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Anspruch auf Kündigungsentschädigung bei Selbstkündigung?

Bearbeiter: Bettina Sabara

AngG: § 26, § 29 Abs 1

Ist der Arbeitnehmer vom Vorliegen eines Austrittsgrundes überzeugt (hier: eine nach Ansicht des Arbeitnehmers verschlechternde und vertragswidrige Versetzung), tritt er aber nicht vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus, sondern kündigt das Dienstverhältnis, hat er keinen Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum, der durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen, wenn er im Verfahren nicht schlüssig darlegen kann, weshalb ihm - trotz des durch die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist vermittelten gegenteiligen objektiven Eindrucks - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen sein sollte.

OGH 26. 7. 2016, 9 ObA 111/15m

Sachverhalt

Der Kläger war beim beklagten Arbeitgeber als Projektleiter beschäftigt. Vom 1. 5. 2013 bis 30. 4. 2014 war er auch mit der Leitung der Abteilung Schweißtechnik und Vorrichtungsbau betraut. Mit E-Mail vom 30. 4. 2014 erklärte der Kläger unter dem „Betreff: Kündigung“ Folgendes: „Wie bereits mündlich mitgeteilt, kündige ich hiermit aufgrund der angekündigten verschlechternden Versetzung, der ich nicht zugestimmt habe, mein Dienstverhältnis unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31. 5. 2014. Ich behalte mir ausdrücklich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vor.“

Der Kläger begehrte mit seiner Klage ua die Zahlung einer Kündigungsentschädigung. Er vertritt die Ansicht, dass der Arbeitgeber ihm mit 1. 5. 2013 unbefristet und unwiderruflich die - im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit als Projektleiter - höherwertige Funktion eines Abteilungsleiters übertragen, mit 1. 5. 2014 aber wieder entzogen und mitgeteilt habe, dass er künftig nur noch als Projektleiter tätig sein werde. Dabei handle es sich um eine verschlechternde und vertragswidrige Versetzung, die einen vom der Arbeitgeber verschuldeten Austrittsgrund darstelle.

Während das Erstgericht das Begehren des Klägers auf Zahlung einer Kündigungsentschädigung abwies, bejahte das Berufungsgericht diesen Anspruch. Der OGH erachtet den Rekurs für zulässig, weil zur Frage, ob bei Selbstkündigung eines Arbeitnehmers, der erkennbar einen wichtigen Lösungsgrund geltend macht, ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung besteht, eine einheitliche Rechtsprechung fehlt. In der Sache stellte der OGH das klagsabweisende Ersturteil wieder her.

Entscheidung

Kündigung bei Vorliegen eines Austrittsgrundes

Eingangs weist der OGH auf seine stRsp hin, dass es einem Arbeitnehmer, der berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden, nicht verwehrt werden kann, dieses Recht in einer für den Arbeitgeber regelmäßig günstigeren Form dadurch auszuüben, dass er sich mit einer größeren oder kleineren Lösungsfrist zufrieden gibt, wenn aus dem Inhalt seiner Erklärung deutlich erkennbar ist, dass er für sich einen wichtigen Lösungsgrund beansprucht (vgl zB OGH 5. 11. 2003, 9 ObA 85/03w, ARD 5517/2/2004). Eine Lösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen liege in diesen Fällen daher auch dann vor, wenn sie „nicht von heute auf morgen vor sich geht“, sondern in die äußere Form einer Kündigung gekleidet wird. Maßgebend sei nur, ob zwischen den Vertragspartnern klar ist, dass ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht wird und es sich daher nicht um eine gewöhnliche Kündigung handelt, zu der es der Angabe von Gründen nicht bedarf.

Wählt der Arbeitnehmer daher wie hier statt des vorzeitigen Austritts die Kündigung und weist er dabei auf den Austrittsgrund hin, so sei dies grundsätzlich zulässig. In solchen Fällen hat der OGH schon mehrfach Ansprüche auf Abfertigung Alt bejaht (vgl zB OGH 15. 12. 2015, 8 ObA 87/15z, ARD 6486/13/2016), aber auch schon einmal den Anspruch auf Kündigungsentschädigung in der Entscheidung OGH 21. 9. 1971, 4 Ob 61/71, ARD 2418/21/72, sowie auch den Anspruch auf Urlaubsentschädigung Alt (§ 9 Abs 1 Z 6 UrlG idF vor dem ARÄG 2000, BGBl I 2000/44).

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss unzumutbar sein

Einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung kann der Kläger nach Ansicht des OGH im vorliegenden Fall aber schon ausgehend von seinen Prozessbehauptungen nicht geltend machen. Dabei stellt der OGH seinen weiteren Ausführungen voran, dass der bloß Kündigende - abgesehen von der gewählten Beendigungsart - nur dann die Ansprüche eines Austretenden erfolgreich geltend machen kann, wenn die Voraussetzungen eines vorzeitigen Austritts vorliegen. Ein Arbeitsverhältnis könne nach stRsp im Regelfall nur dann vorzeitig aufgelöst werden, wenn die Interessen des Vertragspartners so schwer verletzt wurden, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht einmal mehr für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind bei sonstigem Verlust des Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen, zumal jedes Zögern mit der Auflösung sofort Zweifel aufwirft, ob es wirklich unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Dieselben Maßstäbe müssen nach Ansicht des OGH in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Kündigungsentschädigung auch dann gelten, wenn der Angestellte anstelle eines vorzeitigen Austritts aus wichtigem Grund eine bloße Kündigung unter Einhaltung der Frist des § 20 Abs 4 AngG erklärt. Auch in diesem Fall treffe den einen wichtigen Grund behauptenden Angestellten die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen dieses Grundes, der auch die Erklärung eines vorzeitigen Austritts rechtfertigen könnte.

Fehlendes Vorbringen zur Unzumutbarkeit

Dies ist dem Kläger im vorliegenden Fall nach Ansicht des OGH nicht gelungen:

Der Kläger hat vorgebracht, dass eine seines Erachtens verschlechternde und vertragswidrige Versetzung durch den Arbeitgeber einen Austrittsgrund iSd § 26 AngG darstelle. Er hat jedoch kein Vorbringen erstattet, aus welchem Grund ihm deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen sein sollte. Dies wäre jedoch, weil die Unzumutbarkeit immanenter Bestandteil jedes wichtigen Austrittsgrundes ist, erforderlich gewesen, um die Voraussetzungen auch für einen vorzeitigen Austritt schlüssig darzulegen.

Da der Kläger keinen sofortigen Austritt erklärt hat, sondern nur eine Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, hat er dadurch objektiv zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses trotz der von ihm behaupteten verschlechternden Versetzung durch den Arbeitgeber zumindest während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar war. Gerade an dieser Konstellation - hinzu kam, dass der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit substantiiert bestritt - hätte der Kläger im Verfahren besonders darlegen müssen, weshalb der objektive Eindruck, die Fortsetzung wäre ihm doch zumutbar, falsch gewesen sei.

Damit fehlt es im vorliegenden Fall aber an einem ausreichenden Vorbringen des Klägers zum Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes, der dem Kläger - trotz des durch die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist vermittelten gegenteiligen objektiven Eindrucks - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hätte, sodass das Erstgericht das Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung zu Recht abgewiesen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22212 vom 29.08.2016