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BFG: Berechnung der steuerlichen Zuzugsbegünstigung

Bearbeiter: Sabine Sadlo

EStG § 103 Abs 1

Da die Zuzugsbegünstigung nicht über die bloße Vermeidung zuzugsbedingter steuerlicher Härten hinausgehen darf, ist zwecks Ermittlung (Prognose) der zu beseitigenden Mehrbelastung, die durch die Wohnsitzverlegung eines Künstlers nach Österreich bei seinen Auslandseinkünften eintritt (hier: international anerkannter Tenor an der Wiener Staatsoper), das ausländische und inländische Steuerniveau gegenüberzustellen und keineswegs lediglich der Vergleich der österreichischen Steuerbelastung auf den ausländischen Einkünften vor und nach dem Zuzug nach Österreich maßgebend (vgl Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht).

BFG 22. 5. 2015, RV/7101235/2015

Sachverhalt

Mit Anbringen vom 22. 10. 2010 stellte der Beschwerdeführer an den BMF den Antrag auf Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG ab den Veranlagungsjahren 2011. Er sei ein international auftretender Opernsänger und erziele aus dieser Tätigkeit in Österreich und im europäischen Ausland steuerpflichtige Einkünfte. Sein Zuzug von Italien nach Österreich diene der Förderung der Kunst und liege insofern im öffentlichen Interesse. Durch den Zuzug von Italien nach Österreich entstehe eine höhere österreichische Steuerbelastung. Durch die vorgelegte Mehrbelastungsrechnung werde dieser zuzugsbedingte höhere Anfall an österreichischer Einkommensteuer nachweislich dargelegt.

Im Verfahren zur Erteilung der Zuzugsbegünstigung von Auslandseinkünften hielt der BMF dem Beschwerdeführer vor, dass die vorgelegte Mehrbelastungsrechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 103 EStG entspreche. Danach muss die Höhe der steuerlichen Mehrbelastung bei den (ausländischen) Einkünften, die durch den Zuzug nach Österreich verursacht wird, im Verhältnis zur steuerlichen Belastung im Wegzugsstaat (Italien) dargestellt werden.

Der Beschwerdeführer beharrte jedoch auf seiner Ansicht, dass die Beurteilung der steuerlichen Mehrbelastung ausschließlich nach österreichischem Recht - ohne Anwendung ausländischen Steuerrechts - vorzunehmen sei.

Mit Bescheid des BMF vom 4. 9. 2014 wurde die beantragte Zuzugsbegünstigung für die Veranlagungsjahre 2011 bis 2014 als unbegründet abgewiesen. Die Gewährung einer Begünstigung nach § 103 EStG setze voraus, dass das ausländische Besteuerungsniveau wesentlich vom inländischen abweiche. Die in der Literatur vertretene Einzelmeinung (Lang, SWI 8/2000, 362), wonach iZm dem Begriff der Mehrbelastung - mangels expliziter Bezugnahme auf das ausländische Recht - isoliert auf das österreichische Steuerrecht abzustellen sei, würde dem Prinzip der Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (iZm der steuerlichen Belastung) widersprechen.

Entscheidung

Umfängliche Begrenzung der Zuzugsbegünstigung

Die Zuzugsbegünstigung steht in einem verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Spannungsfeld. Für die Gewährung von persönlichen Steuervorteilen an einzelne Steuerpflichtige muss eine sachliche Rechtfertigung bestehen. Die Rechtmäßigkeit der Begünstigungsnorm des § 103 EStG und seiner Vollziehung ist an der sachlichen Rechtfertigung der gewährten Steuervorteile für bestimmte einzelne Steuerpflichtige zu prüfen. Das Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung schafft somit eine klare Begrenzung des Anwendungsbereichs dieser personellen Begünstigungsnorm.

Aus diesem Grund zielt der Normzweck der Zuzugsbegünstigung nur auf die bloße Beseitigung von steuerlichen Mehrbelastungen ab, die durch den Zuzug nach Österreich verursacht werden. Es soll und darf durch die Begünstigung kein steuerlicher Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich gegeben werden, sondern nur die zuzugskausale steuerliche Härte (Mehrbelastung) abgebaut werden, sodass hinsichtlich der Auslandseinkünfte und des Auslandsvermögens des Zuziehenden keine wesentlich höhere Steuerbelastung als bei Verbleib im bisherigen Ansässigkeitsstaat besteht (zitiert aus den Erläuternden Bemerkungen).

Die Gewährung von Steuervorteilen, die über den Abbau der zuzugsbedingten „steuerlichen Mehrbelastung“ hinausgingen, wäre nicht mehr sachlich gerechtfertigt und dies entspricht auch nicht mehr dem Tatbestand des § 103 EStG.

Für die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs „… steuerliche Mehrbelastung beseitigen …“ ist - entsprechend der stRsp des VwGH - in erster Linie auf die Hinweise in den bereits zitierten EB zu § 103 EStG (idF BGBl 1992/448, 574 BlgNR 18. GP, und idF BGBl 1993/818, 1237 BlgNR 18. GP) zurückzugreifen.

Die Beseitigung einer steuerlichen Mehrbelastung durch Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG darf nur insoweit erfolgen, dass keine Steuerersparnis als Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich entsteht. Das ist nur dann der Fall, wenn die gewährte Begünstigung in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung nur die durch den Zuzug verursachte Steuermehrbelastung vermeidet.

Mehrbelastung im Vergleich zum Ausland

Die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsauffassung, dass die gesamte, höhere österreichische Steuerbelastung im Vergleich zu jener vor dem Zuzug Gegenstand der Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG sei, ist eindeutig verfehlt. Diese Meinung steht in offenem Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien und hat kein plausibles Argument für sich. Diese Art der „Mehrbelastungsrechnung“ würde bei den in Betracht kommenden Auslandseinkünften und Auslandsvermögen des Zuziehenden zu unsachlichen und völlig überschießenden Steuerprivilegien führen, die der Gesetzgeber gerade zu verhindern bezweckte.

Im Inland bereits ansässige Steuerpflichtige, die durch ihre Erwerbstätigkeit eine vergleichbare Förderung der Forschung, Wissenschaft, Kunst oder des Sports vornehmen und deren Ansässigkeit und Wirken in Österreich insgesamt im öffentlichen Interesse gelegen ist, würden durch eine derartige Gewährung persönlicher Steuerbegünstigungen eindeutig diskriminiert. Genau dies wollte der Gesetzgeber vermeiden und dies war der Zweck der Novellierung der Zuzugsbegünstigung.

Die ständige Verwaltungspraxis über die Anforderungen der „Mehrbelastungsrechnung“ zur Darlegung der zuzugsbedingten steuerlichen Mehrbelastung (Rz 8203 EStR 2000), der die belangte Behörde in ihrer Entscheidung folgte, ist daher rechtskonform.

Diese Vollziehung des § 103 EStG führt auch zu keiner verfassungsrechtlich bedenklichen Anwendung ausländischen Rechts, wie der Beschwerdeführer vermeint. Davon ist nämlich die regelmäßige Notwendigkeit zu unterscheiden, dass bei der Vollziehung innerstaatlichen Rechts auch tatbestandsrelevante ausländische Sachverhalte nach den für sie maßgebenden ausländischen Normen zu beurteilen sind (zB innerstaatliche Rechts- und Parteifähigkeit oder Vergleichbarkeit einer ausländischen Gesellschaft nach ausländischem Gesellschaftsrecht).

Die Beschwerde hat somit bereits auf der Sachverhaltsebene keine Aussicht auf Erfolg. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufgliederungen über seine Auslandseinkünfte und die darauf entfallenden Steuern sind in vielen Punkten in sich widersprüchlich.

Anmerkung:

In offenbar erster Rsp zu der Frage, welche zuzugskausalen steuerlichen Mehrbelastungen zu beseitigen sind (offen ist aber noch auf welche Weise - siehe dazu unten die Pläne im StRefG 2015/2016), bestätigt das BFG somit die Verwaltungspraxis (Rz 8203 EStR). Bei Abweisung des Antrags auf Zuzugsbegünstigung hatte der BMF ausgeführt, dass sich steuerliche Mehrbelastungen in folgenden Fällen ergeben können (mit Verweis auf Doralt/Ludwig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG15, § 103 Tz 13):

1.ohne Zuzug wären die ausländischen Einkünfte im ausländischen Staat steuerfrei, während im Inland Steuerpflicht besteht;
2.ohne Zuzug würden die ausländischen Einkünfte mit wesentlich niedrigeren Steuersätzen besteuert werden;
3.ohne Zuzug würden die ausländischen Einkünfte mit einer wesentlich niedrigeren Bemessungsgrundlage besteuert werden.

Um in Verfahren zur Erteilung einer Zuzugsbegünstigung von Auslandseinkünften eine rasche und effiziente Abwicklung der Anträge gewährleisten zu können, soll mit dem Steuerreformgesetz 2015/16 die Verordnungsermächtigung des § 103 Abs 3 EStG um Kriterien (zB vorzulegende Nachweise), Umfang, Dauer und Verfahren betreffend Erteilung der Zuzugsbegünstigung erweitert werden. In dieser Verordnung kann auch aus Vereinfachungsgründen festgelegt werden, dass die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung in Form der Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes erfolgt, der sich aus der tatsächlichen Steuerbelastung vor dem Zuzug ergibt.

Da Wissenschaftler und Forscher - im Gegensatz zu Künstlern - in der überwiegenden Zahl der Fälle fast ausschließlich Inlandseinkünfte erzielen und die Zuzugsbegünstigung von Auslandseinkünften kaum in Anspruch nehmen können, soll ergänzend zu Abs 1 künftig auch ein pauschaler Freibetrag in der Höhe von 30 % vorgesehen werden, in dem der Zuzugsmehraufwand (zB Preisniveauunterschiede, Umzugskosten iwS) und der auf die Inlandseinkünfte entfallende Steuernachteil pauschal abgegolten werden. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19932 vom 24.07.2015