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Beitragszuschlag nach ASVG ist keine Strafe

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

ASVG § 113

EMRK Art 6

EMRK 7. ZP: Art 4

Wird über einen Arbeitgeber wegen der unterlassenen Anmeldung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt neben einer Geldstrafe nach § 111 ASVG auch ein Beitragszuschlag nach § 113 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG verhängt, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art 4 des 7. ZPEMRK vor: Der Beitragszuschlag stellt keine Strafe bzw keine Sanktion strafrechtlichen Charakters dar, sondern ist als Pauschalersatz der Dienstgeber für den Verwaltungsaufwand der Krankenversicherungsträger zur Aufdeckung von Schwarzarbeit zu werten.

VfGH 7. 3. 2017, G 407/14 und G 24/2017

Entscheidung

Soweit die Anträge des BVwG auf Aufhebung der Z 2 bis 4 des § 113 Abs 1 ASVG gerichtet waren (Beitragszuschläge bei nicht vollständiger Meldung bzw unrichtiger oder verspäteter Entgeltmeldung), erwiesen sie sich als unzulässig (fehlende Präjudizialität).

Keine Strafbestimmung

Die Abweisung der Anträge des BVwG auf Aufhebung von § 113 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG begründet der VfGH zunächst damit, dass der Beitragszuschlag nach § 113 Abs 1 Z 1 ASVG (Beitragszuschläge bei unterlassener Anmeldung vor Arbeitsantritt) ebenso wenig eine Strafe darstellt wie Verzugszinsen. Anders als eine Verwaltungsstrafe fließt der Beitragszuschlag auch nicht etwa der betreffenden Gebietskörperschaft zu (hier: dem Bund), sondern jenem Krankenversicherungsträger, der den Aufwand der Kontrolle nicht angemeldeter Beschäftigung („Schwarzarbeit“) zu tragen hat. Er knüpft in rechtlicher Hinsicht an ein bestehendes (zunächst aber nicht gemeldetes) Versicherungsverhältnis an und ist daher (anders als eine Verwaltungsstrafe) ein Teil der vom Dienstgeber geschuldeten SV-Beiträge, der im Einzelfall zu den Regelbeiträgen hinzutritt.

Der Wortlaut des Gesetzes lässt nach Ansicht des VfGH keine Zweifel daran, dass es sich beim Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs 2 ASVG um keine Sanktion strafrechtlichen Charakters handelt, sondern um einen Pauschalersatz für den Verwaltungsaufwand, der durch Bereithaltung und den Einsatz von Personal zur Kontrolle von Arbeitsstätten iSd § 41a ASVG zwecks Aufdeckung von „Schwarzarbeit“ entsteht.

Dem Argument, dass §§ 111 bis 113 ASVG in Abschnitt VIII des Zweiten Teils des ASVG enthalten sind, der mit „Strafbestimmungen“ überschrieben ist, hält der VfGH entgegen, dass dies für sich allein noch nicht die erforderliche ausdrückliche Qualifikation auch des § 113 ASVG als Strafnorm darstellt, unterscheiden doch die Erläuterungen zur Stammfassung (ErlRV 599 BlgNR 7. GP, 47) ausrücklich zwischen den Strafbestimmungen und der Vorschreibung der Beitragszuschläge. Dass in der Abschnittsbezeichnung unverändert die Mehrzahl „Strafbestimmungen“ verwendet wird, stammt nach Ansicht des VfGH offensichtlich daher, dass sich ursprünglich neben § 111 ASVG eine weitere Strafbestimmung in diesem Abschnitt befunden hat, nämlich § 114 ASVG (Nichtabfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge), der durch das Sozialbetrugsgesetz, BGBl I 2004/152, mit Inkrafttreten des § 153c StGB aufgehoben wurde (mit 1. 3. 2005).

Dass die Kostenbeteiligung durch die Beitragszuschläge eine administrative Reaktion auf die Verletzung von Ordnungsvorschriften ist, macht sie noch nicht zur Strafnorm (vgl dazu VfGH 21. 6. 2000, G 78/99 ua, ARD 5150/16/2000, zu § 25 Abs 2 AlVG).

Für das Vorliegen einer Verwaltungsstrafe spricht schließlich auch nicht der Umstand, dass eine Herabsetzung oder gar ein Erlass des Beitragszuschlages in Betracht kommt, wenn Sachverhaltselelemente des Einzelfalls besonders berücksichtigungswürdig erscheinen, wie etwa bei erstmaliger Unterlassung der Meldung mit unbedeutenden Folgen. Damit wird - im Gegenteil - deutlich, dass die Verhängung des Kostenbeitrages (zum Unterschied von einer Verwaltungsstrafe) nicht obligatorisch ist, und der Gesetzgeber jenen Maßstäben entspricht, die der VfGH in seiner Rsp für vergleichbare Rechtsinstitute entwickelt hat (vgl zB VfGH 27. 11. 2012, G 77/12, ARD 6290/16/2013).

Die Prämisse des BVwG, dass § 113 Abs 1 Z 1 ASVG eine Strafbestimmung darstellt, trifft somit nicht zu und es ist daher auch der Behauptung eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art 4 des 7. ZPEMRK der Boden entzogen.

Kein Verstoß gegen Eigentums- und Gleichheitsrecht

Nach Auffassung des VfGH trifft auch das weitere Bedenken des BVwG nicht zu, wonach die angefochtenen Bestimmungen dem Dienstgeber im Falle der Betrauung eines Steuerberaters eine Haftung für fremdes Verschulden auferlegen würden, die gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen würde:

Eine Übertragung der den Dienstgeber treffenden gesetzlichen Meldepflichten auf Bevollmächtigte ist nach §35 Abs3 ASVG zwar ausdrücklich zugelassen, die rechtliche Wirksamkeit einer solchen Übertragung ist allerdings daran gebunden, dass diese Person dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben worden ist. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die gesetzlichen (Melde-)Verpflichtungen so lange in der Verantwortung des Dienstgebers bleiben, als eine solche Bekanntgabe an die Gebietskrankenkasse nicht erfolgt ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23523 vom 03.05.2017