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Ansparplan „bis auf Widerruf“ - Aufklärungspflichten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

WAG 2007 § 40

§ 40 Abs 4 WAG 2007 konkretisiert die Anforderungen an die Beratung dahin, dass ein Rechtsträger seinen Kunden alle wesentlichen Änderungen rechtzeitig mitzuteilen hat, die sich auf die Informationen beziehen, die er gem § 40 Abs 1 Z 1 bis 6 WAG 2007 übermittelt hat, und die für eine Dienstleistung relevant sein, die er für den betreffenden Kunden erbringt. Von § 40 Abs 4 WAG 2007 umfasst sind nicht nur nachträglich eintretende Umstände, sondern (in analoger Anwendung kraft Größenschuss) auch die Richtigstellung einer von Anfang an unzutreffenden Information.

Kann die Bindung an die einmal getroffene Kaufentscheidung gelöst werden - wie hier bei einem bis auf Widerruf, dh theoretisch ad infinitum, durchzuführenden Sparplan -, womit eine weitere Veranlagung unterbleibt, kommt der Aktualisierungspflicht des § 40 Abs 4 WAG 2007 für die Dauer der Durchführung des Sparplans „Bedeutung für die Anlageentscheidung“ zu. Der Kunde ist daher über wesentliche Änderungen (aber auch Richtigstellungen), die für die zu erbringende Dienstleistung relevant sind, so lange aufzuklären, als solche Dienstleistungen erbracht werden. Diese (vor-)vertragliche Aktualisierungspflicht besteht nicht nur gem § 40 Abs 4 WAG 2007, sondern bereits nach den Bestimmungen des WAG 1996 und allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

OGH 27. 9. 2016, 1 Ob 21/16v

Entscheidung

Haftung der Bank

Im vorliegenden Fall war - in anderer Konstellation als bisher - auch zu prüfen, ob die Bank, die Effektengeschäfte ausführt, für die mangelhafte Beratung ihrer Kunden durch ein („kundennäheres“) WPDLU haftet:

Die bekl Bank wies enge personelle Verflechtungen mit den beiden Emittentinnen auf, hielt mittelbar (über Beteiligungsgesellschaften) einen hohen, kreditfinanzierten Eigenbestand (über der Großveranlagungsgrenze) und hatte vor diesem Hintergrund am Verkauf gerade dieser Papiere ein hohes Eigeninteresse.

Der Kl erwarb über Jahre hinweg (2002 bis Oktober 2008) ua auch mittels eines sogenannten „Sparplans“ Aktien zweier AGs (IF und IE). Seine Kaufaufträge wurden auf Formularen der Bekl (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) gestellt, an diese weitergeleitet und ausgeführt, wobei ein Depot bei der Bekl eröffnet wurde. Der Kl selbst hatte nie Kontakt mit deren Mitarbeitern; er stand in einem Vertrags- und Betreuungsverhältnis mit einem selbständigen WPDLU. Dieses war ein „substanzieller“ Vertriebspartner der Bekl und wurde von ihr regelmäßig mit Informationen (etwa auch einem Gutachten über die Mündelsicherheit der Anlage), Werbematerial und Formularen versorgt und ihre Mitarbeiter wurden zu Schulungen eingeladen.

Angesichts dieser Umstände konnte die Bank nach Ansicht des OGH nicht erwarten, dass die Aufklärung der Kunden durch die Wertpapierberater sachgerecht und vollständig erfolge. Dies umso weniger, als ihr das Wissen ihrer Organe (ab September 2007) um einen drohenden Kurssturz zuzurechnen ist und angesichts ihrer eigenen ausgegebenen Unterlagen (so etwa das Gutachten zur „Mündelsicherheit“ der Anlage) bewusst sein musste, dass diese besondere Sicherheit und Stabilität der Papiere am Markt suggerierten und dass die Berater mangels Information gar nicht in der Lage waren, produktgerecht zu beraten.

Der Ratschlag des (zuzurechnenden) Beraters, die Aktien zu behalten und nachzukaufen, kann - so der OGH - vor dem Hintergrund des lösbaren Dauerschuldverhältnisses nicht anders verstanden werden als ein Rat, den Sparplan weiterlaufen zu lassen, und war auch der Grund dafür, dass der geplante Widerruf (Verkauf) unterblieb, hatte doch der Kl nach den Feststellungen „aufgrund“ des Gesprächs mit dem Berater „neuerlich“ Aktien im Rahmen des Ansparplans und durch Einzelkauf erworben.

Das ErstG hat demnach - nach Ansicht des OGH zutreffend - eine Haftung der Bekl für Fehlberatungen (und etwaigen in der Folge unterlassenen Richtigstellungen vor Erbringung der einzelnen Dienstleistungen) bejaht.

Umfang der Haftung

Zum Umfang der Haftung der Bekl hält der OGH fest, dass sie für den gesamten Schaden haftbar ist, der sich wegen der rechtlichen Verknüpfung durch das Band des Vertrags in Form eines Dauerschuldverhältnisses aus diesem Sparplan ergibt (vgl RIS-Justiz RS0022813).

Die Bekl haftet aber nicht für weitergehende Schäden, die darin liegen, dass der Kl auf Basis anderer Verträge Aktien derselben Emittentinnen hielt. Der Kl hätte zwar nach den Feststellungen seinen gesamten Aktienbestand verkauft; die Schäden aus dem unterlassenen Verkauf von Aktienbeständen, die auf Basis anderer Verträge erworben wurden, beruhen aber nicht auf einem zu diesen Verträgen vorwerfbaren Pflichtverstoß und können der Bekl ebenso wenig angelastet werden wie etwa ein Schaden aus dem unterlassenen Verkauf von Aktienbeständen bei anderen Depotbanken. Für außerhalb des Sparplans erworbene Aktien fehlt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Anmerkung:

Im vorliegenden Fall waren sowohl das WAG 1996 als auch das WAG 2007 anwendbar.

Die Verordnung der FMA über Standards für Verfahren und Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten und über Informationen für Kunden bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (IIKV, BGBl II 2007/216), deren § 6 - beruhend auf § 41 Abs 3 Z 4 WAG 2007 - die Anforderungen zu Angaben zur künftigen Wertentwicklung nach Art 27 Abs 6 der MiFID-DRL umsetzte, trat erst mit 1. 11. 2007 in Kraft und ist daher auf den hier wesentlichen (Beratungs-)Sachverhalt noch nicht anwendbar.

Der OGH hielt in diesem Zusammenhang aber fest, dass es für die Frage einer fachgerechten und den Wohlverhaltensregeln entsprechenden Beratung auf eine Sichtweise ex ante ankommt, nicht auf die tatsächlich später eintretende Kursentwicklung. Eine Prognose über die künftige Kursentwicklung, die ohne Einschränkung und ohne Warnung zu ihrer Unsicherheit dargestellt wird, entspreche nicht den Wohlverhaltensregeln des WAG 1996 und bedeute somit eine mangelhafte Beratung. Ein solcher Ratschlag könne zwar durch eine später tatsächlich - so wie prognostiziert - eintretende Kursentwicklung „gerettet“ werden; dies war hier aber gerade nicht der Fall, kam es doch nicht zu einer raschen Erholung der Kurse, sondern zu einem Kursverfall.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22768 vom 13.12.2016