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BFG: Keine Sechsteloptimierung durch Vorziehen von Prämien

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EStG: § 67 Abs 10, § 82

Werden Leistungsprämien kumuliert im ersten Halbjahr, aber fraktioniert in den ersten sechs Monaten eines Jahres ausbezahlt, verlieren sie ihren Charakter als Sonderzahlungen dennoch nicht. Sie sind vielmehr nach § 67 Abs 10 EStG – aufgrund der fraktionierten Auszahlung – wie ein laufender Bezug zu versteuern, bleiben aber bei Berechnung des Jahressechstels außer Ansatz.

BFG (Senat) 23. 11. 2016, RV/7100210/2014

Sachverhalt

1.Gesellschafter-Geschäftsführer (vorgezogene Weihnachtsremuneration)
Hinweis: Bei der Beschwerdeführerin dürfte es sich um eine Großkanzlei innerhalb einer Wirtschaftstreuhandgruppe handeln. Der Kollektivvertrag für Angestellte bei Wirtschaftstreuhändern gilt für alle Dienstnehmer, für die das AngG gilt. Angestellte mit Befugnis als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer unterliegen gehaltsmäßig aber der freien Vereinbarung. Laut Argumentation der Beschwerdeführerin zur „Weihnachtsremuneration“ im Juni sei es nach dem sog Günstigkeitsprinzip (vgl § 3 ArbVG) unzweifelhaft zulässig, bspw höhere Bezüge zu vereinbaren oder diese auch zu einem früheren Zeitpunkt auszuzahlen. Die Fälligkeitszeitpunkte für Sonderzahlungen, die der KV vorsieht, seien im gegenständlichem Fall daher nicht relevant.
Ein Teil der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erhielt im Prüfungszeitraum 2007-2009 jährlich ein bestimmtes – aufgrund eines im Rahmen einer Geschäftsführersitzung zu Jahresbeginn gefällten Beschlusses – im Voraus festgelegtes Jahresentgelt. Die tatsächliche Auszahlung erfolgte folgendermaßen:
  • laufendes Monatsgehalt zwölfmal Jänner-Dezember (laufender Bezug)
  • laufende Prämie, Auszahlung sechsmal jährlich jeweils Jänner bis Juni (laufender Bezug)
  • sowie zwei Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration) jeweils im April und im Juni (Sonstige Bezüge).
Die Dienstverträge selbst legen keine Entlohnungsbeträge fest, sondern wurde die Aufteilung des Jahresbezugs auf laufende monatliche Zahlung und die in sechs gleichen Monatsraten zu leistende Prämie durch die Gesellschafterversammlung festgelegt. Der laufende Monatsbezug der Geschäftsführer entspricht dem bei diesem Unternehmen üblichen Monatsbezug eines Abteilungsleiters. Die Festlegung der Prämie im Jänner erfolgte bei den angestellten Gesellschaftern in Anlehnung an die erbrachte Rendite des vorangegangenen (abweichenden) Wirtschaftsjahres (zum 30. Juni). Mit der Prämie wurden besondere Arbeitsleistungen und -belastungen des jeweiligen Kalendervorjahres (bei abweichendem Wirtschaftsjahr) abgegolten.
Unverändert und ohne jede Anpassung – auch wenn in diesem Fall dadurch ca 80 % des Gesamtjahresbezugs im ersten Halbjahr zur Auszahlung gelangen – nahm die Beschwerdeführerin die Berechnung des Jahressechstels im Juni nach der in Rz 1058 LStR 2002 gennanten Formel vor, nach der das Jahressechstel im Zeitpunkt der Auszahlung zu berechnen ist: Jahressechstel = im Kalenderjahr zugeflossene laufende (Brutto)Bezüge durch Anzahl der abgelaufenen Kalendermonate (seit Jahresbeginn) mal 2.
Nach einer GPLA beanstandete das Finanzamt, dass durch die gewählte Konzentration der Auszahlung der Sonderzahlungen auf die erste Jahreshälfte für die Geschäftsführer willkürlich ein gravierender steuerlicher Vorteil herbeigeführt werde, da de facto mehr als ein Viertel der laufenden Bezüge des betreffenden Kalenderjahres als sonstige Bezüge mit dem Steuersatz des § 67 Abs 1 EStG begünstigt ausgezahlt worden seien. Die gewählte Vorgehensweise halte dem Fremdvergleich nicht stand und stelle weiters Missbrauch iSd § 22 BAO dar. Bei rechnerischer Umstellung der Sonderzahlungen auf Juni bzw November ergebe sich jeweils im November eine Überschreitung des Jahressechstels und eine teilweise Besteuerung der Weihnachtsremuneration (€ 30.000) gemäß § 67 Abs 10 EStG. Daraus ergab sich eine LSt-Haftung iHv € 186.832,75 für 2007, € 185.893,92 für 2008 und € 221.137,52 für 2009.
2.Angestellte Berater ohne Beteiligung („Formel 7“)
Im Unternehmen waren neben den angestellten Gesellschaftern auch Personen mit der Berufsberechtigung zu dieser Branche ausschließlich im Dienstverhältnis (ohne Beteiligung als Gesellschafter) tätig. Deren Jahresbezüge bewegten sich 2009 zwischen € 65.800,- und € 138.600,- brutto (Auszahlung 14x jährlich) sowie einer jährliche Prämie zwischen € 1.000,- und € 11.000,-. Die Auszahlung der Jahresprämie an diese Dienstnehmer erfolgte in sieben gleichen Teilen im ersten Halbjahr Jänner bis Juni sowie einer Sonderzahlung im Juni. Für die „nur angestellten“ Mitarbeiter wurden die mit der Prämie honorierten Leistungen im Zuge eines Mitarbeitergesprächs festgelegt. Dabei wurde das Ausmaß der Erfüllung des Kriterienkatalogs im jeweiligen Vorjahr zur Grundlage gemacht. Die Höhe der Prämien richtete sich sowohl bei den „nur angestellten“ Mitarbeitern aber auch bei den angestellten Gesellschaftern also nach Leistungen des vorangegangenen Kalenderjahres.
Die Modalität der Prämienauszahlung und die sich daraus ergebende Sechstelberechnung (7 Teile davon 1 Sonderzahlung) bei den Mitarbeitern blieb bei der GPLA unbeanstandet.

Ratierliche Leistungsprämien sind Sonderzahlung

Aus dem Anstellungsvertrag der Gesellschafter ist ersichtlich, dass einerseits ein laufendes Gehalt gebührt und zusätzlich ein im Vertrag nicht näher umschriebener variabler Gehaltsbestandteil gebührt. Die ausdrücklich als Prämien ausbezahlten Beträge sind bei sämtlichen als Mitarbeiter tätigen Dienstnehmern (unabhänging von ihrer Gesellschafterstellung) als Sonderabgeltung für die im ersten Halbjahr überproportional zu erbringende Arbeitsleistung anzusehen. Die Ausmessung der Prämienhöhe orientiert sich dabei nach Leistungsfaktoren des jeweiligen Vorjahres (Rendite bzw Kriterienkatalog).

Im Lichte der Judikatur des VwGH (vgl VwGH 7. 8. 2001, 98/14/0081, ARD 5349/27/2002; VwGH 25. 1. 1994, 90/14/0184, ARD 4621/22/95) ist aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich, dass die Prämien entsprechend den Dienstverträgen neben dem laufenden Bezug ausgezahlt wurden. Die Prämien der Gesellschafter wurden jährlich im Rahmen einer Gesellschafterversammlung – in Anlehnung an die Rendite – neu festgesetzt und gebühren laut Anstellungsvertrag ausdrücklich zusätzlich zu den laufenden Bezügen. Die Prämien der „nur angestellten“ Mitarbeiter werden jedes Jahr als ein Ergebnis des Mitarbeitergesprächs bei Beurteilung der Vorjahresleistung festgelegt. Das entspricht der im Wirtschaftsleben üblichen Vorgehensweise bei leitenden Angestellten.

Der Rechtstitel für die Auszahlung der Prämie ist daher in beiden Konstellationen nicht jener eines laufenden Bezugs, sondern einer zusätzlichen Zahlung. Die tatsächliche Auszahlung weicht ebenfalls von den laufenden Bezügen erkennbar ab, als sie kumuliert im ersten Halbjahr erfolgt und keine Prämienauszahlungen im zweiten Halbjahr erfolgen. Die ausbezahlten Prämien stellen daher als Leistungsprämie eine Sonderzahlung dar, die neben dem laufenden, leistungsunabhängigen Monatsbezug ausbezahlt wird.

Aber keine sechstelerhöhung Wirkung!

Werden zB 13. und 14. Monatsbezug laufend anteilig mit dem laufenden Arbeitslohn ausbezahlt, sind sie aufgrund des Rechtstitels zwar weiterhin sonstige Bezüge, aber wegen der gewählten Auszahlungsmodalität gemeinsam mit den laufenden Bezügen gemäß § 67 Abs 10 EStG nach dem Tarif zu versteuern (VwGH 14. 12. 1993, 91/14/0038, ARD 4535/28/94). Die den laufenden Bezügen zugerechneten sonstigen Bezüge bleiben ihrer Art nach aber – auch bei Versteuerung wie laufende Bezüge – sonstige Bezüge und sind daher bei der Berechnung des Jahressechstels nicht zu berücksichtigen (VwGH 25. 1. 1994, 90/14/0184, ARD 4621/22/95; VwGH 22. 12. 1966, 2328/64 [verstärkter Senat], ARD 1953/6/67).

Daraus ergibt sich, dass die jeweils im ersten Halbjahr fraktioniert ausbezahlten Prämien bei sämtlichen als Mitarbeiter angestellten Dienstnehmern (unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung) nicht in die Berechnungsbasis für das Jahressechstel iSd § 67 Abs 2 EStG einzubeziehen sind.

Die Berechnung der einbehaltenen und angeführten Lohnsteuer entsprach daher nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene unrichtige Berechnung erfordert für den gesamten Streitzeitraum eine Neuberechnung der Jahressechstel und der sich daraus ergebenden Lohnsteuer für sämtliche angestellten Mitarbeiter und zwar unabhängig von ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung.

Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers

Bedingt durch die im vorliegenden Sachverhalt gegebene große Anzahl an betroffenen Steuerpflichtigen (Dienstnehmern), erscheint es im Hinblick auf die Verfahrensökonomie weitaus zweckmäßiger die unrichtig berechnete Lohnsteuer der Beschwerdeführerin im Haftungswege gemäß § 82 EStG vorzuschreiben, als im Rahmen der einzelnen Veranlagungsverfahren der Dienstnehmer anzupassen. Eine Unbilligkeit der Vorschreibung im Haftungswege kann nicht erkannt werden, da der Regressanspruch gegen die betroffenen Dienstnehmer hinsichtlich seiner Durchsetzbarkeit schon aufgrund der gegebenen Höhe der jeweiligen Bezüge ungefährdet erscheint und der Beschwerdeführerin daher kein endgültiger Vermögensnachteil droht.

Hinweis: Das BFG erklärte die ordentliche Revision mit folgender Begründung für zulässig (und nachdem die Beschwerdeführerin bereits das Rechtsmittel erhoben hat, bleibt die letztinstanzliche Entscheidung des VwGH abzuwarten): Die Berechnung des Jahressechstels durch die Beschwerdeführerin folgte den Vorgaben der Rz 1058 LStR. Wiewohl die Judikatur des VwGH in seinen Entscheidungen vom 25. 1. 1994, 90/14/0184, ARD 4621/22/95, sowie 14. 12. 1993, 91/14/0038, ARD 4535/28/94, nahelegt, dass die LStR in diesem Punkt § 67 Abs 1 EStG unrichtig auslegen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der VwGH der dort geäußerten Rechtsansicht des BMF anschließt, zumal sich die Sachverhalte der zitierten Entscheidungen von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt unterscheiden. Da den Auslegungen der LStR in der Praxis große Bedeutung zukommt und der VwGH zum hier vorliegenden Sachverhalt der überproportionalen Verlagerung der Lohnbezüge in das erste Halbjahr und der damit verbundenen Optimierung der Sechstelberechnung bislang noch nicht entschieden hat, liegt hier eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Anmerkung:

In der Praxis ist oft ungeklärt, ob aus einem sonstigen Bezug Teile als laufende Bezüge gerechnet werden können („Sechsteloptimierung“). Für den gegenständlichen Fall gilt noch die „Rechtslage“ vor dem LSt-Protokoll 2010, ARD 6088/17/2010. Seit dem 1. LStR-Wartungserlass 2011, ARD 6159/7/2011, wurden in der Rz 1052 LStR 2002 neue Anwendungsvoraussetzungen für die „Formel 7“ aufgestellt. Siehe dazu „Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Prämienoptimierung“ in PVP 2011/59. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23025 vom 27.01.2017