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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
ASVG: § 232 Abs 1, § 273 Abs 1
Überwiegen in einem Kalendermonat Beitragszeiten einer freiwilligen Versicherung, Ersatzzeiten oder Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG (hier lit b: Zeiten des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung) gegenüber den Zeiten der Beitragszeit der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, so zählt dieser Monat nicht als Pflichtversicherungsmonat aufgrund einer Erwebstätigkeit und findet bei der Frage des Berufsschutzes keine Berücksichtigung.
Dabei ist für die Frage des Überwiegens im Kalendermonat nicht von einer fiktive Dauer von 30 Tagen, sondern von der tatsächlichen Anzahl von Tagen im Kalendermonat auszugehen. Ein Beitragsmonat kann daher nicht als Beitragsmonat aufgrund einer Erwerbstätigkeit angesehen werden, wenn darin 16 Tagen anderweitiger Beitragszeiten oder Teilversicherungszeiten nur 15 Tage der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit gegenüberstehen.
OGH 30. 9. 2014, 10 ObS 85/14v
Sachverhalt
Der Kläger hat den Beruf des Werkstoffprüfers erlernt. Unter Zugrundelegung seines Leistungskalküls ist ihm eine Tätigkeit als Werkstoffprüfer nicht mehr zumutbar. Die bekl Pensionsversicherungsanstalt wies seinen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Vorliegens von 90 Pflichtversicherungsmonaten ab. Sie ging davon aus, dass kein Berufsschutz als Werkstoffprüfer gegeben ist, weil insgesamt nur 89 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorlägen:
Im August 2002 und im März 2004 war der Kläger jeweils nur vom Monatsersten bis zum 15. des Monats aufgrund der Erwerbstätigkeit als Werkstoffprüfer pflichtversichert. Mit der Begründung, dass in diesen beiden Monaten 16 Tage an Ersatzzeiten überwiegen würden, sah die PVA diese beiden Monate nicht als Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit an, sondern als Ersatzmonate.
Der OGH hat die Revision zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage fehlt.
Entscheidung:
Versicherungsmonat
Zunächst stellt der OGH klar, dass die hier strittigen Monate August 2002 und März 2004 unzweifelhaft Versicherungsmonate iSd § 231 ASVG sind, weil nach § 231 Z 1 lit a ASVG jeder Kalendermonat ein Versicherungsmonat ist, in dem mindestens Versicherungszeiten in der Dauer von 15 Tagen liegen.
Es stellt sich daher die Frage des zeitlichen Überwiegens der Beitragszeit oder Ersatzzeit (bis zum 31. 12. 2004) bzw nunmehr der Beitragszeit der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit oder der Zeit der Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG (Bezug einer Leistung nach dem AlVG). Dabei ist vorerst zu beurteilen, ob Versicherungsmonate nach ihrer tatsächlichen Dauer (hier jeweils 31 Tage) oder unabhängig von ihrer tatsächlichen Dauer mit einheitlich 30 Tagen zu bemessen sind.
In der Rsp des OGH wurde bisher zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Die Rsp zu § 232 Abs 1 ASVG setzt sich vorrangig mit der Frage auseinander, wie Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zu qualifizieren sind.
Der VwGH ging davon aus, dass ein Versicherungsmonat iSd § 231 Z 1 lit a ASVG unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage in jedem Fall 30 Tage umfasst (vgl VwGH 19. 2. 1991, 90/08/0073, ARD 4288/11/91). Eine Begründung für diese Ansicht findet sich jedoch nicht.
Auch in der Lehre findet sich keine Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kategorie von Versicherungszeiten in einem Versicherungsmonat überwiegt.
Anknüpfen an Kalendermonat
§ 231 ASVG enthält eine Definition des Begriffs „Versicherungsmonat“, die an den Kalendermonat anknüpft, also an den einzelnen Monat in seinem konkreten zeitlichen Ausmaß.
§ 232 Abs 1 ASVG legt fest, unter welchen Voraussetzungen der einzelne Versicherungsmonat nach § 231 Z 1 ASVG als Beitragsmonat der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, als Beitragsmonat der freiwilligen Versicherung, als Ersatzmonat oder als Monat einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g und nach § 225 Abs 1 Z 8 ASVG gilt. § 232 ASVG verweist somit auf die in § 231 ASVG enthaltene, an den Kalendermonat anknüpfende Definition.
Nach dem Wortlaut dieser beiden aufeinander bezogenen Bestimmungen – so der OGH – stellt § 232 ASVG auf den Kalendermonat in seinem konkreten zeitlichen Ausmaß ab. Ziehe man iSd systematisch-logischen Auslegung zum besseren Verständnis des § 232 ASVG im ASVG enthaltene andere Regelungen heran, gelange man zum selben Ergebnis.
Kein allgemeines Prinzip
Eine ausdrückliche allgemeine Regelung, nach der im ASVG der Begriff „Kalendermonat“ – abweichend vom Wortlaut – einheitlich mit 30 Tagen anzusetzen wäre, findet sich im ASVG nicht. Würde der Begriff „Kalendermonat“ aber einen sozialversicherungsrechtlichen „terminus technicus“ darstellen, wäre nach Ansicht des OGH eine derartige ausdrückliche Regelung zu erwarten.
Nach Auseinandersetzung mit einer Reihe punktueller Bestimmungen im ASVG, denen zufolge der Kalendermonat mit 30 Tagen anzunehmen ist (zB § 44 Abs 2, § 45 Abs 1, § 76 Abs 6, § 76a Abs 7, § 76b Abs 6, § 100 Abs 1 lit b, § 225 Abs 5, § 242 Abs 2 Z 3 ua), kommt der OGH zusammenfassend zum Ergebnis, dass im ASVG zwar eine Reihe von Einzelregelungen enthalten ist, die von einem vereinheitlichten Kalendermonat ausgehen; es handelt sich dabei aber jeweils um in einem bestimmten Kontext stehende Sonderbestimmungen, die der Verwaltungsvereinfachung dienen – va der Vereinfachung und Vereinheitlichung von Berechnungen im Beitragsrecht – und denen kein Wirkungsbereich zukommt, der über die Norm, der sie zugehören, hinausgeht. Aus diesen Regelungen sei somit kein allgemeines Prinzip ableitbar.
Kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension
Im Hinblick auf das zeitliche Überwiegen der Zeit der Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG im August 2002 und März 2004 (jeweils 16 Tage stehen nur 15 Tagen der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit gegenüber) konnten diese beiden Monate hier bei der Frage des Berufsschutzes nicht berücksichtigt werden und die Voraussetzungen für die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension lagen nicht vor, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Verweisungstätigkeiten vorhanden sind, die dem Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen zumutbar sind.
Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz
Gegen dieses Ergebnis hegt der OGH auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Im Abstellen auf das zeitliche Überwiegen im Kalendermonat könne weder eine willkürliche noch eine gleichheitswidrige Vorgangsweise erblickt werden, weil nach stRsp des VfGH bei der Sachlichkeitsprüfung von einer Durchschnittsbetrachtung ausgegangen und auf den Regelfall abgestellt werden darf (vgl OGH 23. 7. 2013, 10 ObS 97/13g, ARD 6370/7/2013), wobei auch vergröbernde Regelungen pauschalierenden Charakters zulässig sind, sofern sie nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen (vgl OGH 10. 7. 2001, 10 ObS 96/01t, ARD 5350/8/2002). Dass sich dabei Härtefälle ergeben können und das Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, mache das Gesetz in Bezug auf das Gleichheitsgebot noch nicht bedenklich.
Bearbeiterin: Bettina Sabara