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„Anbieter“ iSd KMG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KMG: § 1

Nach § 1 Abs 1 Z 6 KMG ist „Anbieter“ eine juristische oder natürliche Person, die „Wertpapiere oder Veranlagungen öffentlich anbietet“. Grundsätzlich ist von einem weiten Verständnis des Gesetzgebers dahingehend auszugehen, dass als Anbieter jeder zu qualifizieren ist, dem eine an das Anlegerpublikum gerichtete Mitteilung iSd § 1 Abs 1 Z 1 KMG zugerechnet werden kann. Anbieter ist daher jeder, der eine Mitteilung an das Publikum macht.

Neben dem Emittenten hat auch der Anbieter sicherzustellen, dass die Vorschriften des KMG eingehalten werden; ist er hiezu nicht in der Lage, zB weil der Emittent keinen dem KMG entsprechenden Prospekt veröffentlicht, so hat der Anbieter das öffentliche Angebot zu unterlassen bzw zurückzunehmen. Wenn der bekl Versicherungs- und Finanzberater die Veranlagungen öffentlich anbietet (hier: qualifiziertes Nachrangdarlehen; Vertragsabschluss vor Inkrafttreten des AltFG), trifft ihn daher auch die Prospektpflicht.

OGH 28. 6. 2018, 6 Ob 97/18k

Anlageprodukt

Der Kläger schloss am 30. 12. 2014 über Vermittlung der bekl P mit der T***** Consulting einen Vertrag über ein Nachrangdarlehen iHv 20.000 € mit einer Laufzeit bis zum 31. 12. 2016 und einer Verzinsung iHv 7 % pA. Gleichzeitig wurde eine Option unterfertigt, die dem Kläger am Laufzeitende des Darlehens das Recht einräumte, 1.000 Stück stimmrechts- und nennwertlose Vorzugsaktien der e***** AG zum Preis von 20 € pro Stück zu erwerben.

Für das Produkt des Nachrangdarlehens mit der T***** Consulting lag kein Kapitalmarktprospekt auf, was der bekl P bekannt war; diese ging davon aus, dass für dieses Produkt kein Prospekt nötig ist.

Entscheidung

Dass auch bei einem Anbieter eine Verletzung der Prospektpflicht vorliegen kann, wurde – betr ein Kreditinstitut – schon klargestellt (2 Ob 32/09h, Rechtsnews 8701, RIS-Justiz RS0125644). Im Übrigen hätte die bekl P, auch wenn sie selbst keine Prospektpflicht träfe, nach Ansicht des OGH im Rahmen der umfassenden Beratung auf das Fehlen eines erforderlichen Prospekts hinweisen müssen.

qualifiziertes Nachrangdarlehen

In der E 4 Ob 47/16i, Rechtsnews 22178 = RdW 2016/499, hat der OGH (zum UWG) ausgesprochen, dass es sich bei der Ansicht, ein qualifiziertes Nachrangdarlehen stelle keine Veranlagung iSd KMG dar, um keine vertretbare Rechtsansicht handle, weil die Rechtslage bereits seit der E 4 Ob 184/11d, Rechtsnews 13281 = RdW 2012/497, eindeutig klargestellt sei.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Investition am 30. 12. 2014 und damit deutlich nach dem Vorliegen der genannten Entscheidung.

Nach dieser Rsp ist das Vorliegen einer Risikogemeinschaft und eines Totalverlustrisikos maßgeblich, das von der wirtschaftlichen Gebarung bzw vom wirtschaftlichen Erfolg der Emittentin abhängt. Auch wenn zu 4 Ob 47/16i ein Darlehen mit einer vierjährigen Kündigungssperrfrist zu beurteilen war und im hier vorliegenden Fall nur eine Laufzeit von zwei Jahren vereinbart war (mit Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung nur aus wichtigem Grund), kommt diesem Unterschied keine entscheidende Bedeutung zu, zumal dies am Vorliegen einer Risikogemeinschaft nichts ändert und das Totalverlustrisiko nicht wesentlich verändert. Der Laufzeit kommt demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung zu. Eine Laufzeit von zwei Jahren liegt zudem immer noch deutlich über der von Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung, wonach die Untergrenze für den Veranlagungsbegriff erst bei einem Jahr zu ziehen sei (vgl Pittl/Steiner in ZFR 2014, 159). Im Übrigen wäre die Ausnahme für Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten in § 1 Abs 1 Z 3 KMG sinnlos, wenn kurzfristige Veranlagungen von unter einem Jahr nie unter den Veranlagungsbegriff des § 1 Abs 1 Z 3 KMG fielen.

Wenngleich aus der Qualifizierung einer Rechtsauffassung als „unvertretbar“ im lauterkeitsrechtlichen Sinn noch nicht zwingend auf ein Verschulden iSd Schadenersatzrechts geschlossen werden kann, ging im vorliegenden Fall das ErstG im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der bekl P ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt: Die bekl P hat sich zwar darauf berufen, dass die FMA seit März 2014 davon ausgegangen sei, dass qualifizierte Nachrangdarlehen unter Umständen als Veranlagung gelten könnten, dies jedoch für den jeweiligen Einzelfall gesondert und abhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung beantwortet werden müsse. Eine derartige Prüfung hat die bekl P aber im vorliegenden Fall nicht vorgenommen. Nach der Aussage des Geschäftsführers der bekl P hat sich dieser vielmehr bezüglich der Prospektpflicht nur bei Herrn T***** erkundigt. Dass zum Veranlagungszeitpunkt eine entsprechende Einzelfallprüfung möglicherweise zu einem abweichenden Ergebnis hätte führen können, vermag die bekl P jedenfalls dann nicht zu entlasten, wenn sie gar keine diesbezügliche Prüfung angestellt hat.

Wertloses Investment durch Insolvenz

Im vorliegenden Fall begehrte der Kl die Verurteilung der Bekl ohne gleichzeitige Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag. Dem liegt zu Grunde, dass das mit dem Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellte Geld offensichtlich in die „e***** AG“ investiert wurde, die unstrittig insolvent ist. Daher muss davon ausgegangen werden, dass das investierte Geld verloren ist und der Kl aus dem Darlehensvertrag keine Zahlungen mehr erhalten wird.

Nach der Rsp ist ein Verkauf der Wertpapiere für die Geltendmachung des Differenzschadens nicht erforderlich, wenn die Veranlagung endgültig wertlos geworden ist (RIS-Justiz RS0120784 [T12]). Einer (endgültigen) Wertlosigkeit der Anlage gleichzuhalten ist die Uneinbringlichkeit einer Forderung des Anlegers gegen die Emittentin, über die ein Insolvenzverfahren wegen Vermögenslosigkeit eröffnet wurde (RIS-Justiz RS0120784 [T20]). Aus diesem Grund wurde in der E 4 Ob 140/12k, Rechtsnews 14185 = RdW 2013/18, die Verurteilung des Anlegeberaters zur Rückzahlung des vollen investierten Betrags an den Anleger nicht beanstandet, weil bei einem wertlos gewordenen Investment ein Verkauf weder möglich noch erforderlich sei und somit der Subtrahend bei der Schadensberechnung mittels Differenzrechnung mit Null anzusetzen sei.

Diese Überlegung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Dass es nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die T***** Consulting dem Kl vielleicht noch eine Zahlung leisten wird, steht einer Klagsstattgebung nicht entgegen, weil auch im Fall einer insolventen Emittentin dem Anleger nicht zugemutet werden kann, mit der Klage gegen den Berater bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens über die Emittentin zuzuwarten; im Fall der Leistung einer Zahlung durch die Emittentin an den Anleger (etwa im Insolvenzverfahren) stünde dem Berater, der den Schadenersatzanspruch erfüllt hat, ein Regressanspruch gegen den Anleger zu (4 Ob 140/12k).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26039 vom 18.09.2018