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Bildbericht über Mordversuch im Online-Archiv nach Freispruch?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

MedienG § 7a

UrhG § 78

Wurde in einem Medium (zulässigerweise) über die Mordanklage gegen eine bestimmte Person in der Druck- und der Online-Ausgabe berichtet, ist die fortdauernde Bereithaltung dieser Bildberichterstattung im Online-Archiv des Mediums über den Zeitpunkt der Beendigung des Strafverfahrens hinaus nur dann durch das Veröffentlichungsinteresse iSd Meinungs- und Medienfreiheit gerechtfertigt, wenn zugleich und räumlich verbunden auf den Freispruch von der Mordanklage hingewiesen wird.

OGH 17. 2. 2015, 4 Ob 187/14z

Sachverhalt

Das beklagte Medienunternehmen veröffentlichte ein Bild des Kl, das ihn in Handschellen vor Gericht zeigt, und berichtete in seiner Zeitung und online über die Gerichtsverhandlung gegen den Kl wegen der Anklage wegen Mordversuchs. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Kl freigesprochen. Darüber berichtete die Bekl nicht. Bild und Bericht über die Mordanklage blieben im Online-Archiv der Bekl abrufbar.

Der Kl begehrte von der Bekl (ua) die Unterlassung, sein Bild in Handschellen vor Gericht zu veröffentlichen.

Das ErstG gab der Klage statt. Das BerufungsG wies die Klage hingegen ab. Der OGH gab der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision Folge.

Entscheidung

Ursprüngliche Berichterstattung

Wie der 4. Senat festhielt, betraf die bisherige Rsp des OGH iZm der Berichterstattung über den Verfahrensausgang lediglich den Zeitpunkt der ursprünglichen Berichterstattung, zu dem das Ergebnis des Verfahrens noch offen war und daher keine unzulässige Persönlichkeitsrechtsverletzung begründete. Ob die mit der Bildnisveröffentlichung verbundene Preisgabe der Identität des Betroffenen dessen Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigt und damit dessen berechtigte Interessen verletzt, ist nach den im Zeitpunkt der Bildnisveröffentlichung gegebenen Umständen zu beurteilen. Dabei ist auf den Verfahrensstand und die Konkretisierung des Tatverdachts, die Schwere (Strafbarkeit) der Tat, aber auch auf die Tatumstände und die berufliche und soziale Stellung des Verdächtigen Bedacht zu nehmen. Je größer der Tatverdacht, je spektakulärer die Tat, desto geringer der Schutz des Betroffenen (RIS-Justiz RS0113492). In die Interessenabwägung können nur Umstände einbezogen werden, die bereits im Zeitpunkt der Bildnisveröffentlichung vorgelegen sind.

Ein der Bildnisveröffentlichung nachfolgender Freispruch des Betroffenen kann daher nicht berücksichtigt werden (4 Ob 110/00f, RdW 2000/512).

Online-Archiv

Im Anlassfall war aber (auch) die Bereithaltung des seinerzeit berechtigterweise veröffentlichten Artikels samt Lichtbild zu beurteilen, die als fortdauernde Veröffentlichung anzusehen ist, zumal für jedermann bis heute (zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren) der Abruf möglich ist. Seit der Veröffentlichung im Printmedium der Bekl haben sich die Umstände aber insoweit maßgeblich geändert, als der Kl von dem Vorwurf des versuchten Mordes rechtskräftig freigesprochen wurde. Es ging daher hier nicht nur darum, dass durch die fortlaufende Bereithaltung der seinerzeitigen Berichterstattung über eine Straftat und ihren Täter an einen historischen Sachverhalt erinnert wird, sondern dass ein die berechtigten Interessen des Kl zweifellos verletzender - inzwischen unrichtig gewordener - Eindruck aufrechterhalten wird, der dem historischen Sachverhalt nicht entspricht.

Nach Ansicht des OGH lässt sich dies auch nicht mit einem Veröffentlichungsinteresse der Bekl rechtfertigen. Dieses könne sich nur auf die Veröffentlichung eines zutreffenden historischen Sachverhalts beziehen, etwa auf die gegen den Kl erhobene Mordanklage und den darauffolgenden Freispruch in der Hauptverhandlung, nicht aber auf einen - einen gänzlich unrichtigen Eindruck hervorrufenden - bloßen Teil des historischen Geschehens.

Es könne hier auch nicht von einem unzumutbaren Aufwand für die Bekl ausgegangen werden, wird ihr doch nicht auferlegt, auf unbestimmte Zeit laufend eine allfällige Rechtswidrigkeit durch geänderte Tatumstände zu überprüfen, sondern lediglich den zeitnahen Abschluss eines begonnenen Verfahrens zu beobachten (Beendigung des Strafverfahrens gegen den Kl durch Freispruch am Folgetag der Veröffentlichung im Printmedium).

Der OGH fasste seine Erwägungen - wie bereits im Leitsatz ersichtlich - folgendermaßen zusammen: „Die fortdauernde Bereithaltung der Bildberichterstattung über eine gegen den Kl erhobene Mordanklage im Online-Archiv des Mediums, in dem dieser Bericht in der Druck- und der Online-Ausgabe erschienen ist, über den Zeitpunkt der Beendigung des Strafverfahrens hinaus, ist nur dann durch das Veröffentlichungsinteresse iSd Meinungs- und Medienfreiheit gerechtfertigt, wenn zugleich und räumlich verbunden auf den Freispruch von der Mordanklage hingewiesen wird.“

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19265 vom 07.04.2015