – auf Versendung oder gar Bringschuld lautenden – Vereinbarung hat der Käufer die Kaufsache beim Verkäufer abzuholen, letzter aber die damit korrespondierende Verpflichtung, die Übernahme der Sache durch Bereitstellen zu ermöglichen. § 1063a ABGB beruht auf der Grundüberlegung, dass der Verkäufer die Kosten für die Handlungen tragen soll, die er schuldet. Somit hat die Bekl als Verkäuferin die Kosten zu tragen, die mit der Bereitstellung der Ware (Ticket) zur Abholung in einem ihrer Servicecenter einhergehen. Für die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung darf ein Verkäufer sich nicht vertraglich einen Kostenersatz versprechen lassen, zumal er ansonsten seine Hauptleistungspflicht – Übergabe der Kaufsache am Erfüllungsort – aushöhlen würde (vgl RIS-Justiz RS0016908 [T5, T8, T10]).

Die Klausel 5 ist damit gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25707 vom 17.07.2018