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Anlegerschaden - unrichtige Ad-hoc-Meldungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 1295

Hat die Emittentin durch mehrfache unrichtige Informationen (hier: unrichtige Behauptung der erfolgreichen vollständigen Platzierung von Kapitalerhöhungen im Rahmen von ad-hoc-Meldungen) - womöglich sogar ganz gezielt - verhindert, dass die Kurse sinken und damit der Anschein der (besonders beworbenen) Sicherheit verloren geht, war ihr Verhalten nicht nur abstrakt irreführend, sondern ganz typischerweise geeignet, das Anlageverhalten der Kl in unerwünschter Weise zu beeinflussen. Wenn in der höchstgerichtlichen Judikatur etwa darauf hingewiesen wurde, dass die börserechtlichen Publizitätsvorschriften (auch) die durch Informationsdefizite entstehende Bildung unangemessener Marktpreise verhindern sollen (9 Ob 26/14k ua, RdW 2015/387), sind damit gerade auch Fälle wie der vorliegende erfasst. Der Anleger soll durch die börserechtlichen Publizitätsvorschriften auch davor geschützt werden, dass durch eine unrichtige Information ein vielleicht bereits unrichtiger Kurs „noch unrichtiger“ wird.

OGH 10. 2. 2017, 1 Ob 157/16v

Sachverhalt

Die Zertifikate der Zweitbeklagten waren als sichere Anlageform beworben worden und es steht auch fest, dass die kl Anleger aufgrund der „besonderen Sicherheit“ bloß geringe und nur vorübergehende Kursschwankungen erwarteten und in diese Papiere nicht investiert hätten, wenn es vor ihrem Ankauf starke Kursschwankungen gegeben hätte (was nicht der Fall war). In diesem Fall hätten sie entweder (kapitalerhaltend) in „Bundesschätze“ oder in ihr Haus investiert.

Erstbekl ist eine Bank, die mit der Zweitbekl vertraglich, organisatorisch und personell verflochten ist, seit 2004 eine „Platzierungs- und Market-Maker-Vereinbarung“ mit der Zweitbekl hatte und seit 2006 große Mengen an Zertifikaten der Zweitbekl auf dem Markt hielt, um eine „stabile Kursentwicklung“ zu gewährleisten.

Vor dem Erwerb der Papiere durch die Kl im März und im Mai 2007 hatte die Zweitbekl im Zuge von Kapitalerhöhungen wiederholt - etwa im Rahmen von ad-hoc-Meldungen vom 27. 2. 2006 und vom 9. 2. 2007 - unrichtigerweise behauptet, die Kapitalerhöhungen seien erfolgreich abgeschlossen und vollständig platziert worden, obwohl in Wahrheit erhebliche Teile der Kapitalerhöhung - über eine Gesellschaft auf den niederländischen Antillen - mit eigenen Mitteln der Zweitbekl erworben worden waren. Der Bekanntgabe nicht vollständig platzierter Kapitalerhöhungen wäre von Analysten und Anlegern hohe Aufmerksamkeit gewidmet worden; sie hätte viele individuelle Veranlagungsentscheidungen beeinflusst und zu einem zumindest vorübergehenden, aber signifikanten, Nachgeben der Kurse geführt.

Als die Zweitbekl Ende Juli 2007 ein „Aktienrückkaufprogramm“ in Höhe von bis zu 10 % des Grundkapitals ankündigte, vervierfachte sich das Handelsvolumen und es kam zu einem erheblichen Kurssturz (Höchstkurs am 19. 6. 2007 bei 21,33 €; Kurs zum 10. 9. 2007 unter 10 €).

Im September 2007 verkauften die Kl ihre Papiere und erlitten gegenüber dem Ankaufspreis einen Verlust in Höhe des Klagebetrags.

Der Klage wurde in allen drei Instanzen stattgegeben.

Entscheidung

Mit dem Schutzzweck der börserechtlichen Publizitätsvorschriften hat sich das BerufungsG nach Ansicht des OGH ausreichend auseinandergesetzt. Die weitwendigen Ausführungen zur abstrakten Frage der Berechtigung des Vertrauens von Anlegern auf einen „richtigen Kurs“ gehen am Kern der Sache vorbei, so der OGH:

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass ungünstige Ereignisse in einer Kapitalgesellschaft nach ihrem Bekanntwerden typischerweise zu einem Sinken des Aktienkurses (bzw des Kurses des Zertifikats) führen. Gerade im vorliegenden Fall steht auch fest, dass eine richtige und vollständige Kapitalmarktinformation diesen Effekt gehabt hätte, wogegen er - wegen des Vertrauens der interessierten Kreise auf die Richtigkeit (und Vollständigkeit) der Informationen - tatsächlich unterblieben ist. Ebensowenig kann zweifelhaft sein, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Anlegern - so auch die Kl - besonderen Wert auf die „Sicherheit“ ihrer Vermögensanlage legen und daher von vornherein den Erwerb von Wertpapieren nicht in Erwägung ziehen, bei denen es in der (jüngeren) Vergangenheit erhebliche Schwankungen gegeben hat.

Auch die Ausführungen der Zweitbekl zur Beschränkung auf den „Preisschaden“ gehen nach Ansicht des OGH an der Sache vorbei, weil die Kl die Papiere ja nicht zum „wahren Wert“ erworben haben - dessen Ermittelbarkeit die Revisionswerberin im Übrigen sogar leugnet -, sondern von der Investition in stark volatile Papiere überhaupt Abstand genommen hätten. Auch ein „allgemeines Marktrisiko“ war daher nicht zu berücksichtigen, weil sich ein solches angesichts der Feststellungen zur hypothetischen Alternativverwendung des eingesetzten Kapitals gar nicht eröffnet hätte.

Die Frage, ob, inwieweit und wie lange sich ein Börsenkurs bei richtiger und vollständiger Information anders entwickelt hätte, ist eine Tatfrage, die einer Überprüfung durch den OGH nicht zugänglich ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23300 vom 21.03.2017